Wagner 2013. Künstlerpositionen
7. Dezember 2012Klaus Staeck wollte in keinem Fall eine große Wagnerfeier. Bloß nicht mitrauschen im zu erwartenden großen Rausch des nahenden Jubiläumsjahres. Aber eine kritische Auseinandersetzung, eine Annäherung aus verschiedensten Perspektiven, die ist schon im Sinne des Präsidenten der Akademie der Künste. Schließlich hätten ihn große Verführer immer interessiert. Und ein großer Verführer sei er ja gewesen, dieser Richard Wagner. Der es bis heute schafft, die Menschen mit seiner überwältigenden Musik in den Bann zu ziehen. Auch außerhalb der Opernhäuser. Denn längst haben Werbung und Film die Kraft Wagners entdeckt und nutzen sie für ihre Zwecke. "Apocalyse Now“ von Francis Ford Coppola ist ein Beispiel, "Melancholia“ von Lars von Trier ein anderes. In der Ausstellung „Wagner 2013. Künstlerpositionen“ in der Akademie der Künste laufen nun Filmausschnitte samt Soundtrack mit Wagnermusik hinter Plexiglas. Und dann rinnt dicke blutrote Farbe über dieses Plexiglas, taucht das Filmbild in schwülstiges Licht und enttarnt so die emotionalisierende Kraft der Musik.
Wagner polarisiert
Dass Richard Wagner auch mal ein junger Revolutionär war und aus politischen Gründen aus Deutschland fliehen musste, erfährt, wer es noch nicht wusste, gleich zu Beginn der Schau. Dieser biografische Einstieg erleichtert sodann auch Nicht-WagnerianerInnen die Orientierung. Schließlich werden Lesarten und Auseinandersetzungen von mehr als 50 Künstlern mit seinem Werk präsentiert. Lesarten von Komponisten, Regisseuren, Bühnenbildern, Filmemachern, bildenden Künstlern und Schriftstellern, die mit Geduld erkundet und angehört werden wollen. Und doch recht schnell deutlich machen: Wagner polarisiert. Immer noch.
Achim Freyer etwa, der gerade in Mannheim seinen zweiten Ring des Nibelungen inszeniert, sagt: "Dieses Werk ist ein Weltwunder". Wagner, ein avantgardistischer, anarchistischer Aufrührer und Künstler, habe daran mit einer Besessenheit gearbeitet, die ohnegleichen sei. Aber Rassismus, den könne er im gesamten Ring nicht ausmachen. Ein Rassismus, der an Wagner klebt, seit der 1850 seinen antisemitischen Aufsatz "Das Judentum in der Musik" veröffentlicht hat. Für den Regisseur Hans Neuenfels ist das eine der scheußlichsten Schriften, die je von einem Künstler verfasst wurde. "Wenn Kunst das Humane bewahren soll und der letzte Hort des Humanen ist, dann hat noch nie ein Genie so wie Wagner durch eine Schrift gegen das Humane verstoßen." Aber, schränkt Neuenfels ein, Wagners Musik sei auf keinen Fall antisemitisch. "Am meisten fasziniert mich an ihm, dass er gesellschaftliche und individuelle Abhängigkeiten durchschaut wie kaum ein anderer. (…) Seine Opern sind prophetische Beobachtungen über Massenbewegungen und über die Verführbarkeit Einzelner". So äußerte sich der Regisseur, der mehrfach Wagner inszeniert hat, 2010 im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".
Kunsttablette Wagner
Barrie Kosky hingegen, Intendant und Chefregisseur der Komischen Oper Berlin, kann sich nur wundern. Es sei eine Lüge zu sagen, es gäbe keinen Antisemitismus in Wagners Stücken. "Für mich ist es unmöglich, bei Wagner Musik und Text zu trennen, unmöglich, Wagners Biografie von Musik und Text zu trennen, und unmöglich, Wagners Antisemitismus von seiner Biografie und der Musik und dem Text zu trennen ". Wagner sei die größte Kunsttablette, die er kenne. Inszeniert hat er ihn dennoch, seit 1996 immer wieder, in Sydney, Wien, Essen und Hannover.
Beinahe bei jedem Künstler, der sich in dieser Ausstellung positioniert, spielt die Frage, ob man Person und Werk voneinander trennen könne, eine Rolle. Und ob man die Musik von der Ideologie trennen könne. Dabei reicht das Spektrum der ausgestellten Arbeiten von der Dokumentation beispielhafter Inszenierungen über Bühnenbildentwürfe bis hin zu Texten und Fotos, präsentiert auf einem schillernden Teppich schönster Wagner-Musik. Wagner hat sie alle herausgefordert. Und die Ausstellung lädt ihre Besucher ein, es den Künstlern gleich zu tun – sich auf diesen Komponisten und sein komplexes Werk einzulassen, sich daran zu reiben oder von ihm überwältigen zu lassen. Wie auch immer, bei Wagner geht es wohl stets ums Ganze. Behauptet zumindest die Ausstellung in der Akademie der Künste.