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Hinweise auf mehr Morde von Neonazis

4. Dezember 2013

Nach dem Debakel der Sicherhreitsbehörden bei der Aufklärung der NSU-Morde durchforstet die Polizei ihre Archive: Die Zahl der Opfer rechter Gewalttaten ist womöglich viel höher als bislang angenommen..

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Gedenkstätte für NSU-Opfer in Dortmund (Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Bei der Überprüfung von 3300 bislang ungeklärten versuchten oder vollendeten Tötungsdelikten seien in 746 Fällen Anhaltspunkte gefunden worden, dass es sich um "rechtsextremistisch motivierte Straftaten" handeln könnte, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin. Die offizielle Statistik führt bislang knapp 60 Morde mit rechtsextremem Hintergrund auf.

Nach Angaben des Ministeriumssprechers wurde die Überprüfung von ungeklärten Tötungsdelikten aus den Jahren 1990 bis 2011 nach Bekanntwerden der Mordserie der Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) eingeleitet. Deren Mitgliedern werden insgesamt zehn Morde zur Last gelegt (das Artikelbild zeigt eine Gedenkstätte für NSU-Opfer in Dortmund). Die einzige Überlebende der dreiköpfigen Gruppe, Beate Zschäpe, steht derzeit in München vor Gericht.

Der Sprecher von Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich betonte, für die Aufarbeitung der 746 unklaren Fälle seien vor allem die Polizeibehörden der Bundesländer zuständig. Die Tatsache, dass "Anhaltspunkte" gefunden worden seien, bedeute aber noch nicht, dass es sich tatsächlich um rechtsextremistisch motivierte Taten handele. Nach seinen Angaben soll im zweiten Quartal 2014 ein Gesamtergebnis der Überprüfung vorliegen.

Beate Zschäpe vor Gericht in München (Foto: dpa)
Beate Zschäpe vor Gericht in MünchenBild: picture-alliance/dpa

Kritiker monieren schon lange, dass die Zahl der rechtsextrem motivierten Tötungsdelikte von der offiziellen Statistik zu niedrig angegeben wird. Die Linken-Abgeordnete Petra Pau erklärte: "Recherchen von Journalisten und gesellschaftlichen Initiativen weisen bislang dreimal so viele Tötungsopfer rechtsextremer Gewalt auf, wie die offizielle Statistik einräumt. Diese bisherige Diskrepanz ist nicht hinnehmbar."

Back Up

Die Vorsitzende der gegen Rechtsextremismus engagierten Amadeu-Antonio-Stiftung, Anetta Kahane, sagte: "Jahrelang wurde die Dimension rechter Gewalt durch die Sicherheitsbehörden verharmlost. Dass nach langem Drängen der Zivilgesellschaft nun endlich neue Kriterien zur Erfassung rassistisch motivierter Gewalt erarbeitet wurden, ist ein wichtiger Schritt, um die Realität abzubilden." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt warf den Behörden vor, die Gefahr des gewaltbereiten Rechtsextremismus "völlig falsch eingeschätzt" zu haben. Das müsse sich ändern, im Koalitionsvertrag von Union und SPD fehlten jedoch "konkrete Maßnahmen zur polizeilichen Wahrnehmung und Verfolgung rassistisch motivierter Straftaten", kritisierte sie.

Regierungssprecher Steffen Seibert betonte hingegen, die Bundesregierung sei sich jederzeit der Herausforderung durch gewaltbereiten Rechtsextremismus bewusst. Deshalb werde der Staat auch weiter dafür sorgen, dass es Förder-, Aussteiger- und präventiv wirkende Bildungsprogramme gebe. Auch eine künftige Bundesregierung werde nach seiner Überzeugung "alle Kräfte in der Gesellschaft stärken, ermuntern und ermutigen", die sich dem Rechtsextremismus "mit Aufmerksamkeit und Mut entgegenstellen", sagte Seibert.

wl/re (dpa, afp)