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Hisbollah in der Zwickmühle

Mona Naggar1. Oktober 2012

Die Hisbollah ist die stärkste Kraft im Libanon und steht vor einer großen Herausforderung. Ihr Hauptverbündeter, das Assad-Regime, droht zu stürzen. Im Zedernstaat versucht sie eine schwierige Balance zu halten.

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Two Lebanese army soldiers from the 10th infantry brigade drive a jeep with a Lebanese flag covering the hood while patrolling the streets in the southern town of Khiam, Lebanon Friday, Aug. 18, 2006. The Lebanese army reached the country's southern border with Israel for the first time in decades, sending a lone jeep on patrol Friday through Kfar Kila, a battered stronghold of support for Hezbollah militants. (ddp images/AP Photo/Nasser Nasser)
Bild: AP

Die Hisbollah hat eine rasante Entwicklung durchgemacht. Vor 30 Jahren wurde die schiitische "Partei Gottes" unter dem Einfluss der Islamischen Revolution im Iran und als Kampf gegen die israelische Invasion im Libanon gegründet. Ihre Ziele waren der Widerstand gegen Israel und die Gründung eines islamischen Staates im Libanon. In den folgenden Jahren integrierte sie sich Schritt für Schritt in das politische System des Zedernstaates. 1992 trat die Hisbollah zum ersten Mal bei den Parlamentswahlen an. Die Schaffung einer islamischen Ordnung im Land gehört aber inzwischen der Vergangenheit an. Im Parteiprogramm kommt dieses Ziel nicht mehr vor.

Der Libanese Bassam Haidar hat den Wandel aus der Nähe miterlebt. Es bestehe ein großer Unterschied zwischen der Organisation Mitte der Achtziger Jahre und später, sagt er. Früher war sie von religiösem Fanatismus geprägt: "Feiern war verboten. Es war durchaus möglich, dass sie in Wohnungen eindrangen sind, um das zu verhindern. Auch Alkoholtrinken zuhause war nicht möglich." Haidar beobachtet, dass die Partei sich heute den Realitäten stellen würde: "Sie hat inzwischen eingesehen, dass sie nicht alle Leute in ihre Ideologie einzwängen kann. Die Zahl der Anhänger wäre sonst beschränkt geblieben und sie hätten nicht wachsen können."

Anpassung mit Grenzen

Bassam Haidar stammt eigentlich aus einem schiitischen Dorf im Südlibanon, lebt aber seit Jahrzehnten in der Dahiye, den südlichen Vororten von Beirut. Er ist kein Mitglied der Hisbollah, aber er sympathisiert mit ihr. Und bei den Parlamentswahlen macht Haidar sein Kreuzchen bei ihr. Er schätzt die Partei, weil sie, wie er findet, da einspringt, wo der libanesische Staat versagt. Der 47-Jährige schildert beispielsweise, wie die Partei angeordnet habe, in der Dahiye Wassertanks aufzustellen, weil das Wasser aus dem Hahn zum Trinken ungeeignet war.

Die Anpassung der Partei an libanesische Verhältnisse hat allerdings auch klare Grenzen. Sie ist weiterhin ein Staat im Staate und hält an ihrer militärischen Rolle fest. Eine Entwaffnung oder Einbindung in die libanesische Armee lehnt sie ab. Und ihr Selbstverständnis innerhalb einer iranisch-syrischen Koalition als Bollwerk gegen die amerikanischen und israelischen Interessen in der Region bleibt bestehen.

Absolute Treue zu Assad

Ungeachtet der immer dramatischer werdenden Situation in Syrien und des sich anbahnenden Sturzes des Regimes in Damaskus gehört die Hisbollah zu den politischen Kräften in der Region, die nach wie vor loyal zum Regime stehen. Bassam Haidar hält die Position der "Partei Gottes" für gerechtfertigt. Er ist überzeugt, dass es keine Alternative gibt: "Denn wenn das Regime in Damaskus gestürzt werden würde, dann kämen Leute an die Macht, die von den USA unterstützt werden. Die sind gegen uns. Niemand würde mehr den Widerstand gegen Israel im Libanon unterstützen."

Bashar al-Assad (Photo credit should read BERTRAND GUAY/AFP/Getty Images)
Stellt die Hisbollah im Libanon vor ein Dilemma: Bashar al-AssadBild: Getty Images

In der libanesischen Öffentlichkeit gibt es allerdings vermehrt Diskussionen über diese klare Parteinahme der Hisbollah und immer mehr ist die Rede von einem Dilemma, in dem die Partei steckt. Einer der Kritiker der pro-syrischen Haltung der "Partei Gottes" ist der schiitische Gelehrte Hani Fahs. Vor einigen Wochen gab der 66-Jährige zusammen mit einem weiteren schiitischen Gelehrten ein Kommuniqué heraus. Er fordert Solidarität für das unterdrückte Volk in Syrien und erinnert an die schiitische Tradition, den Unterdrückten beizustehen.

Eine schiitische Pluralität

Nach der Argumentation von Fahs müsse man Politikern, die mit ihrem Volk so umgingen wie die syrischen Machthaber es tun, die Unterstützung entziehen - auch wenn sie vorgeben würden, den Widerstand gegen Israel zu unterstützen. "Wir dürfen die Befreiung und den Widerstand nicht beschmutzen durch Korruption und Unterdrückung." Hani Fahs schätzt, dass sich mindestens ein Drittel der libanesischen Schiiten wann immer sie könnten mit dem syrischen Volk solidarisieren würden. Ein weiteres Drittel würde sich auch in diese Richtung äußern, wenn sie mehr Freiräume hätte: "Es existieren vielfältige Meinungen innerhalb der schiitischen Bevölkerungsgruppe und das ist nicht neu."

Trotz der Loyalität zum syrischen Regime kommt die Hisbollah nicht umhin, Rücksicht auf die libanesischen Gegebenheiten zu nehmen. Sie ist Teil eines parteiübergreifenden Konsenses im Zedernstaat, der darin besteht, die Lage im Land stabil zu halten - und das ungeachtet der Eskalation im Nachbarland und der syrischen Interessen. Der Verhaftung eines ehemaligen Ministers letzten August, der ihrem politischen Lager angehört, setzte sie keinen Widerstand entgegen. Michel Samaha wird verdächtigt, im Auftrag Syriens Anschläge im Libanon geplant zu haben. Auch ließ sie es zu, dass die libanesische Armee kürzlich in ihrem Herrschaftsgebiet, in der Dahiye, Operationen durchführte. Die Armee verhaftete dort Verantwortliche für die Entführung einiger Syrer und befreite einen Teil der Opfer.

Signale für Pragmatismus

Im Laufe ihrer Geschichte zeigte die "Partei Gottes" eine erstaunliche Wandelfähigkeit. Hani Fahs hält es für wahrscheinlich, dass die Hisbollah sich mit dem Umbruch in Syrien arrangieren wird.

Bild zum Beitrag: "Hisbollah in der Zwickmühle". Der schiitische Gelehrte Hani Fahs. Copyright: DW/Mona Naggar 22.9.2012 in Beirut
Hani Fahs, schiitischer GelehrterBild: DW

Die Partei sei pragmatisch, weil sie etwas geleistet und vorzuweisen hätte. Fahs bringt das Beispiel der Demonstration gegen den Mohammed-Film, zu der der Generalsekretär der Hisbollah Hassan Nasrallah aufgerufen habe. Ziel sei es gewesen, die eigene Stärke zu betonen und darauf hinzuweisen, dass die Partei für alle Muslime sprechen würde: "Das Positive daran ist, dass diese Botschaften auf politischem Wege mitgeteilt werden. Beim Papstbesuch waren die sanften Töne der Hisbollahvertreter auffällig. Sie haben sich positiv zum gesamtlibanesischen Dialog geäußert."