Hoeneß über Özil: "Seit Jahren Dreck gespielt"
23. Juli 2018Die Erklärung von Bayern-Präsident Uli Hoeneß zum Fall von Mesut Özil ließ an drastischen Worten nichts zu wünschen übrig. "Ich bin froh, dass der Spuk vorbei ist. Der hat seit Jahren einen Dreck gespielt. Den letzten Zweikampf hat er vor der WM 2014 gewonnen", sagte Hoeneß der Sport Bild und Bild-Zeitung vor dem Abflug des deutschen Rekordmeisters in die USA.
"Mist-Leistung"
Die Entwicklung in unserem Land sei, so Hoeneß weiter, "eine Katastrophe. Man muss es mal wieder auf das reduzieren, was es ist: Sport. Und sportlich hat Özil seit Jahren nichts in der Nationalmannschaft verloren." Vielmehr verstecke Özil "sich und seine Mist-Leistung hinter diesem Foto", sagte Hoeneß: "Seine 35 Millionen Follower-Boys - die es natürlich in der wirklichen Welt nicht gibt - kümmern sich darum, dass Özil überragend gespielt hat, wenn er einen Querpass an den Mann bringt."
Die Amateure vom DFB
Hoeneß kritisiert damit nicht nur Özil, sondern auch Bundestrainer Joachim Löw. Mit seiner Entscheidung für Özil hat Löw, wenn man den Worten von Hoeneß folgt, einen drastischen Fehler gemacht. Erst am Freitag hatte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zu Protokoll gegeben, der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sei von Amateuren durchsetzt. Das Krisenmanagement also nicht professionell.
Özils Erklärung
"Mit schwerem Herzen und nach langer Überlegung werde ich wegen der jüngsten Ereignisse nicht mehr für Deutschland auf internationaler Ebene spielen, so lange ich dieses Gefühl von Rassismus und Respektlosigkeit verspüre", hatte Mesut Özil am Sonntag in einer langen Erklärung auf Twitter geschrieben. Er fühle sich vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und vor allem dessen Chef Reinhard Grindel schlecht behandelt. "Ich werde nicht länger als Sündenbock dienen für seine Inkompetenz und seine Unfähigkeit, seinen Job ordentlich zu erledigen", betonte der 29-Jährige an die Adresse von Grindel gerichtet.
In den Reihen des DFB will Özil fremdenfeindliche Tendenzen erkannt haben: "Leute mit rassistisch diskriminierendem Hintergrund sollten nicht länger im größten Fußballverband der Welt arbeiten dürfen, der viele Spieler aus Familien verschiedener Herkunft hat", forderte der in Gelsenkirchen (NRW) geborene Profikicker mit türkischen Wurzeln, der über die sozialen Netzwerke viele Millionen Follower erreicht. Özil kritisierte, in den Augen von Grindel und dessen Unterstützern sei er "Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ich bin ein Einwanderer, wenn wir verlieren". Die früheren Nationalspieler Lukas Podolski und Miroslav Klose würden nie als "Deutsch-Polen" bezeichnet, "also warum bin ich Deutschtürke?"
Respektvoll oder respektlos?
Schon zuvor hatte der Spielmacher des FC Arsenal seine umstrittenen Bilder mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan vehement verteidigt. "Für mich ging es bei dem Foto mit Präsident Erdogan nicht um Politik oder Wahlen." Er habe damit vielmehr "das höchste Amt im Land meiner Familie respektiert".
Das Treffen Özils und seines DFB-Teamkollegen Ilkay Gündogan mit Erdogan - wenige Wochen vor der türkischen Präsidentenwahl - hatte in Deutschland eine Welle der Empörung ausgelöst, da es als Wahlkampfhilfe für den Staatschef bewertet wurde. Nach dem frühen Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM in Russland kochte das Thema wieder hoch.
Verständnis von der Kanzlerin
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte am Tag nach dem Rücktritt Verständnis für Özils Entscheidung. "Die Bundeskanzlerin schätzt Mesut Özil sehr. Mesut Özil ist ein toller Fußballspieler, der viel für die Fußball-Nationalmannschaft geleistet hat", sagte eine Regierungssprecherin am Montag. "Mesut Özil hat jetzt eine Entscheidung getroffen, die zu respektieren ist."
Für Bundesaußenminister Heiko Maas gibt es in der schwelenden Affäre nicht den einen Hauptschuldigen. "Ich glaube, alle Beteiligten in der Causa sollten einmal in sich gehen. Ich sehe wenige, die nach meiner Wahrnehmung sich dort einigermaßen richtig verhalten haben", sagte der SPD-Politiker. Rückschlüsse vom Fall Özil zum Stand der Integration in Deutschland möchte er nicht ziehen. Er glaube nicht, "dass der Fall eines in England lebenden und arbeitenden Multimillionärs Auskunft gibt über die Integrationsfähigkeit in Deutschland", sagte Maas.
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), erklärte, es sei "gut, dass sich Özil endlich erklärt hat". "Bei allem Verständnis für die familiären Wurzeln" müssten sich Spieler der Fußballnationalmannschaft aber "Kritik gefallen lassen, wenn Sie sich für Wahlkampfzwecke hergeben". Diese berechtigte Kritik dürfe allerdings "nicht in eine pauschale Abwertung von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen".
NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler, die selbst türkische Wurzeln hat, sagte der "Bild"-Zeitung (Montagsausgabe), Verbundenheit mit dem Heimatland der Eltern und Kritik an der Regierung würden sich nicht ausschließen. "Man kann ja auch bei uns kritisch gegenüber der Bundesregierung sein und Deutschland trotzdem lieben." Diesen Punkt scheine Özil aber "nicht verstanden zu haben". "Die Einladung eines Autokraten auszuschlagen wäre nicht respektlos gewesen. Es hätte Haltung gezeigt", sagte sie mit Blick auf das Treffen mit Erdogan.
Bundesjustizministerin Katarina Barley bewertete Özils Rassismus-Vorwürfe als Signal für ein tieferliegendes gesellschaftliches Problem. "Es ist ein Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Mesut Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühlt", twitterte die SPD-Politikerin.
Nach der Özil-Erklärung, die sich auch gegen DFB-Präsident Reinhard Grindel richtete, steht auch der Verband ein weiteres Mal unter Druck. Theo Zwanziger, einer von Grindels Vorgängern, zeigte sich betrübt über die Entwicklung. Der Rückzug des Spielers sei "für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag", sagte Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur. Durch Fehler in der Kommunikation sei etwas passiert, das bei Migranten nie passieren dürfe. Sie dürften sich nie als Deutsche zweiter Klasse fühlen, erklärte Zwanziger.
"Faschistischer Virus"
Aus der Türkei erhielt Özil indes Lob für seinen Rücktritt aus der deutschen Nationalelf. Sportminister Mehmet Kasapoglu schrieb auf Twitter: "Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen." Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde. Weiter schrieb er: "Aber stellen Sie sich vor, welchem Druck Herr Mesut in diesem Prozess ausgesetzt war. Wo sind Höflichkeit, Toleranz, Pluralismus geblieben...?!" Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte Özil, weil dieser mit seinem Rücktritt das "schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen" habe.
ml/wa/haz (dpa, afp, sid)