Hoffmann: "Da werden Alarmglocken läuten!"
14. Juni 2013DW.DE: Das Kanalprojekt war lange in der Diskussion. Nun will Nicaragua mit Hilfe einer chinesischen Firma mit Sitz in Hongkong das Projekt bauen. Warum investiert ein chinesischer Privatinvestor in dieses Projekt?
Karl-Dieter Hoffmann: Im Moment ist China der zweitgrößte Nutzer des Panamakanals zwischen dem Atlantik und dem Pazifik. Über die Motivation kann man jetzt nur spekulieren. Mit dem Bau des Panamakanals hatten die USA nicht nur ökonomische Ziele, sondern auch geopolitische. China ist nun eine Wirtschaftsmacht. Seine Investitionen wachsen in Lateinamerika schnell. In Teilen Südamerikas ist China der wichtigere Investor als die USA und Europa. In Zentralamerika ist China dagegen unterrepräsentiert, da viele Länder diplomatische Beziehungen zu Taiwan unterhalten, unter ihnen auch Nicaragua.
Warum will Nicaragua einen neuen Wasserweg bauen?
Nicaragua erhofft sich natürlich hohe Einnahmen. Derzeit wird der Panamakanal ausgebaut, weil der Bedarf vor allem an der Verbindung zwischen Asien und der Ostküste der USA besteht. Der Handelsaustausch wird intensiver. Ein großes Containerschiff zahlt für einen Transfer bis zu 150.000 US-Dollar.
Dieses Projekt in Nicaragua war schon immer im Gespräch, auch schon immer mit der Anmerkung: "Das ist zu teuer!". Und nun scheinen sie einen potenten Investor durch die Regierung in Peking gefunden zu haben. Es sieht im Moment so aus, dass alles fremdfinanziert wird. Nicaragua ist selbst zu arm, um so ein Projekt auch nur ansatzweise zu schultern. Ich habe gehört, dass die Hongkonger Firma den Kanal nicht nur baut, sondern auch für 50 Jahre betreiben darf.
Hat das Projekt eine reelle Chance, umgesetzt zu werden? Die Idee hatte man schon vor über 160 Jahren.
Das Parlament hat mit der Regierungsmehrheit das Projekt beschlossen. Es liegen aber noch keine Machbarkeitsstudien vor. Man weiß noch nicht, welche ökologischen Auswirkungen das Projekt mit sich bringt und wie es auch mit der Wasserversorgung aussieht.
Ein Teil der Trasse könnte durch den Nicaragua-See führen. Dort sind keine Baumaßnahmen notwendig. Oder durch den Fluss San Juan, der zum Teil Grenzfluss von Nicaragua und dem südlichen Nachbarland Costa Rica ist. Das könnte zu diplomatischen Spannungen zwischen beiden Ländern führen.
Das Ganze soll bis zu 40 Milliarden US-Dollar kosten. Das ist das 7,5-fache dessen, was jetzt an Wartungskosten für den Panamakanal ausgegeben wird, um zum überwiegenden Teil die Schleusen auszutauschen.
Wie werden die USA auf den "chinesischen Kanal" reagieren?
Die USA werden sehr überrascht sein. Ich glaube nicht, dass das Projekt beim Gipfeltreffen zwischen beiden Präsidenten Xi Jinping und Obama vor Kurzem in Kalifornien zur Sprache kam. Vor allem die Republikaner werden große Augen machen, weil sie schon vor einer "geheimen Machtübernahme des kommunistischen China" gewarnt hatten, als eine Hongkonger Firma den Betrieb des Terminalhafens an beiden Enden des Panamakanals übernahm. Das war aber maßlos übertrieben.
Jetzt werden aber die Alarmglocken läuten. Die USA hätten dann zum ersten Mal ihren Weltkonkurrenten direkt vor der Haustür. China hatte bislang in Lateinamerika immer nur auf wirtschaftliche Interessen geachtet. Klar stehen auch die politischen Interessen im Hintergrund. Aber Peking hat immer die US-Einflusszone respektiert. Das scheint sich derzeit zu ändern. Das setzt ein deutliches Signal: wir werden uns demnächst hier stärker präsentieren.
Dr. Karl-Dieter Hoffmann ist Politikwissenschaftler und Geschäftsführer des Zentralinstituts für Lateinamerikastudien an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Das Gespräch führte Gabriel Dominguez