Malier hoffen auf schnellen Sieg
15. Januar 2013Sechs Monate lang dauerte die Herrschaft der Islamisten über die Stadt Gao im Norden Malis. Die selbst ernannten "Verteidiger des Glaubens" der Ansar Dine marschierten dort Ende Juni 2012 ein und konnten ihre ehemaligen Verbündeten, die Tuareg-Rebellen, schnell vertreiben. Wie überall im Land wollten sie auch in Gao ihre strenge Auslegung des islamischen Rechts - die Scharia - durchsetzen. Sie verboten Musik und Tanz, trennten Dieben die Hand ab und steinigten unverheiratete Paare.
Nach den jüngsten Luftangriffen französischer Kampfjets seien die Islamisten aus der Stadt Gao geflüchtet, erklärte am Montag (14.01.2013) die malische Armee. Im Telefongespräch mit der DW zeigt sich ein Einwohner Gaos erleichtert. "Die Leute sind draußen und rauchen ungestört ihre Zigaretten", erklärt er. "Allerdings gab es vor kurzem Luftangriffe nicht weit von hier. Und einige Islamisten sind immer noch da, bleiben aber in ihren Fahrzeugen und laufen nicht zu Fuß durch die Stadt." Alle Positionen, die bislang angegriffen wurden, hätten außerhalb der Stadt gelegen. Deshalb seien auch keine Zivilisten getroffen worden, sagt der Mann, der aus Furcht vor den Rebellen anonym bleiben möchte.
Atemholen nach der Rebellenoffensive
Viele Malier scheinen froh über den plötzlichen Entschluss Frankreichs, in den Mali-Konflikt militärisch einzugreifen. Monatelang hatten zuvor die Vereinten Nationen, die westafrikanische Staatengemeinschaft ECOWAS und die Europäische Union über einen möglichen Kampfeinsatz diskutiert. "Dank Frankreich kann Mali nun aufatmen!" schrieb das "Journal du Mali" am Montag in einem Kommentar.
Erleichterung hat sich auch in Sévaré, einer Kleinstadt weiter südlich, breit gemacht. Sévaré liegt an der Grenze zu dem Gebiet, das die Islamisten bislang vollständig kontrollierten. Der Militärstützpunkt der malischen Armee gilt als strategisch wichtig. Wären die Rebellen bis hierher gelangt, dann hätten sie von der Regionalhauptstadt Mopti aus auf schnellstem Weg weiter gen Bamako vorrücken können.
Rückzug oder Taktik?
"Als die Islamisten Konna in der vergangenen Woche eingenommen haben, hatte ich ein richtig flaues Gefühl im Magen", erklärt Bessema, der als Lehrer in der Stadt arbeitet. Auch er möchte aus Sicherheitsgründen nicht mit vollem Namen genannt werden. "Wir hatten alle Angst, weil Konna nur 70 Kilometer von uns entfernt ist." Von Sévaré aus startete die französische Offensive gegen die Islamisten, die sich nach Angaben der malischen Armee zurückziehen mussten.
Nach dem Rückzug der Islamisten glaubten nun viele, dass der Krieg in einigen Tagen vorbei sein könne, so Bessema. "Aber die Rebellen sind gut darin, sich zu verstecken. Die verschwinden im Busch, meiden die Städte und tauchen dann manchmal ganz plötzlich an einem anderen Ort wieder auf."
Das mussten auch die Einwohner Diabalis erfahren. Ihre Kleinstadt etwa 400 Kilometer nördlich von Bamako wurde am Montag plötzlich zum Ziel der Rebellen. Sie hätten die Bevölkerung zwar nicht direkt angegriffen, erklärt ein Einwohner der DW am Telefon. "Aber es herrscht trotzdem Panik, weil die Rebellen ohne Angst und Hemmungen vorgehen. Wir sind in unseren Häusern gefangen." Zwei der Kämpfer seien in sein Haus eingedrungen, weil es sehr zentral an der Hauptstraße nach Süden liege, erzählt der Einwohner in Diabali. "Sie haben von meinem Fenster aus einen Helikopter angegriffen. Aber glücklicherweise hat der Helikopter nicht auf das Feuer reagiert. Sonst wäre ich jetzt nicht mehr am Leben."
Tausende fliehen vor den Kämpfen
Nach Angaben der malischen Armee hat die französische Luftwaffe auch Stellungen der Rebellen bei Diabali angegriffen. Dabei seien bislang mindestens fünf islamistische Kämpfer getötet worden. Glaubt man den Angaben der malischen Armee, dann sind die Rebellen weitgehend aus den größeren Städten des Nordens vertrieben worden.
Aber nicht nur die islamistischen Rebellen sind auf der Flucht. Auch immer mehr Zivilisten haben aufgrund der jüngsten Kämpfe ihre Häuser verlassen. Im DW-Interview spricht Seydou Amadou Cissé, Generalsekretär der Vereinigung malischer Flüchtlinge in Niger, von einem massiven Flüchtlingsandrang an der Grenze zum Niger. "Ich war selbst in Ayoru nicht weit von der malischen Grenze und habe dort drei- bis vierhundert Familien gesehen, die allein dieses Wochenende angekommen sind. Ich glaube, da beginnt ein neuer Flüchtlingsstrom", so Cissé.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass die jüngsten Kämpfe 30.000 Menschen in die Flucht getrieben haben. Zudem rechne man damit, dass noch viel mehr Menschen ihre Heimat im Kampfgebiet verlassen wollen. Möglicherweise würden sie aber von Islamistengruppen daran gehindert.