Hoffnung für den Nahen Osten
30. November 2004In der Euphorie, die den Vereinbarungen zwischen Israel und den Palästinensern 1993 in Oslo folgte, begründete die Europäische Union gemeinsam mit den südlichen und östlichen Mittelmeer-Anrainern ein eigenes Forum für Dialog - "EuroMed". Das war 1995 in Barcelona. Seither sind fast zehn Jahre vergangen.
"Aufbruchstimmung"
In den letzten Jahren haben Terror und Gewalt im Nahen Osten jedes Treffen des so genannten Barcelona-Prozesses überschattet. Er blieb aber immer eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sich israelische und palästinensische Vertreter direkt sehen konnten. Jetzt, nach dem Tode des Palästinenserführers Jassir Arafat, sei die Stimmung so ähnlich wie 1995. "Es ist ganz klar eine Chance, jetzt wieder einen Beginn zu setzen. Ich muss sagen, nur Anfang 1995 und jetzt habe ich diese neue Atmosphäre, diese Aufbruchstimmung gespürt", sagt die neue österreichische EU-Kommissarin für Außenbeziehungen, Benita Ferrero-Waldner.
"Chance nutzen"
Die Europäische Union verspricht, die für den 9. Januar angesetzten Wahlen in den Palästinenser-Gebieten mit 14 Millionen Euro und rund 200 Wahlbeobachtern zu unterstützen. Mit dem neuen Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde soll es dann so schnell wie möglich Gespräche über den internationalen Friedensplan - die "roadmap" - geben, kündigte der israelische Außenminister Silvan Schalom in Den Haag an. Schalom, der ebenfalls Optimismus verbreitete, wandte sich an seine arabischen und nordafrikanischen Kollegen: "Dies ist eine Zeit großer Möglichkeiten und Hoffnung für unsere Region. Wir müssen alle handeln, um die Chance zu nutzen. Israel fordert die arabische Welt auf, den demokratischen Prozess der Palästinenser und das Streben nach Frieden in Worten und Taten zu unterstützen." Bundesaußenminister Joschka Fischer allerdings dämpfte die Stimmung und mahnte nach einigen bilateralen Treffen mit arabischen Außenministern zur Vorsicht.
Schuldzuweisungen
Die arabischen Minister hielten sich mit öffentlichen Äußerungen in Den Haag zurück. Sie wiesen in Hintergrundgesprächen darauf hin, dass die Wurzel des Übels die israelische Besatzung in den Palästinenser-Gebieten sei. Der Verlauf der Grenzmauer zwischen Israel und den Gebieten wird als teilweise illegal verurteilt. Der palästinensische Chef-Unterhändler Nabil Schaath sagte, nun müssten wirkliche Verhandlungen beginnen. Die Besatzungsmacht Israel solle sich schon vor den Wahlen aus palästinensischen Gebieten zurückziehen.
Waffenstillstand
EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner sagte, es komme jetzt entschieden darauf an, dass die Palästinenserbehörde gegen potenzielle Attentäter vorgehe. Sie hoffe, dass sich die Palästinenser zu einem echten Waffenstillstand durchrängen und dass sich die Sicherheitssituation verbessere. „Das wiederum wird dann der Boden sein für echte Verhandlungen", sagte Ferrero-Waldner. Nur so werde sich auch Israel von Gegengewalt und Vergeltungsschlägen abhalten lassen, so die EU-Kommissarin.
EU als Vermittler
Der israelische Außenminister Silvan Schalom machte deutlich, dass Israel Gespräche auch fortsetzen wolle, falls es zu einem Terroranschlag komme. Entscheidend sei, dass der neue Palästinenserpräsident - anders als Arafat - erkennen lasse, dass er die Terroristen tatsächlich ernsthaft bekämpfen wolle.
Der Außenbeauftragte der EU, Javier Solana, sieht im erneuerten Engagement der Europäer auch eine Chance, die USA als Vermittler im Nahen Osten abzulösen. Viele arabische Staaten werfen US-Präsident George W. Bush vor, er habe sich auf die Seite Israels geschlagen. Israels Außenminister Schalom kritisierte dagegen die, wie er es nannte, Bevorzugung der Palästinenser durch die EU.