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Politik

Hoffnungsträger im Chaos von Caracas

Tobias Käufer Caracas
6. Juni 2017

Junge Venezolaner haben eine Hilfsorganisation gegründet. Ihr Ziel: Sie wollen in den gefährlichsten Vierteln der Hauptstadt der Jugend ein Signal der Hoffnung senden. Tobias Käufer, Caracas.

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Jesus Delgado, einer der Initiatoren von "Caracas mi convive"
Jesus Delgado, einer der Initiatoren von "Caracas mi convive" Bild: DW/T. Käufer

In der Mittagshitze trocknet die blaue Farbe in Windeseile. Die Jungs aus dem Stadtviertel "Bloque 23 de Enero" können es gar nicht erwarten, das frisch gestrichene Basketballfeld zu betreten, doch Jesus Delgado (21) mahnt zur Geduld. "Wartet noch ein paar Minuten, dann könnt ihr spielen", ruft der junge Venezolaner den Kindern und Jugendlichen zu. Vorher aber wollen Delgado und seine Mitstreiter von der Nichtregierungsorganisation "Caracas mi convive" - Caracas, mein Partner - auch noch das neue Basketballnetz am verwaisten Korb anbringen. Zusammen mit Initiator Leandro Buzon stellen sie eine Leiter an den Korb und Delgado hängt das neue Netz an. "Fertig", ruft der Student und die Nachbarn klatschen. Ein kleiner Sieg über die aktuelle Krise in Venezuela.

Geboren im "Bloque 23 de Enero"

Geboren und aufgewachsen ist Delgado genau in diesem Viertel, das vielen als eines der gefährlichsten Gegenden von Caracas gilt. Und der "Bloque 23 de Enero" ist zugleich eine Hochburg der "Chavistas", der Anhänger des verstorbenen Revolutionsführers Hugo Chavez und dessen Nachfolger im Präsidentenamt, Nicolas Maduro. "Das Viertel ist mein Leben", sagt Delgado im Gespräch mit der Deutschen Welle. Von hier aus begann Chavez vor knapp zwei Jahrzehnten seinen politischen Siegeszug. Und ausgerechnet hier formiert sich nun an der Basis immer mehr Widerstand. Weil die venezolanische Krise auch hier voll zugeschlagen hat, will Delgado etwas verändern. "Keine Organisation, keine staatliche Institution kümmert sich mehr um die Kinder und Jugendlichen. Deswegen wollen wir etwas dafür tun, dass sich die Lebensumstände bessern."

"Bloque 23 de Enero"
"Bloque 23 de Enero" ist eigentlich eine Hochburg der "Chavistas" - die NGO "Caracas mi convive" ist eher oppositionsnah Bild: DW/T. Käufer

Und ein Mittel ist der Sport: Mal ist es ein verrotteter Basketballplatz, den sie wieder aufmöbeln, mal ein Fußballfeld oder eine Kultureinrichtung. Und die NGO gewinnt an Zulauf, mehr als 25 Mitarbeiter kümmern sich ehrenamtlich um soziale Projekte. Dazu kommen spontan Nachbarn und Helfer, die sich lokal der Initiative anschließen. Soviel Eigeninitiative kommt nicht gut an in der Hochburg der Chavisten. "Die Colectivos haben bereits mehrfach die Stiftung untersucht", sagt Delgado. Die Colectivos sind für ihn regierungsnahe paramilitärische Banden, die das ganze Viertel kontrollieren. Die von der Regierung mit Waffen aufgerüsteten Milizen sind nach Lesart der Opposition Schuld daran, dass Caracas zur gefährlichsten Hauptstadt der Welt mutiert ist.

Oft übertreten die Colectivos die Grenzen zu organisierten Kriminalität - mit der Duldung des Staates. Sie kontrollierten den Drogen- und Waffenhandel, berichten Nachbarn, die ihre Namen nicht nennen wollen. "Sie versuchen unsere Arbeit zu blockieren und zu bremsen", sagt Degaldo. "Sie lassen uns nur arbeiten, wenn sie uns vorher eine Genehmigung erteilt haben." Den die "Chavistas" betrachten die Sozialarbeit traditionell als ihre Domäne. Jetzt stoßen ausgerechnet oppositionsnahe NGOs in das Vakuum.

Helfer der NGO renovieren ein Basketballfeld
Helfer der NGO renovieren ein Basketballfeld in der venezolanischen HauptstadtBild: DW/T. Käufer

Aktive Sozialarbeit als Alternative

Die jungen Venezolaner um Delgado und Buzon setzen vor allem auf aktive Sozialarbeit. "Die Menschen hier unterstützten uns. Vor allem die Eltern der Kinder und Jugendlichen sind dankbar, weil sich endlich etwas tut", berichtet Delgado. Viele seiner Mitstreiter sind in der Opposition engagiert oder stehen ihr nahe. Trotzdem legt Leandro Buzon Wert darauf, dass seine Organisation unabhängig bleibt. "Unser Grundsatz ist und bleibt die politische Unabhängigkeit." Dass viele in der NGO sehr kritisch zur Regierung stehen, sieht Buzon der aktuellen Krise geschuldet: "Für die Zustände im Land ist die Regierung nun einmal verantwortlich. Dass viele Menschen deswegen das Vertrauen in die Regierung verloren haben, ist ein normaler politischer Prozess, wenn die Dinge nicht gut laufen."

"Es geht mir vor allem darum, den Kindern zu helfen", sagt Delgado. "Wir können nicht alles einfach so weiterlaufen lassen." Und er macht auch keinen Hehl daraus, dass sich die Gruppe eines Tages politischen engagieren will. "Wenn wir weiter so wachsen, wenn wir weiter so arbeiten, dann spricht auch nichts dagegen, uns aktiv in die Politik einzumischen, damit wir die Dinge hier verändern können." Die Leute seien hungrig nach einer solchen Politik. "Ohne eine funktionierende Gesellschaft, gibt es auch keinen funktionierenden Staat. Das erleben wir jeden Tag in Venezuela."