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Hohe Erwartungen

Christina Bergmann, Washington14. November 2008

Die ganze Welt blickt am Wochenende nach Washington. Dort hat US-Präsident George W. Bush die Vertreter der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer eingeladen, um einen Ausweg aus der Welt-Finanzkrise zu suchen.

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Verblühte Tulpen mit hängenden Köpfen (Quelle: dpa)
Kann der Gipfel die Finanzmärkte aus Depression ziehen?Bild: AP

Die Erwartungen sind hoch – und werden von verschiedenen Seiten schon wieder gedämpft. Auch der US-Präsident sprach in einer Rede am Donnerstag (13.11.2008) in New York davon, dass die Krise nicht über Nacht gelöst werden könne – schließlich sei sie auch nicht über Nacht entstanden. Er sei ein Befürworter der Freien Marktwirtschaft – aber nicht, wenn er einem weltweiten Kollaps gegenüberstehe, sagte der Präsident.

Plädoyer für die Freie Marktwirtschaft

Bush auf Rednerpult (Quelle: AP)
Bush bei seiner Rede zur FinanzkriseBild: AP

In seiner Rede in New York versuchte George W. Bush zum einen, das Eingreifen der US-Regierung in den Markt zu verteidigen, legte zum anderen aber auch den Ton für den kommenden Finanzgipfel fest. Und der lautet nach seiner Ansicht: An der der Freien Marktwirtschaft führt kein Weg vorbei. Bush räumte zwar ein, dass der Kapitalismus Exzessen und Missbrauch unterliege, die schnelle wirtschaftliche Erholung Japans nach dem zweiten Weltkrieg würde aber ebenso für den Erfolg der Marktwirtschaft sprechen wie die Entwicklung Süd-Koreas. "Wenn man wirtschaftliches Wachstum möchte, soziale Gerechtigkeit und menschliche Würde, dann ist die freie Marktwirtschaft der richtige Weg. Und es wäre ein schrecklicher Fehler, wenn wenige Krisenmonate den Erfolg von 60 Jahren zunichte machen würden", sagte der US-Präsident.

Kouchner: "Sehr langer Prozess"

Wie umfangreich die derzeitige Marktwirtschaft reguliert werden muss, um einen nochmaligen weltweiten Finanzkollaps zu verhindern, ist umstritten. Im Gegensatz zum US-Präsident Bush fordert der französische Präsident Nicholas Sarkozy grundlegende Reformen. Sein Außenminister Bernard Kouchner sagte, er erwarte einen "sehr langen Prozess". Der Gipfel in Washington soll nur der Auftakt einer Reihe von Treffen sein. Ziel des Gipfels ist es, die Ursachen der Finanzkrise zu benennen, die Wirksamkeit der bereits eingeleiteten Maßnahmen zu überprüfen, weiteren Handlungsbedarf festzustellen und zu definieren, die Regeln für eine Reform des Finanzmarktes aufzustellen und einen Fahrplan für die Zukunft festzulegen.

Dabei gab auch US-Präsident Bush zu, dass die leichtfertige Vergabe von Krediten an Hausbesitzer in den USA und der verantwortungslose Weiterverkauf der Kredite der Anfang allen Übels waren. Doch er sagte auch, dass viele europäische Länder viel umfassendere Regeln als die USA hätten und sie trotzdem ähnliche Probleme wie die Amerikaner hätten. "Die Geschichte hat gezeigt, dass die größte Bedrohung von wirtschaftlichem Wachstum nicht zu wenig sondern zu viel Einfluss der Regierung auf den Markt ist."

Kooperationen zwischen Ländern

Das Mindeste sei, so Benn Steil, Chefökonom des New Yorker Council on Foreign Relations, eine engere internationale Koordination für weltweit wichtige Finanzinstitute: Als Beispiel nannte er die Deutsche Bank: "Wenn sie in eine Schieflage geriete, wäre es für Deutschland unmöglich, die Krise allein zu lösen. Deutschland müsste in enger Kooperation mit anderen Ländern, seinen EU-Partnern und den USA handeln. Deswegen muss es eine internationale Aufsicht geben, die darüber informiert ist, was die Deutsche Bank tut und wie ihre finanzielle Situation ist, damit es ein koordiniertes Vorgehen geben kann." Wer diese Aufsicht übernehmen soll, ist unklar. Peter Morici von der Universität Maryland ist der Ansicht, dass die Gründung eines weiteren Instituts zusätzlich zu IWF oder Weltbank unnötig ist. Vielmehr müssten die Regierungen mehr Verantwortung übernehmen. Indien und China wirft der Wirtschaftswissenschaftler Unverantwortlichkeit in Bezug auf ihre Wechselkurs- und Handelspolitik vor – und meint, es sei Zeit für ein "Superfreihandelsabkommen" zwischen den USA und Europa. Denn zwischen beiden Kontinenten gebe es eine Menge Gemeinsamkeiten und Grundlage für Kooperation: Aber die Europäer müssten etwas tun wegen der Wechselkurse und Subventionierungen in den weniger entwickelten Gebieten Osteuropas, sagt Morici. Und in Nordamerika müsse man sicherstellen, dass die Mexikaner fair blieben.

Obama fehlt

Dies alles könnte am Samstag besprochen werden, denn die genannten Nationen sitzen alle mit am Verhandlungstisch – ein Novum und somit eine besondere Chance, auch wenn die Erwartungen gedämpft werden. Ein Problem ist dabei, dass Gastgeber USA sich in einer Übergangsphase befinden – der designierte US-Präsident Barack Obama schickt zwar unter anderem die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright als Stellvertreterin, aber seine Abwesenheit gibt dem ganzen Ereignis etwas Vorläufiges. Schlechtes Timing, also? "Zu dem Zeitpunkt, an dem der Gipfel einberufen wurde, befand sich die Welt in einer Finanzkrise. Das ist immer noch so, aber jetzt sieht die Lage besser aus", erklärt Morici. Die Welt werde die Krise überwinden. Jetzt scheine es, als sei der Gipfel nicht so dringend. Es ist leicht zu sagen, dass der Zeitpunkt schlecht gewählt ist." Gipfeltreffen müssten nun mal im Voraus geplant werden, und das sei nicht das letzte Treffen dieser Art. "Ich hoffe nur, dass George Bush nichts Dummes tut, das Barack Obama einschränkt. Und Obama braucht eine gewisse Zeit, um sich mit der Wirklichkeit vertraut zu machen und etwas über die Welt zu lernen – sich die Länder in Europa genau anzuschauen, zum Beispiel", sagt Morici.