Kosten durch Piraterie
16. Mai 2013Erst vor wenigen Tagen passierte es wieder: Piraten überfielen vor der Küste Nigerias ein deutsches Containerschiff und entführten fünf Besatzungsmitglieder. Galten lange vor allem die Gewässer bei Somalia und die Malakkastraße in Südostasien als Hotspot für Piraten, hat sich in den letzten drei Jahren die Küste vor Westafrika mehr und mehr zu einem Brennpunkt entwickelt. In diesem Gebiet gab es im letzten Jahr 58 Piratenangriffe - kaum weniger als vor der somalischen Küste, wo die Piraten 75 mal zuschlugen.
Meistens geht es den Piraten vor der ostafrikanischen Küste darum, Schiffe zu kapern, sie samt Besatzung zu entführen, um dann Lösegelder in Millionenhöhe zu fordern. Dagegen hatten es die westafrikanischen Piraten bisher auf die Ladung der Schiffe abgesehen, die sie mit massiver Gewalt an sich brachten. In den Ländern der Region wird immer mehr Öl gefördert. Per Schiff transportiert, ist das Öl eine lohnende Beute für Seeräuber.
Ladung oder Lösegeld?
Allerdings fürchtet Ralf Nagel, Geschäftsführer des Verbandes deutscher Reeder, das sich das ändern könnte. "Wir hatten in jüngster Zeit zwei Fälle, in denen Seeleute entführt wurden - offensichtlich mit dem Ziel, auch Lösegeld zu erpressen", so Nagel. "Wir haben schon länger die Sorge, dass das Geschäftsmodell der Piraten im indischen Ozean vor Somalia in anderen Regionen kopiert wird."
"Der finanzielle Profit ist natürlich enorm hoch bei den Lösegeldzahlungen", sagt Dieter Berg, Marine-Experte bei dem deutschen Rückversicherer Munich Re gegenüber der DW. "An der somalischen Küste hatten wir zwischenzeitlich Lösegeldzahlungen von fünf Millionen US-Dollar." Dagegen liege der Warenwert der Tanker vor Westafrika meist unter einer Million US-Dollar, so Berg.
Kampf-Ansage der Reeder
Immer professioneller gehen Piraten bei ihrer Arbeit vor, Mutterschiffe transportieren kleine schnelle Angriffsschiffe, die wiederum mit Schnellfeuergewehren und anderen Hightech-Waffen ausgerüstet sind. Auf der anderen Seite haben sich auch die Reeder inzwischen gegen Piraten gewappnet. Das verursacht jedoch einige Extrakosten. So lassen viele Reeder ihre Schiffe große Umwege fahren, um gefährliche Gewässer zu vermeiden. Kritische Gebiete durchfahren Schiffe in Konvois, auch wenn das zu Wartezeiten führen kann.
Oder die Schiffe fahren mit höherer Geschwindigkeit, weil dadurch das Entern erschwert wird. Außerdem wurden in viele Schiffen Sicherheitsräume eingebaut, sogenannte Zitadellen oder Panik Rooms. Im Falle eines Angriffs wird dann die Elektronik des Schiffes ausgeschaltet, die Besatzung verschanzt sich in dem Sicherheitsraum und hofft auf baldige Hilfe. Kosten entstehen auch durch andere Sicherheitsmaßnahmen wie Stacheldraht an Gittern und Geländern, die auch unter Strom gesetzt werden können, Schallkanonen oder Sprays, die Bordwand und Böden so glitschig machen, dass Piraten nur schwer an Bord kommen können.
Es wird zurückgeschossen
Noch effektiver sei jedoch bewaffnetes Sicherheitspersonal an Bord, sagt Nagel gegenüber der DW. "Die bisherige Praxis hat gezeigt: aktive Gegenwehr durch bewaffnete Kräfte verhindert, dass Piraten ein Schiff kapern und Menschen und Schiff als Geiseln nehmen können," so Nagel. "Auf diese Maßnahme stützen sich die allermeisten, die durch gefährdete Gebiete fahren."
Allerdings dürfen nicht alle Häfen mit Waffen an Bord angelaufen werden, und für Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren, gibt es bislang noch keinen Rechtsrahmen. Ohne bewaffnete Sicherheitskräfte steigen allerdings auch die Versicherungsbeiträge, weil das Risiko für die Versicherungen steigt. Auch Zusatzversicherungen belasten die Bilanz der Reeder.
"Als grober Durchschnittswert fallen für eine Passage etwa 50.000 US-Dollar für zusätzliche Versicherungen an. Und auch der Einsatz privater bewaffneter Kräfte kostet um die 50.000 US-Dollar pro Passage", schätzt Nagel. Das schnelle Fahren verbrauche zudem mehr Treibstoff. Insgesamt, so Nagel, machten solche Zusatzmaßnahmen die Transportkosten um zehn bis 20 Prozent teurer. Im Einzelfall könnten sich die Kosten aber auch verdoppeln.
Versicherungen müssen zahlen
Auch die Versicherungsbranche bekäme die Kosten durch Piraterie zu spüren, vor allem in den letzten Jahren, in denen die Lösegeldforderungen sich vervielfacht hätten, sagt Dieter Berg von Munich Re. Denn neben den Lösegeldsummen würden fast in gleicher Höhe zusätzliche Kosten anfallen. "Das beginnt mit den Kosten für relativ langwierige Verhandlungen. Da sind Rechtsanwaltskanzleien und professionelle Verhandlungsteams involviert." Dann müsse das Lösegeld vor Ort gebracht werden. Dafür brauche man Wachpersonal, anschließend Hubschrauber, um das Lösegeld über dem Schiff abzuwerfen. Zudem sei das Schiff am Ende meist in einem katastrophalen Zustand, wenn es mehrere Monate in der Hand von Piraten war. "Die Schiffsaußenwände sind voll Algen und mit Muscheln bewachsen. Die Inneneinrichtung ist meist komplett zerstört, nachdem dort Piraten gehaust haben", so Berg.
Allein am Horn von Afrika beliefen sich die Kosten durch Piraterie 2012 auf rund sechs Milliarden US-Dollar, schätzt "Oceans beyond Piracy", eine gemeinnützige, privat finanzierte US-Organisation, die sich dem Kampf gegen Piraterie verschrieben hat. Ein Drittel der Kosten entstehen durch bewaffnete Sicherheitskräfte, ein weiteres knappes Drittel durch Fahren mit erhöhter Geschwindigkeit und rund zehn Prozent machen zusätzliche Versicherungen aus. Gut eine Milliarde US-Dollar kostet es die Regierungen, unter anderem für den Einsatz von Marine zum Schutz der Handelsschiffe. Nicht berücksichtigt sind dabei die volkswirtschaftlichen Kosten, die in der Region selber entstehen, beispielsweise dadurch, dass der regionale Handel erschwert wird.