Hollande gönnt Firmen Steuernachlass
6. November 2012"Drei Tabus gebrochen", titelte die renommierte Pariser Zeitung "Le Monde" nach der Präsentation der jüngsten Vorschläge der französischen Regierung. Die Sozialisten hätten es akzeptiert, die Kosten der Unternehmen zu senken, auch beim Staat noch mehr zu sparen und vor allem die Mehrwertsteuer zu erhöhen. Festgestellt wurde in den Medien aber auch, dass die Ratschläge an Präsident Francois Hollande zu einer Radikalkur nur in mäßigem Umfang befolgt wurden.
Mit milliardenschweren Steuererleichterungen will die Regierung die Wirtschaft wieder fit für den internationalen Wettbewerb machen. Den Arbeitgebern wurde am Dienstag eine jährliche Entlastung von bis zu 20 Milliarden Euro versprochen, durch die die als zu hoch kritisierten Arbeitskosten indirekt gesenkt werden sollen. Geplant sind Steuernachlässe vor allem für Firmen, die Arbeitsplätze in Frankreich halten oder schaffen. Zudem sollen Innovationen in Fortschrittstechnologien, Ausbildung und Kleinunternehmen gefördert werden. "Wir brauchen einen Ruck auf nationaler Ebene, um unser Schicksal wieder in den Griff zu bekommen", referierte Ministerpräsident Jean-Marc Ayrault.
Belastungen für den Bürger
Im Gegenzug bürdet Präsident Hollande den Bürgern eine Anhebung der Mehrwertsteuer, neue Öko-Steuern sowie weitere Haushaltskürzungen in Höhe von zehn Milliarden Euro auf. Den Aufschlag bei der Mehrwertsteuer werden die von hoher Arbeitslosigkeit gebeutelten und um ihre Kaufkraft besorgten Franzosen ab 2014 zu spüren bekommen: Der Standardsatz soll von 19,6 auf 20 Prozent steigen und der ermäßigte Satz auf bestimmte Produkte in Restaurants sowie auf Handwerksarbeiten im Wohnungsbestand von sieben auf zehn Prozent.
Die geplanten Steuernachlässe dürften unter dem Strich darauf hinauslaufen, dass die Arbeitskosten um etwa sechs Prozent sinken. Im kommenden Jahr sollen die Unternehmen Steuergutschriften von zehn Milliarden Euro erhalten. 2014 und 2015 steigen die Erleichterungen um jeweils fünf Milliarden auf das permanente Niveau von 20 Milliarden Euro. Hinter der von Regierungsberater Louis Gallois geforderten direkten Verringerung um 30 Milliarden Euro bleibt das Vorhaben damit aber zurück.
Wirtschaft selbst noch skeptisch
Aus der Wirtschaft kamen durchwachsene Reaktionen: Dies sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber eine unmittelbare Senkung der Arbeitskosten wäre besser gewesen, hieß es. Laut Experten mindert die Regierung mit dem Umweg über die Steuernachlässe die Ungewissheit, mit wie viel Einnahmen sie kalkulieren kann. Die Unternehmer fürchten aber, die Steuererleichterungen könnten ihre eigene Planung erschweren. "Diese Methode könnte sich als ziemlich umständlich erweisen", sagte Jean-Francois Roubaud, Chef der Vereinigung kleiner und mittelgroßer Unternehmen. Er habe zudem auf ein Volumen von mindestens 30 Milliarden Euro gehofft.
Beobachter erwarten zudem, dass der Vorstoß ausländische Investoren vom Reformwillen Frankreichs überzeugen dürfte. Der Internationale Währungsfonds hatte jüngst rasches Handeln angemahnt und erklärt, ohne Reformen könne das Land den Anschluss an seine Nachbarn verlieren.
Vorbild Deutschland?
Am Montag hatte der Regierungsberater Gallois - Ex-Chef des Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS - Frankreich eine "Schocktherapie" ans Herz gelegt, um die lahmende Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen. Dabei hatte er vor allem die hohen Lohnnebenkosten kritisiert. Die französische Industrie erlebt seit Jahren einen Niedergang. Die Exportwirtschaft steht im Schatten vor allem Deutschlands. Neben der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft werden in Frankreich vor allem auch die niedrigeren Arbeitskosten hierzulande als Erfolgsfaktor genannt.
Vielen Franzosen sind aber Errungenschaften wie die 35-Stunden-Woche und der üppig ausgestattete Sozialstaat heilig. Das macht jedes Wettbewerbspaket zugunsten der Wirtschaft für den Sozialisten Hollande zur Gratwanderung. Er selbst hatte unmittelbar nach seiner Wahl die von seinem konservativen Vorgänger Nicolas Sarkozy geplante Mehrwertsteuererhöhung auf 21,2 Prozent gekippt.
Die Bundesregierung in Berlin äußerte sich positiv zu den französischen Plänen für Wirtschaftsreformen. "Sämtliche Bemühungen der europäischen Partner zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit" würden begrüßt, verlautete aus Regierungskreisen. Dies seien wichtige Elemente, um die Zukunft des Euro zu sichern. Erinnert wurde an die deutsch-französische Initiative im vergangenen Jahr zur Förderung der Wettbewerbskraft in Europa...
SC/wl (afp, rtr, dpa)