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Homo Corruptionis

Insa Wrede / (sb)23. November 2002

Seit neuestem hat Deutschland einen Zahnärzte-Skandal: Billiger chinesischer Zahnersatz wurde zu teuren deutschen Preisen abgerechnet. Die Beute teilten sich die Laborfirma und die Ärzte. Ein "Ausrutscher" oder Methode?

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Ob man es glauben will oder nicht - in Deutschland treibt die Korruption wilde Blüten. Alle tun es: Unternehmer mit Politikern, Privatpersonen mit Beamten, Ärzte mit Labors. Das unrühmliche Ergebnis einer Studie der unabhängigen Organisation Transparency International: In der Hitliste der korruptesten europäischen Länder befindet sich Deutschland im oberen Drittel.

Steuererleichterung für Korruption

Bis vor wenigen Jahren konnten in Deutschland Gelder, die für Bestechungen im Ausland ausgegeben wurden, sogar noch steuermindernd geltend gemacht werden. Das Argument: Geschmiert wird sowieso überall und da sollen die Deutschen keinen Wettbewerbsnachteil haben. Zwar wurde das inzwischen abgeschafft, bestochen wird aber weiterhin.

"Beim Bau von Flughäfen, von Klärwerken, von Autobahnen usw. können Sie in aller Regel davon ausgehen, dass Korruption im Spiel ist oder dass zumindest eine sehr große Gefährdung besteht. Es ist einfach so, dass diese Strukturen sich etabliert haben", sagt Professor Britta Banneberg.

Den Schaden trägt die Gesellschaft

An der Korruption bereichern sich einige wenige. Für die Gesellschaft insgesamt bedeutet sie einen großen Schaden: Korrupte Unternehmer verdrängen effiziente Konkurrenten vom Markt, bei der Produktion werden schlechte Materialen verwendet. Das wiederum kann zu erheblichen Sicherheitsrisiken führen.

Müllverbrennungsanlage der Stadt Köln
Müllverbrennungsanlage der Stadt KölnBild: AP

Manchmal werden sogar Dinge gekauft, die keiner braucht. In Köln vor einigen Jahren zum Beispiel eine Müllverbrennungsanlage. Nur: "Die war gar nicht nötig. Andere Städte haben angeboten - hätten sogar viel Geld dafür bezahlt, wenn die Kölner ihren Müll in die unausgelasteten Nachbarmüllverbrennungsanlagen geliefert hätten", sagt Hansjörg Elshorst von Transparency International.

Aufdecken! Aber wie?

Die besondere Schwierigkeit liegt darin, dass Korruptionsfällen - wenn überhaupt - nur per Zufall aufgedeckt werden. Ein großes Korruptionsverfahren in Nordrhein- Westfahlen begann damit, dass ein Polizeibeamter nach einem heftigen Regenguss an einem neu errichteten Lärmschutzwall vorbeifuhr. Plötzlich sah er, dass Plastikabfälle aus dem Wall geschwemmt wurden. Er setzte seine Kollegen vom Umweltdezernat in Kenntnis und man kam einem der dicksten Korruptionsskandale im Gewerbebereich auf die Spur.

Professor Britta Banneberg bestätigt das: "Selbst bei der Strafverfolgung ist die Ermittlung und die Aufklärung des Sachverhalts weitgehend zufällig. Sie hängt von personellen, insbesondere aber qualitativen Ressourcen ab - und natürlich davon, dass man überhaupt weiß, dass ein Verdacht besteht"

Mehr Transparenz

Transparency International fordert mehr Transparenz: Eine bundesweite Anti-Korruptions-Liste zum Beispiel, die Unternehmen führt, die bereits in Korruptionsfälle verwickelt waren. Wer auf der Liste steht, bekommt keine öffentlichen Aufträge mehr. Einige deutsche Bundesländer haben bereits solche Listen. Der Gesetzesentwurf zu einer bundesweiten Liste wurde im September im Bundesrat abgelehnt.

Die Deutschen, beklagt Hansjörg Elsdorf von Transparency International, hätten ein falsches Verständnis gegenüber den Staatsdiener: noch immer herrsche die Meinung vor, man müsse den Staatsdienern vertrauen und dürfe nicht kritisch nachfragen. Das, so der Experte, sei aber grundfalsch: denn hinter den Kulissen werde allzu oft kriminell gehandelt.