Gewollte Eskalation
3. Dezember 2017Mehr als 100 Beobachter hat die Europäische Union nach Honduras geschickt, um dort freie und transparente Wahlen zu garantieren. Doch ihre Mission muss als gescheitert gelten: Obwohl der Tag der Wahl selbst vergleichsweise ruhig ablief, gibt es knapp eine Woche später immer noch kein amtliches Endergebnis - auch wenn die aktuellen Zahlen der Wahlbehörde auf einen knappen Sieg des amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández (Artikelbild) hindeuten. Anhänger der Opposition bezichtigen den Präsidenten unterdessen der Wahlfälschung und gehen auf die Straße. Bei den Protesten gab es zahlreiche Zusammenstöße zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten. Die Regierung hat am Freitagabend für vorerst zehn Tage den Ausnahmezustand verhängt.
Skepsis mehr als angebracht
Dass die Mission der EU-Wahlbeobachter nicht erfolgreich war, ist wenig verwunderlich. Denn die eigentlichen Probleme liegen in der starken Politisierung der Wahlbehörden zugunsten der Regierung. So gibt es im Obersten Wahlgericht zwar einen Vertreter der Nationalpartei von Präsident Hernández, nicht aber der Opposition. Auch bei Beaufsichtigung und Kontrolle der Stimmabgabe und -auszählung in den einzelnen Wahllokalen ist die Regierungspartei deutlich stärker vertreten als die Opposition. Und die lange Verzögerung bei der Stimmenauszählung hat auch nicht dazu beigetragen, das Vertrauen in die Institutionen zu stärken. Vor diesem Hintergrund scheint die Skepsis der Opposition mehr als angebracht – auch wenn bisher im Detail noch unklar ist, in welchem Maße wohl bei den Wahlen betrogen wurde.
Hinzu kommt, dass viele Honduraner die neuerliche Kandidatur von Präsident Hernández ohnehin für illegitim halten, da die Verfassung des Landes eine Wiederwahl explizit verbietet. Doch die Regierungspartei und der Staatschef haben die vergangenen Jahre genutzt, um die verschiedenen Institutionen des Landes unter ihre Kontrolle zu bringen: Wichtige Posten in der Armee besetzte Hernández mit Freunden und Familienangehörigen, das Verteidigungsbudget wurde drastisch erhöht, allzu unabhängige Richter entlassen. Nur so ist zu erklären, dass das Verfassungsgericht des Landes die erneute Präsidentschaftskandidatur des Regierungschefs genehmigte.
Die Presse- und Versammlungsfreiheit wurden unter Hernández mittels umstrittener Gesetze drastisch eingeschränkt, Proteste gegen seine Politik lässt der Präsident mit harter Hand unterdrücken. Doch aufgrund der weitgehenden Kontrolle staatlicher Institutionen durch die Regierung bleibt nun auch dem Oppositions-Bündnis und ihrem Präsidentschaftskandidaten Salvador Nasralla als einzige Möglichkeit, ihren Protest gegen die intransparente Wahl auf die Straße zu tragen. Nutznießer dieser Eskalation ist wiederum die Regierung: "Sie braucht die Konfrontation, um ihre repressive Politik der totalen Kontrolle rechtfertigen zu können", meint der honduranische Menschenrechtsexperte Dennis Muñoz.
Mit der Verhängung des Ausnahmezustandes ist nun ein neues Niveau der Militarisierung in Honduras erreicht, grundsätzliche Bürgerrechte sind außer Kraft gesetzt. Zahlreiche Berichte von lokalen Beobachtern deuten darauf hin, dass es bei den Konfrontationen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften bereits massiven Menschenrechtsverletzungen gab.
USA drücken Auge zu
Das vielleicht einzige Land, das die politischen Ambitionen von Präsident Hernández noch stoppen könnte, sind die USA. Ohne die Zustimmung von Washington können in Honduras keine wichtigen Entscheidungen getroffen werden. Doch Präsident Hernández stand in den vergangenen Jahren stramm an der Seite der Vereinigten Staaten, wenn es um die Sicherheitspolitik zur Eindämmung von Migration und Drogenhandel Richtung Norden ging, so dass man in den USA bei demokratischen Defiziten in Honduras offenbar gerne mal ein Auge zudrückt. Auch Untersuchungen von New Yorker Staatsanwälten, die darauf hindeuten, dass Präsident Hernández selbst vor vier Jahren Drogengelder in sechsstelliger Höhe zur Finanzierung seines Wahlkampfs erhalten haben könnte, ließen die USA bisher nicht von ihrer Unterstützung des honduranischen Regierungschefs abrücken.