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Hotelgäste am Obersalzberg

Ein Hotel-Neubau sorgt derzeit für Diskussionen. Denn das "Intercontinental Resort Berchtesgaden" ist auf dem Obersalzberg eröffnet worden - ausgerechnet dort, wo Hitlers "Alpenfestung" lag.

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Ein Modell des "Intercontinental Resort Berchtesgaden"Bild: AP

Die Berchtesgadener Adresse "Hintereck 1" ist unscheinbar, und doch steht Deutschlands derzeit wohl spektakulärster Hotel-Neubau an einem ganz besonderen Ort: Auf dem Obersalzberg, Hitlers zweitem Regierungssitz, zogen am 1. März 2005 die ersten Gäste in das "Intercontinental Resort Berchtesgaden" ein.

Darf man das?

Von ihren Hotelsuiten aus können sie auf jenen Berg schauen, wo Hitler Teile von "Mein Kampf" schrieb und den Zweiten Weltkrieg sowie den Holocaust an Millionen Juden plante. Nicht wenige fragen sich: Darf an einem historisch derart belasteten Ort ein Luxus-Hotel Gäste aus aller Welt anlocken? "Ja", sagt Hoteldirektor Jörg T. Böckeler. "Wir werden mit dem Hotel ein neues touristisches Kapitel in der Geschichte von Berchtesgaden aufschlagen."

Ort mit Vergangenheit

Um seine braune Vergangenheit kommt der Obersalzberg nicht herum, auch wenn viele Einheimische heute nur ungern an Hitlers "Alpenfestung" erinnert werden wollen. Schon vor der Machtergreifung lernte Hitler die Region kennen, 1925 diktierte er seinem späteren Presse-Oberzensor Max Amann in einer Blockhütte am Obersalzberg Teile von "Mein Kampf". Im Sommer 1933 erwarb er "Haus Wachenfeld" und ließ es pompös zum "Berghof" ausbauen. Nach und nach wurde der Obersalzberg eine regelrechte Festung und zum "Führersperrgebiet".

Bomben auf den Obersalzberg

Zum 50. Geburtstag am 20. April 1939 schenkte die NSDAP Hitler das in Fels gehauene Kehlsteinhaus, einzig erhalten gebliebenes Relikt jenes makabren "Schauplatzes der Weltgeschichte". 1943 wurde mit dem Bau eines Bunkersystems von gigantischen Ausmaßen begonnen. Tausende Arbeiter schlugen Stollen von mit einer Gesamtlänge von über 6000 Metern Länge in den Berg, es entstanden unterirdische Wohnungen mit High-Tech-Anlagen. Hitler und seine Clique hätten dort Jahre überleben können. Der Bunker-Bau blieb freilich unvollendet, am 25. April 1945 bombardierten britische Verbände den Obersalzberg, von den Nazi-Quartieren blieben fast nur Ruinen übrig.

Hotel für US-Soldaten

Aus dem "Platterhof", zur NS-Zeit Herberge für Partei-Bonzen, wurde 1953 das "General Walker"-Hotel, in dem bis zu seiner Schließung 1995 mehr als fünf Millionen US-Soldaten und ihre Familien Erholung fanden. Die Aufarbeitung der unseligen Nazi-Geschichte des Berges begann am 20. Oktober 1999, als die Dokumentationsstelle Obersalzberg eröffnet wurde. Mehr als 600.000 Besucher haben die von Historikern als mustergültig eingestufte Schau bislang gesehen. Für den Freistaat Bayern als Grundeigentümer war aber auch klar, dass der Obersalzberg nach dem Abzug der US-Armee wieder stärker touristisch genutzt werden soll. 2000 wurde der "Platterhof" abgerissen, eine Tochterfirma der Bayerischen Landesbank errichtete von 2001 an ein Fünf-Sterne-Hotel.

Butler-Service auf Anfrage

"Tauchen Sie ein in eine Oase des Wohlbefindens", lockt das Management im Prospekt die Gäste an. Neben 138 Hotelzimmern "mit spektakulärem Blick über die Berge" werden auf 1400 Quadratmetern "Wellness und Beauty" vom feinsten angepriesen, dazu "Massagen aller Art" und Butler-Service auf Anfrage. Nach einem anstrengenden Tag im voll klimatisierten Konferenzzentrum lockt ein Golf-Platz zum Freizeitvergnügen. Der zahlungskräftige Mieter der 175 Quadratmeter großen "Präsidenten-Suite" für mindestens 1000 Euro die Nacht wird es indessen zu schätzen wissen, dass ihm sogar ein eigener Helikopter-Landeplatz zur Verfügung steht.

Dokumentationsstelle als Grundvoraussetzung

Für den Vizepräsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Marian Offman, ist der Obersalzberg "nach wie vor ein Unort, an dem ich persönlich nicht logieren möchte". Der 56-Jährige meint aber auch, es sei nicht Aufgabe seiner Organisation, "jemandem zu sagen, ob er dort hingehen soll oder nicht". Offman, der mehrere Angehörige im Holocaust verloren hat, sieht die Existenz der "didaktisch vorbildlichen" Dokumentationsstelle als Grundvoraussetzung für die stärkere touristische Nutzung des Obersalzbergs. "Andernfalls wäre das Hotel nicht zu befürworten gewesen", sagt der Münchner.

Ralph Giordanos Vorwurf

Für wenig durchdacht hält Offman die Kritik Ralph Giordanos an dem Hotel. Der jüdische Schriftsteller hatte kürzlich den Erbauern in einem Interview vorgeworfen: "Entweder die Leute wissen nicht, was Obersalzberg bedeutet, das wäre schon schlimm genug. Oder sie wissen genau, was das für ein Ort war und tun es trotzdem." Bayerns Finanzminister Kurt Faltlhauser fühlte sich angesprochen und lud Giordano spontan zum gemeinsamen Besuch der Dokumentationsstelle ein. Der 81-Jährige soll nicht abgeneigt sein, heißt es im Ministerium. (Paul Winterer, dpa)