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Hilfe unter Lebensgefahr

Friederike Schulz19. August 2012

Katastrophen und Kriege erfordern schnelle und unkomplizierte Hilfe. Doch die Spendenbereitschaft erlischt schnell, wenn das Interesse der Medien schwindet. Die Helfer bleiben und riskieren oft ihr Leben.

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Ein Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen behandelt einen Patienten im kenianischen Flüchtlingslager Daadab (Foto: AP)
Bild: dapd

Es ist ein Auftritt, der für Schlagzeilen sorgt: Die Pop-Diva Beyoncé Knowles singt im Plenarsaal der Vereinten Nationen und bittet ihre Fans darum, die Menschen in Krisenregionen nicht zu vergessen. Das Video mit ihrem Song "I was here" - "Ich war hier" ist zum Welttag der humanitären Hilfe an diesem Sonntag (19.08.2012) veröffentlicht worden.

Die Kampagne, die über die Sozialen Netzwerke Facebook und Twitter läuft, soll die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die schwierige Arbeit der Helfer lenken, die weltweit in Krisenregionen tätig sind. Vor allem in bewaffneten Konflikten ist der Einsatz oft lebensgefährlich. Allein 2010 starben nach Angaben der Vereinten Nationen 129 Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Krisenregionen.

Krisenherd Somalia

Zudem gibt es immer wieder Entführungen. So wurden zum Beispiel im vergangenen Oktober zwei Mitarbeiterinnen von "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) aus einem Flüchtlingslager in Kenia nach Somalia verschleppt. Dennoch versucht die Organisation, den Menschen in der Region weiter zu helfen. "Ein großer Teil unserer Projekte wird allerdings von einheimischen Kräften durchgeführt", sagte Ulrike von Pilar von MSF im Interview mit der Deutschen Welle. Die ausländischen Fachkräfte sind im Nachbarland Kenia stationiert und halten sich nur tageweise in Somalia auf. "Mit dieser Situation sind wir überhaupt nicht zufrieden, aber es geht nicht anders", so die Ärztin.

Ulrike von Pilar (Foto: dpa)
Ulrike von Pilar von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen"Bild: picture-alliance/dpa

Ärzte ohne Grenzen ist mit 32.000 Mitarbeitern in rund 60 Ländern tätig und leistet vor allem medizinische Nothilfe. Politische Einmischung ist tabu. "Für uns heißt humanitäre Hilfe, den bedürftigsten Menschen zu helfen, ohne politische Agenda." Nur so ist es nach Einschätzung von Ulrike von Pilar möglich, das Vertrauen der verschiedenen Akteure in Krisenregionen zu gewinnen: "Wir geben nie Empfehlungen ab. Wenn wir allerdings Zeuge von Massakern oder Folter werden oder bestimmte Bevölkerungsgruppen von Hilfe ausgeschlossen werden, dann machen wir das öffentlich." Trotz der Verpflichtung zu politischer Neutralität und zu Transparenz gelingt es nicht immer, das Vertrauen der Akteure zu gewinnen. So verweigert zum Beispiel die syrische Regierung MSF noch immer die Einreiseerlaubnis.

Zur Unparteilichkeit verpflichtet

Neutralität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit bilden die Grundsätze humanitärer Hilfe. Grundlage ist das Völkerrecht, unter anderem die Genfer Konvention von 1949. "Die Not der Menschen zu lindern, ist die Hauptaufgabe. Über die Art und Weise, wie bewaffnete Konflikte zu beenden sind, machen traditionelle humanitäre Organisationen keine Aussage", sagt Dennis Dijkzeul, Professor am Institut für Friedenssicherungsrecht und humanitäres Völkerrecht (IFHV) an der Ruhr-Universität Bochum der DW. "Das bedeutet aber nicht, dass die Prinzipien immer von allen Konfliktparteien akzeptiert werden, und dann wird es schwierig, Zugang zu den Betroffenen zu bekommen." Dies sei zum Beispiel im Bosnien-Konflikt oder während des Völkermords in Ruanda der Fall gewesen.

Ein Wagen des Roten Kreuzes fährt auf einer Straße in Syrien (Foto: AP)
Riskante Arbeit in Syrien: das Internationale Rote KreuzBild: dapd

Finanziert wird die humanitäre Hilfe zu einem bedeutenden Teil durch Spendengelder. Denn neben den Nothilfeprogrammen der Staaten oder der Vereinten Nationen sind es private Hilfsorganisationen, die in den Krisenregionen präsent sind. Das größte Problem aus Sicht der Helfer: die starke Verknüpfung der Spendenbereitschaft an die Berichterstattung der Medien. "Allein beim Tsunami 2004 sind in Deutschland Spenden in Höhe von 670 Millionen Euro zusammengekommen, 2010 beim Erdbeben in Haiti waren es 200 Millionen Euro", sagt Sid Johann Peruvemba vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen (VENRO) im Interview mit der DW.

Vergessene Katastrophen

Für die Nothilfe nach den Überschwemmungen auf den Philippinen in den vergangenen Wochen sei es dagegen äußerst mühsam, Spenden einzuwerben. "Die Freigiebigkeit hängt ganz stark damit zusammen, an welcher Stelle solche Ereignisse in den Nachrichten erwähnt werden und ob die Medien sie quasi zu einer öffentlichen Katastrophe machen", so Peruvemba.

Ein Paar watet durch eine vollkommen überschwemmte Straße in Manila (Foto: Reuters)
Die Flutopfer auf den Philippinen brauchen HilfeBild: Reuters

Um genügend Gelder für Einsätze jenseits der medialen Aufmerksamkeit zur Verfügung zu haben, bittet zum Beispiel Ärzte ohne Grenzen seit einigen Jahren die Spender, die Gelder nicht an eine bestimmte Hilfsaktion zu knüpfen. "Wir stoßen damit bei vielen Gebern auf Verständnis", sagt Ulrike von Pilar. Inzwischen könne ihre Organisation rund 70 Prozent der Gelder ohne Zweckbindung dort einsetzen, wo sie am nötigsten sind - bei den Opfern der unzähligen "vergessenen Katastrophen" dieser Welt.