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Humankapital im Begrüßungszentrum

18. Januar 2005

"Worte des Jahres" gelten nicht nur in Deutschland als Ausdruck des Zeitgeistes. Dies ist auch bei den "Unworten des Jahres" nicht anders, die jetzt wieder gekürt wurden.

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Nicht immer schön: Zusammengesetzte HauptwörterBild: dpa

Das Unwort des Jahres 2004 lautet "Humankapital". Das gab die Expertenjury um den Sprachwissenschaftler Horst Dieter Schlosser am Dienstag (18.1.2005) in Frankfurt am Main bekannt. Zur Begründung sagte Schlosser, der Begriff "degradiert nicht nur Arbeitskräfte, sondern Menschen überhaupt zu nur noch ökonomisch interessanten Größen".

Bundesinnenminister Otto Schily
Begrüßt gerne Flüchtlinge: Bundesinnenminister Otto SchilyBild: AP

An die zweite Stelle wählte die Jury den Begriff "Begrüßungszentrum", womit Bundesinnenminister Otto Schily Auffanglager für afrikanische Flüchtlinge bezeichnet hatte. "Diese Wortbildung ist kongenial zu dem offiziellen Namen 'Ausreisezentrum' für Abschiebehaftanstalten", sagte Schlosser. An dritter Stelle kritisierte die Jury "Luftverschmutzungsrechte". Das Wort sei nicht nur ein ökologisches Unding, sondern trage auch dazu bei, so genannte Treibhausgasemissionen für unbedenklich zu halten, weil der Handel mit ihnen rechtlich geregelt werde.

Unangemessen oder verletzend

Eine unabhängige Jury von Sprachwissenschaftlern sucht seit 1991 jährlich Begriffe, die "besonders negativ aufgefallen" sind, weil sie "sachlich grob unangemessen sind und möglicherweise sogar die Menschenwürde verletzen". Zuletzt war der Begriff "Tätervolk" zum Unwort des Jahres 2003 gewählt worden. Der mittlerweile aus der CDU ausgeschlossene Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann hatte in einer umstrittenen Rede zum Tag der deutschen Einheit die Juden mit dieser Bezeichnung in Verbindung gebracht. In den Vorjahren waren unter anderem "Ich-AG", "Wohlstandsmüll" und "Rentnerschwemme" zu der zweifelhaften Auszeichnung gelangt. (Liste: siehe unten)

Diesmal waren bei der Jury insgesamt 2261 Einsendungen mit 1218 Einzelvorschlägen eingegangen. Die am häufigsten genannten Worte wie "Hartz IV" oder "Ein-Euro-Job" erfüllten allerdings die Voraussetzungen nicht, wie Schlosser betonte. Zu den sechs Juroren gehörten in diesem Jahr der Schriftsteller Volker Braun und der Vizepräsident der sächsischen Akademie der Künste, Friedrich Dieckmann.

Eurovisionstrauma

Auch andere deutschsprachige Länder haben ihre "Unworte des Jahres". In der Schweiz ist es "Ökoterror", mit dem ein Politiker Umweltaktivisten belegte - ein "Akt der inakzeptabelen verbalen Gewalt", wie die Jury meinte. Der Satz des Jahres in der deutschsprachigen Schweiz spiegelt das Eurovisionstrauma der Eidgenossen wider: "Switzerland - zero points". In Österreich heißt das aktuelle Unwort des Jahres "Besitzstandswahrer" - ein klassisches Unwort, so die Jury, weil hier die Täter-Opfer-Rolle umgedreht werde. Und das kleine Liechtenstein bemängelt den Begriff "Papier-Liechtensteiner" - eine herabwürgende Bezeichnung für Bürger des Fürstentums, die auch noch einen ausländischen Pass besitzen. (wga)