Hunderte demonstrieren für Beschneidungen
9. September 2012Auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte forderten rund 300 Demonstranten - hauptsächlich Juden, aber auch Muslime und Christen - rechtliche Sicherheit für den Eingriff bei kleinen Jungen. Sie protestierten damit gegen ein Urteil des Landgerichts Köln, das die Beschneidung als Körperverletzung bewertet hatte. Das Gericht hatte damit erhebliche Unruhe in den jüdischen und muslimischen Gemeinden ausgelöst.
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte auf der Demonstration davor, dass der Staat künftig definiere, was zum Kern einer Religionsgemeinschaft gehöre. Die Frage könne "um unser aller Freiheit willen" auch nicht von einem einzelnen Richter entschieden werden. Die Frage nach dem Kindeswohl dürfe nicht allein unter medizinischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Er werde sich dafür einsetzen, dass das Parlament eine Regelung schaffe, die es Juden und Muslimen erlaube, das zu tun, was sie nach ihrem Selbstverständnis tun müssten.
Eine jahrhunderte lange Tradition
Die frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süsskind, nannte die Beschneidungsdebatte "ein Sommerloch-Thema". "Weder Juden noch Muslime verstümmeln ihre Kinder." Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenat Kolat, verwies auf die jahrhunderte lange Tradition der Beschneidungen. Dies werde niemand in Deutschland "stoppen und verbieten können". Zugleich mahnte Kolat die Bundesregierung, diese Frage gemeinsam mit den Religionsgemeinschaften zu beraten. "Was nützt eine Regelung, die dann abgelehnt wird."
Die Bundesregierung will bald klare gesetzliche Regeln für religiöse Beschneidungen vorlegen, um die Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Berlin, Bayern und Baden-Württemberg wollen von einer Strafverfolgung von Ärzten, die Beschneidungen von jüdischen und muslimischen Jungen vornehmen, absehen, bis eine bundesweit einheitliche Regelung gefunden wird.
GD/haz (dapd, epd, dpa)