Griechisches Gericht genehmigt Referendum
3. Juli 2015„Das Referendum findet statt“, erklärte Richter Nikolaos Sakellariou. Der Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht Griechenlands, hat eine Klage gegen die Volksabstimmung abgelehnt.
Gegen die für Sonntag geplante Befragung hatten zwei Privatpersonen Einspruch eingelegt. Die Antragsteller forderten demnach die Annullierung des Referendums. Dieses verstoße gegen die Verfassung, weil nicht über Fragen der „öffentlichen Finanzen“ abgestimmt werden dürfe, argumentierten sie.
„Ja“ oder „Nein“?
Nachdem der Staatsrat die Klage abgelehnt hat, dürfen die Griechen nun wie geplant darüber abstimmen, ob sie mit den Spar- und Reformforderungen der internationalen Gläubiger für ihr von der Pleite bedrohtes Land einverstanden sind - oder nicht.
Die Regierung von Alexis Tsipras hofft auf ein „Nein“ des griechischen Volkes. In einer Fernsehansprache bekräftigte der Ministerpräsident seine Position: Die Volksabstimmung stehe für „Verantwortung und Demokratie“, die die „Sirenen der Zerstörung zum Schweigen bringen“. Die Ablehnung eines Spardiktats bedeute keinen Bruch mit Europa. „Auch am Montag werden wir eine gemeinsame Zukunft haben, und wir werden keine Spaltung zulassen“, erklärte Tsipras.
Griechen gespalten
Wie das Ergebnis der Abstimmung ausfallen wird, ist völlig offen. Jüngste Umfragen deuten auf einen knappen Ausgang zugunsten der Befürworter der Sparpolitik hin. Wie die Zeitung „Ethnos“ am Freitag berichtete, wollen 44,8 Prozent der Griechen mit „Ja“ und 43,4 Prozent mit „Nein“ stimmen. 11,8 Prozent seien noch unentschieden. In anderen Umfragen liegen die beiden Lager fast gleichauf.
In Athen versammelten sich auf zwei nahe beieinander liegenden Plätzen Befürworter und Gegner der Sparpolitik zu Großkundgebungen. Erste Berichte sprachen von 25.000 Anhängern der "Nein"-Fraktion und 20.000 "Ja"-Wähler. Es kam zu Auseinandersetzungen zwischen jugendlichen "Nein"-Demonstranten und der Polizei. Die Sicherheitskräfte setzten Tränengas ein, um die Randalierer daran zu hindern, Steine zu werfen und Fensterscheiben einzuschlagen.
In zahlreichen anderen europäischen Städten gab es ebenfalls Demonstrationen, allerdings mit deutlich geringerer Teilnehmerzahlen.
Die Volksabstimmung über den künftigen Reformkurs spielt eine Schlüsselrolle im griechischen Schuldendrama. Zwar ist das Hilfspaket von Internationalem Währungsfond (IWF), Europäischer Zentralbank und Europäischer Kommission bereits Ende Juni ausgelaufen. Der Ausgang des Referendums gilt dennoch als wichtiges Signal in der Frage, ob und inwieweit Griechenland weitere dringend benötigte Finanzhilfen erhalten könnte.
80 Milliarden bis 2018
Nach Einschätzung des IWF ist der Finanzbedarf Griechenlands unverändert hoch. Experten berechneten rund 52 Milliarden Euro, die das Land bis 2018 brauche. In einem in Washington veröffentlichten Papier hieß es, dass die Eurozone zusätzlich noch einmal gut 36 Milliarden Euro frisches Geld nachschießen müsse - so dass sich damit eine Summe deutlich über 80 Milliarden Euro allein für die nächsten drei Jahre ergäbe.
Tsipras zog noch einmal alle Register. Zuletzt bat er im griechischen Fernsehen um eine Reduzierung der Schulden um 30 Prozent - und eine „Gnadenfrist von 20 Jahren“ für die Rückzahlung der übrigen Schulden.
Droht bei einem „Nein“ der Grexit?
Doch zunächst hängt alles an dem Ergebnis des Referendums. Während Tspras offenbar auf eine bessere Verhandlungsposition hofft, sollten die Griechen mit „Nein“ stimmen, warnte Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem, bei einem Sieg für das Regierungslager am Sonntag werde es für Griechenland „äußerst schwierig“. In diesem Fall stelle er die Mitgliedschaft des Landes in der Währungsunion infrage. Wenn sich die Lage in Griechenland verschärfe, sei das die Schuld der Regierung in Athen, so Dijsselbloem. Diese Auffassung teilen in Brüssel offenbar die meisten, darunter EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker.
Auch Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dämpfte die Erwartungen auf neue Finanzhilfen. Die Verhandlungen würden nach Auslaufen des bisherigen Hilfsprogramms „auf völlig neuer Grundlage und unter erschwerten wirtschaftlichen Voraussetzungen“ stattfinden, sagte der CDU-Politiker der „Bild“-Zeitung. „Das wird schon eine Weile dauern.“ Zunächst müsse Griechenland einen neuen Antrag auf Verhandlungen stellen, der anschließend geprüft werden müsse.
Zahlungsausfall „zutiefst beunruhigend“
Unterdessen haben sowohl der IWF als auch der Euro-Rettungsfonds EFSF offiziell den Zahlungsausfall Athens festgestellt. Unmittelbare Auswirkungen bleiben jedoch aus. Man habe entschieden, von der griechischen Regierung „nicht die unmittelbare Rückzahlung zu verlangen“, teilte der Rettungsfonds mit. EFSF-Chef Klaus Regling erklärte dennoch, dies sei „zutiefst beunruhigend“.
nin/mak (dpa, afp, rtr)