Streit um Südafrikas Kunstmuseum MOCAA
24. Juli 2019Der Besuch des Zeitz Museum of Contemporary African Art (Zeitz MOCAA) in Kapstadt ist ein imposantes Erlebnis. Diese Kathedrale der Kunst war mal ein 57 Meter hoher Getreidesilo. 2017 wurde es als Kunstmuseum eröffnet. Schon der Umbau rief die Kritiker in der afrikanischen Kunstwelt auf den Plan. Warum ein solches Projekt ausgerechnet in Kapstadt, der "europäischsten" Stadt Südafrikas, eine Niederlassung fand, beklagten einige. Auch die Wahl des Londoner Architekten, Thomas Heatherwick, also eines Nicht-Afrikaners, stieß nicht gerade auf Wohlwollen.
Und dann kam auch noch der deutsche Geschäftsmann und ehemalige Vorstandsvorsitzende von PUMA, Jochen Zeitz, ins Spiel. Auch wenn er das Museum zwar mit Hilfe von öffentlichen Geldern und privaten Investitionen vor Ort finanzierte, trat er dennoch als Mäzen und Namensgeber auf, der seine gesamte Sammlung als permanente Leihgabe dem Museum übergab.
Nun stellt das Zeitz MOCAA einen der bekanntesten zeitgenössischen Künstler des Landes, William Kentridge, ab August in einer umfangreichen Retrospektive aus. Auch daran nehmen Kritiker, die das Zeitz MOCAA unlängst als "schwarzes Museum für weiße Besucher" abgestempelt haben, Anstoß. Diese Diskussionen zeigen, dass auch noch lange nach dem Ende der Apartheit Themen wie Rassenzugehörigkeit und Hautfarbe sowohl im Alltag als auch im Kunstbetrieb Südafrikas eine nicht zu unterschätzende Bedeutung haben.
Kentridge befasst sich mit den komplexen Zusammenhängen Afrikas
Die Leitung des Zeitz MOCAA indes sieht überhaupt keinen Grund zum Konflikt. Schließlich stellten die Werke des weißen Künstlers William Kentridge "eine selbstkritische Reise dar, die die Effekte der Apartheid und des Kolonialismus nachzeichnen," erklärt das Museum in einer Pressemitteilung. Noch grundsätzlicher geht die stellvertretende Kuratorin Tandazani Dhlakama auf die Vorwürfe im DW-Interview ein, indem sie betont, dass es beim Zeitz MOCAA in erster Linie um Integration gehe.
"Natürlich ist es so gut wie unmöglich, Afrika ohne den Kontext des Kolonialismus und des Postkolonialismus zu betrachten. Unsere Geschichte ist einfach sehr komplex. Das impliziert aber nicht unbedingt, dass immer ein Konflikt im Mittelpunkt steht. Künstler wie Kentridge verstehen das und befassen sich mit diesen komplexen Zusammenhängen unserer Geschichte sachgerecht." Das MOCAA lege selbstverständlich großen Wert auf Themen, die Schwarze betreffen. "Aber wir wollen allgemein auf afrikanische Identitäten aufmerksam machen und nicht in irgendwelche Schubladen gesteckt werden."
Raum für sämtliche Ideen
Dhlakama betont, dass Südafrika stolz auf Künstler wie Kentridge sein könne, die überall auf der Welt Erfolge feiern. "Seine Werke sprechen für sich. Da gibt es auch keine Konflikte. Man kann doch heute einen weißen Künstler wie Kentridge zeigen und dann ein anderes Mal zum Beispiel Maler aus Simbabwe, die letztes Jahr das Ende von Robert Mugabes Herrschaft thematisierten, zur Schau stellen. Das eine schließt das andere doch nicht aus."
Mit über 100 Ausstellungsräumen verfügt das Zeitz MOCAA eigentlich über genügend Platz, um alle Facetten der zeitgenössischen Kunst Afrikas vorzustellen. Und zur Zeit laufen die Vorbereitungen für die Ausstellung der Animationsfilme, Zeichnungen und Installationen von William Kentridge auf Hochtouren: In den meisten Ausstellungsräumen stehen Gerüste, denn die Wände werden neu gestrichen, es riecht nach Terpentin und Schweiß.
Das Kuratorenteam telefoniert rund um die Uhr, gibt Interviews und bereitet parallel bereits die folgenden Ausstellungen im Zeitz MOCAA vor. Der Alltag hört ja nicht auf, egal wie gut oder schlecht über das Haus berichtet wird. Doch auch intern gibt es Konflikte, die dem jungen Museum bis dato überwiegend negative Presse eingebracht haben.
Der ehemalige Kurator Mark Coetzee musste vor wenigen Monaten zurücktreten, nachdem ihm mehrere sexuelle Übergriffe vorgeworfen wurden. Seine Nachfolgerin, Koyo Kouoh aus dem Senegal, soll das Image des Zeitz MOCAA nun aufpolieren. Dabei helfen soll die Ausstellung von William Kentridge, ein "Großmeister visueller Poesie", so Kuoh.
Erinnerungskultur ohne politisches Programm
Von der poetischen Seite Kentridges schwärmt auch David Krut, der bereits seit 25 Jahren die Werke des Künstlers in seinen Galerien vertreibt. Krut betont, dass Kentridge kein explizit politischer Künstler sei und daher außerhalb sämtlicher politischer Tendenzen und Spektren betrachtet werden solle. Dennoch wisse Kentridge, wie die wichtigen sozialen Themen der heutigen Zeit in der Kunst aufgegriffen werden.
Der familiäre Hintergrund von William Kentridge spielt dabei für das Werk eine bedeutende Rolle: Seine Eltern hatten jüdische Wurzeln und halfen als Anwälte und Aktivisten im Kampf gegen die Apartheidpolitik mit. Sein Vater Sydney verteidigte 1956 Nelson Mandela vor Gericht.
"William Kentridges Art und Weise, die Geschichte unseres Landes zu behandeln, hat eine ganz besondere Art von Aufrichtigkeit, die sich nicht nur in seinen Werken wiederspiegelt. Jeder, der ihn kennt, versteht sehr gut, wie taktvoll und subtil er mit der Geschichte umgeht," erklärt David Krut. Das Zeitz MOCAA sei deswegen auch der perfekte Ort für die Kentridge-Schau. Er nennt es ein neues Museum für das neue Südafrika, in dem Themen wie Rassentrennung nicht nur im übertragenen Sinn ins Museum gehören.
Tandazani Dhlakama hält es für wichtig, dass das MOCAA mehrere Interessen gleichzeitig bedient. Dabei will sie keine Position ausschließen - ob mehr oder weniger politisch. Ein Museum habe auch eine Vermittlerrolle. "Kunst muss nicht unbedingt politisch sein, aber für mich als Kuratorin ist sie auch nie ganz unpolitisch."
Die William Kentridge Ausstellung "Why Should I Hesitate: Putting Drawings to Work" öffnet am 25. August 2019. In der großen Retrospektive werden Zeichnungen, Installationen, Animationen, Drucke und Videokunst des südafrikanischen Künstlers gezeigt. Zeitgleich findet im Norval Foundation Kunstmuseum im Kapstadter Vorort Tokai eine dazugehörige Ausstellung seiner Skulpturarbeiten statt.