Ifo: Die Wirtschaft gerät immer mehr unter Druck
24. November 2021Der Geschäftsklimaindex sank von Oktober bis November unerwartet deutlich, wie das Münchner Ifo-Institut am Mittwoch zu seiner Umfrage unter rund 9000 Führungskräften mitteilte. Fachleute hatten nur einen Rückgang auf 96,6 Punkte erwartet. Als Konjunkturbremse macht das Institut die Lieferengpässe, steigende Corona-Infektionen und höhere Energiepreise aus.
"Lieferengpässe und die vierte Coronawelle machen den Unternehmen zu schaffen", erläuterte Ifo-Präsident Clemens Fuest. Die Chefinnen und Chefs bewerteten die Lage ihrer Firmen skeptischer als zuletzt und blickten auch weniger optimistisch nach vorn. Für das laufende Quartal erwarten Ökonomen eine langsamere Konjunkturerholung und einige Experten sogar ein Schrumpfen der Wirtschaft, während die Bundesbank weitgehend mit einer Stagnation rechnet.
Pessimismus macht sich breit
"Die Zeichen stehen mittlerweile auf ein Schrumpfen der deutschen Wirtschaft", kommentiert Thomas Gitzel von der VP Bank die aktuellen Zahlen. "Die Industrieproduktion leidet unter den Materialknappheiten, mit der heftigen vierten Coronawelle gesellt sich nun ein altbekannter Belastungsfaktor für den Dienstleistungssektor hinzu. Es muss nicht weiter verwundern, dass der Teilindex für den Dienstleistungsbereich im November nochmals empfindlich zurückgeht."
Auch Ralf Umlauf von der Helaba sieht die Entwicklung mit Sorge und vergleicht Deutschland mit seinem westlichen Nachbarn: "Anders als beispielsweise in Frankreich scheinen die Lieferprobleme und die hohen Einkaufspreise die deutsche Wirtschaft stärker zu belasten. Hinzu kommt die Sorge wegen weiterer Coronamaßnahmen. Die EZB wird sich in ihrer zögerlichen Haltung wohl zunächst bestätigt sehen, ungeachtet der hohen Inflationsraten."
Die Konjunktur, so Jens-Oliver Niklasch, Ökonom von der Landesbank Baden-Württemberg, verliere weiter an Fahrt. "Im Moment dürften die Corona-Lage, die Leferkettenthematik und der Anstieg der Inflation den Unternehmenssektor belasten." Da zunächst keine Trendwende in Sicht sei, dürfte der konjunkturelle Jahresausklang unerfreulich werden. Auch Jörg Krämer, Chefökonom der Commerzbank, äußerte sich pessimistisch: "Die deutsche Wirtschaft dürfte im Winterhalbjahr bestenfalls stagnieren."
Vierte Welle hinterlässt ihre Spuren
Laut Ifo-Institut laufen die Geschäfte im Verarbeitenden Gewerbe merklich weniger gut. Die Erwartungen hingegen hellten sich etwas auf, was vor allem auf die Entwicklung der Automobilindustrie zurückzuführen war. Lieferengpässe bei Vorprodukten und Rohstoffen ließen die Industrie nicht los. Eine deutliche Mehrheit der Unternehmen plane Preiserhöhungen.
Im Dienstleistungssektor habe sich das Geschäftsklima merklich verschlechtert. Ein stärkerer Rückgang des Erwartungsindikators wurde zuletzt im November 2020 beobachtet. Aber auch mit der aktuellen Lage waren die Dienstleister weniger zufrieden. Die vierte Infektionswelle habe die Erwartungen insbesondere im Tourismussektor und dem Gastgewerbe einbrechen lassen.
Im Handel hat der Index ebenfalls nachgegeben. Dies sei auf pessimistischere Erwartungen der Händler zurückzuführen. Ihre aktuelle Lage bewerteten sie hingegen etwas besser. Die Stimmung im Einzelhandel werde weiterhin durch Lieferprobleme belastet. Dort sei in den kommenden Monaten verstärkt mit Preiserhöhungen zu rechnen.
Im Bauhauptgewerbe habe sich das Geschäftsklima nur leicht verschlechtert. Die Erwartungen fielen nach dem kontinuierlichen Aufschwung der letzten Monate pessimistischer aus. Die aktuelle Lage werde währenddessen etwas besser beurteilt.
dk/hb (rtr, dpa, Ifo)