Im Eiltempo zum Ebola-Impfstoff
23. Oktober 2014Ein Medikament oder einen Impfstoff zu entwickeln, braucht Zeit. Genauer gesagt: zehn Jahre. Das ist eine der Grundregeln in der Pharmaindustrie. So lange dauert es von der Grundlagenforschung in Reagenzgläsern über Tierversuche bis hin zu klinischen Studien, bis schließlich der Impfstoff zugelassen werden kann.
Jetzt, bei Ebola, wird es vermutlich nicht so lange dauern, einen Impfstoff zu finden. Denn die Forscher müssen nicht bei Null anfangen. Einige Wissenschaftler forschen bereits seit Jahren an einem Impfstoff und haben bereits mehrere vielversprechende Kandidaten identifiziert. Diese sind schon an Tieren getestet worden, an Mäusen oder sogar an Affen.
Was noch fehlt, sind klinische Studien am Menschen. Und die beginnen jetzt.
Sicherheit geht vor
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) lässt zwei Ebola-Impfstoffe ab Januar an Gesundheitspersonal in Westafrika testen. Man rechnet mit 20.000 Impfungen im Januar und ähnlichen Zahlen in den darauf folgenden Monaten.
Bevor diese großen klinischen Studien aber beginnen können, müssen sich die Impfstoffe als sicher erweisen: Sie dürfen keine gefährlichen Nebenwirkungen verursachen. Außerdem müssen Studien zeigen, dass die Impfstoffe tatsächlich eine Immunantwort im Menschen auslösen können - der Körper des Probanden muss nach Verabreichung des Impfstoffs Antikörper gegen das Ebola-Virus herstellen.
Solche Phase-1-Studien werden an gesunden Freiwilligen in Afrika, in den USA und in Europa, inklusive Deutschland durchgeführt. Einige Studien haben bereits begonnen, andere starten bald.
Die Weltgesundheitsorganisation hofft, die Daten aus diesen Sicherheitsstudien im Dezember zu haben. Laut WHO-Zeitplan sollen die darauf folgenden Phase-2-Studien dann im Januar und Februar "genehmigt und in betroffenen und nicht-betroffenen Ländern begonnen werden."
Phase-2-Studien führt man an Personen durch, die mit dem Virus in Kontakt kommen können, beispielsweise Krankenschwestern und Ärzten in Ebola-Zentren in Westafrika. Die Studien sollen zeigen, ob der Impfstoff tatsächlich funktioniert.
Normalerweise umfasst eine Phase-2-Studie etwa 100 bis 500 Probanden. Erst wenn sie erfolgreich war, kann Phase 3 beginnen, die dann denselben Impfstoff an einer größeren Gruppe von mehreren tausend Personen testet. Anscheinend plant die WHO, Phase 2 direkt auf mehrere tausend Menschen auszuweiten. Phase 3 wäre dann nicht mehr nötig - man hätte Zeit gespart.
Zwei heiße Kandidaten
Die beiden Impfstoffe, auf denen so viel Hoffnung ruht, heißen cAd3-EBO und VSV-EBOV.
cAd3-EBO wurde gemeinsam von dem National Institutes of Health der USA und der Pharmafirma GlaxaSmithKline entwickelt. Es besteht aus einem Schnupfenvirus, das aus Schimpansen gewonnen wurde und in das ein Gen eines Ebolavirus eingesetzt wurde.
"Die Entwicklung des Impfstoffkandidaten schreitet in einem noch nie da gewesenen Tempo voran", schreibt GlaxoSmithKline auf seiner Webseite. "Erste Phase-1-Sicherheitsstudien sind bereits in den USA, dem Vereinigten Königreich und Mali in vollem Gange, und weitere Studien werden in den kommenden Wochen beginnen." Das Unternehmen sagt, es habe den Impfstoffkandidaten im Mai 2013 gemeinsam mit dem Biotechnologie-Unternehmen Okairos erworben. Der Impfstoff werde in einer Anlage in Rom hergestellt.
Den anderen Impfstoffkandidat, VSV-EBOV, hat die Public Health Agency Kanadas entwickelt. Er wurde an das US Walter Reed Army Institute of Research in Maryland geschickt, um dort an Freiwilligen getestet zu werden. Der Impfstoff besteht aus einem abgeschwächten Virus, der Tiere befällt und dort die Krankheit namens Stomatitis vesicularis auslöst. Ein Gen dieses Virus ist durch das eines Ebolavirus ersetzt.
Forscher testen den Impfstoffkandidaten seit dem 13. Oktober 2014, verkündete das Walter Reed Army Institute of Research.
Keine Garantie
Die stellvertretende WHO-Generalsekretärin Marie-Paule Kieny verkündete am Dienstag (21.10.2014), dass noch sehr viele "Wenns" verblieben: Es bestehe "die Möglichkeit, dass der Impfstoff versagt." Auch wenn beide Impfstoffkandidaten bereits an Tieren getestet wurden und diese vor der Krankheit schützen konnten, so heißt das nicht automatisch, dass sie das auch beim Menschen tun.
Gesundheitsexperten betonen, dass ein Impfstoff alleine den Ausbruch nicht aufhalten wird. Wahrscheinlich gebe es zunächst gar nicht genug Impfdosen, um alle Menschen, die den Impfstoff bräuchten, zu versorgen - auch wenn eine Pressesprecherin von GlaxoSmithKline sagte, dass das Unternehmen versuche, "die Produktion auf industriellen Maßstab hochzufahren."
Kieny von der WHO sagte, die ersten Dosen des Impfstoffs gingen an Gesundheitsarbeiter in Ebola-Behandlungszentren. Sie sind in besonders großer Gefahr, sich mit dem Virus anzustecken. Mehr als 200 von ihnen sind bereits an der Krankheit gestorben. Auch die Organisation "Ärzte ohne Grenzen" drängte die Pharmaindustrie, die Arbeit an einem Impfstoff voranzutreiben. "Eine Impfung könnte die weitere Ausbreitung vermindern und zukünftigen Ausbrüchen vorbeugen."