Im Irak warten die Chancen
2. April 2004Drei Kriege, dreizehn Jahre Wirtschaftsembargo, nicht endende Terrorattentate. All das haben die irakische Wirtschaft und die Infrastruktur des Landes schwer beschädigt. 80 Prozent der Iraker leben unterhalb der Armutsgrenze, Zweidrittel sind arbeitslos. Die Versorgung mit Wasser und Strom liegt darnieder, die medizinische Betreuung ist katastrophal und die Sicherheitslage äußerst instabil.
Trotzdem ist das Interesse der deutschen Wirtschaft groß, im Irak zu investieren, den Wiederaufbau zu unterstützen. Die deutsche Industrie sieht das ölreiche Land als wichtigen Absatzmarkt. Und so gibt sich der Geschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Martin Wansleben, auf der Konferenz optimistisch: "Der Irak hat allemal das Potential wirtschaftlich wieder ein starker Partner zu werden. Und nur ein wirtschaftlich starker Irak wird zu Frieden und Sicherheit im Nahen Osten beitragen können", erklärte Wansleben.
Es geht ums Geld
Für effektive Hilfe ist viel Geld nötig. Allein im Jahr 2004 sind es nach Berechnungen der Weltbank etwa 17 Milliarden Dollar. Deutschland hat dem Irak rund 200 Millionen Euro zugesagt. Und seit dem Ende des Irak-Krieges stellt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag fest, dass immer mehr deutsche Firmen ihre alten Kontakte nach Bagdad wieder auffrischen. Diese Kontakte haben eine lange Tradition. Schon im 19. Jahrhundert planten und bauten deutsche und irakische Ingenieure gemeinsam die Bagdad-Bahn.
Im Bundeswirtschaftsministerium geht man davon aus, dass diese traditionellen Handelsbeziehungen wieder belebt werden. "Ich bin sicher, dass die deutschen Unternehmen eine wichtige Rolle bei wirtschaftlichen Wiederaufbau spielen werden", sagt Staatssekretär Alfred Tacke. "Meine Zuversicht beruht darauf, dass deutsche Unternehmen seit langem in der Region Naher und Mittlerer Osten einen vorzüglichen Ruf in Bezug auf Qualität, Stand der Technik und Zuverlässigkeit ihrer Produkte und Projekte erreicht haben."
Staudamm, Fabriken, Kraftwerke
So bauten deutsche Firmen etwa den Tigris-Staudamm bei Mossul, Zementfabriken, Ziegeleien und Kraftwerke im ganzen Land und den Internationalen Flughafen von Basra. Nach Erdöl ist die Landwirtschaft der zweitwichtigste Sektor der irakischen Wirtschaft. Doch nur ein Viertel des fruchtbaren Landes wird genutzt. Die Kriege haben die Mehrzahl der so wichtigen Dattelpalmen zerstört. Der Anteil der im Agrarbereich tätigen Arbeitskräfte ist auf zehn Prozent gesunken. Der irakische Landwirtschaftsminister Al-Abood rief deswegen die deutschen Wirtschaftsvertreter dazu auf, sich auch in diesem Bereich zu engagieren. Düngemittel würden besonders dringend benötigt. Mit verschiedenen Programmen bemüht sich das Landwirtschaftsministerium in Bagdad, die Agrarwirtschaft wieder auf die Beine zu stellen, so Al-Abood.
Hoffnungen und Wünsche
Deutsche Investitionen im Irak sind im Interesse beider Länder - davon ist auch der stellvertretende irakische Wirtschaftsminister Al-Kateeb überzeugt. Er rät deutschen Firmen aber, sich ausschließlich in enger Zusammenarbeit mit irakischen Partnern in dem Land zu engagieren. Zu groß seien die Unterschiede zur westlichen Welt. Ein paar Verhaltensmaßregeln hat er auch noch parat. "Glauben Sie nicht alles, was Sie sehen. Es ist in Wirklichkeit nicht so schlecht bei uns, wie es im Fernsehen dargestellt wird. Verhalten Sie sich nicht zu auffällig, heuern Sie keine Sicherheitsfirmen an, machen Sie sich nicht zum Ziel, sondern verhalten Sie sich wie die Menschen vor Ort."
Und die Menschen vor Ort, so Al-Kateeb, wünschten sich nichts sehnlicher als Frieden für ihr Land. Auf der Wunschliste der deutschen Wirtschaft ganz oben steht: Das Ende der amerikanischen Besatzungsbehörde und die Machtübergabe an eine legitime irakische Regierung. Denn dann können die Ministerien in Bagdad wieder selbst Projekte ausschreiben.