"Im Jemen tobt ein Stellvertreterkrieg"
27. März 2015DW: In den vergangenen Tagen haben Huthi-Rebellen aus dem Norden des Landes zusammen mit ihren Verbündeten, Anhängern des früheren Präsidenten Abdullah Ali Saleh, bedeutende Geländegewinne erzielt. Wie kam es dazu, und warum machen die Aufständischen gemeinsame Sache mit dem Ex-Präsidenten?
Al Saqaf: Dazu muss man sehen, wie sich die Bewegung entwickelt hat. Vor einigen Jahren hatte das Saleh-Regime selbst mehrere Male Krieg gegen die Huthis geführt. Damals hielt das Regime die Huthis für eine Miliz, die sich nicht an das Recht hielt, die das alte, auf Königreiche gestützte Regierungssystem zurückhaben wollte und die jedenfalls keine demokratischen Grundsätze im Sinn hatte. So stellte es jedenfalls die Regierung dar.
Interessant ist, dass das Saleh-Regime während dieser Zeit die Kriege nutzte, um eine Menge Unterstützung zu bekommen, vor allem von Saudiarabien und den Golfstaaten, und dann auch Kapital erhielt, um seine Streitkräfte zu verstärken.
Es gab Momente, als es so aussah, als wären die Huthis militärisch am Ende. Doch dann zogen sich die Regierungstruppen wieder zurück und ließen den Huthis Zeit, sich neu aufzubauen. In diesen insgesamt sieben Kriegen wuchs Salehs Armee, und die Huthis bekamen Kampferfahrung. Als Saleh dann 2011 im Abkommen des Golf-Kooperationsrates die Macht abgab, verbündete er sich mit seinen alten Feinden, den Huthi-Rebellen. Im Grunde nutzte er ihren Machtzuwachs zu einer gemeinsamen Offensive gegen den neugewählten Präsidenten.
Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi kam 2011 durch einen Aufstand an die Macht, die als Volkserhebung nach dem Vorbild des Arabischen Frühlings beschrieben wurde. Er pflegte dann enge Beziehungen mit den Vereinigten Staaten und den benachbarten Golfstaaten. Warum haben die USA ihn so stark unterstützt?
Die USA haben sich in ihren Beziehungen zum Jemen vor allem auf Sicherheitsfragen konzentriert. Sie haben jeweils denjenigen unterstützt, der gerade an der Macht war, um vom Jemen aus Drohnenangriffe durchzuführen, dort Bodentruppen zu stationieren, und Informationen über mögliche Extremisten zu sammeln. Sie haben also einfach mit dem jeweiligen Machthaber zusammengearbeitet, egal, wer es war.
Wenn die Huthis das gesamte Land unter ihre Kontrolle gebracht und ein gewisses Interesse an einer Unterstützung der USA bekundet hätten, möchte ich nicht ausschließen, dass die USA darauf eingegangen wären. Doch da die Huthis "Amerika den Tod" geschworen hatten, schied für die US-Regierung eine Zusammenarbeit natürlich aus.
Der Iran hat heftig gegen das Eingreifen dieses Militärbündnisses arabischer Staaten im Jemen protestiert. Saudiarabien, Irans Erzfeind in der Region, hat sich an die Spitze der Intervention gesetzt. Welche Interessen hat der Iran im Jemen, und warum macht er gemeinsame Sache mit den Huthis?
Geopolitisch betrachtet ist es heute so, dass Syrien, der Libanon und der Irak durch verbündete Milizen oder Regierungen mehr oder weniger unter der Kontrolle Teherans stehen. Im Jemen war das nicht der Fall, bis die Huthis durch ihr Bündnis mit Saleh an die Macht kamen.
Für den Iran war das also eine günstige Gelegenheit, seinen Einfluss im Süden der Arabischen Halbinsel auszuweiten. Und wenn Teheran den Öltransport durch die Meerenge von Bab al-Mandab stoppen wollte, hätte es durch eine beherrschende Rolle im Jemen einen Hebel für den Fall eines künftigen Konflikts in der Hand.
Die wachsende Konfrontation zwischen den Golfstaaten und dem Iran nähren die Furcht vor einem Stellvertreterkrieg mit dem Jemen als Schlachtfeld. Wie denken Sie darüber?
Das ist heute schon teilweise ein Stellvertreterkrieg, bei dem die Unterstützung des Iran unter anderem mit Schiffen und Flugzeugen ins Land kommt. Neu sind die direkten Luftangriffe der von Saudiarabien angeführten Koalition. Ich glaube aber nicht, dass der Iran sich auf eine Konfrontation einlässt, weil er an mehreren anderen Orten gleichzeitig involviert ist. Der Jemen ist ziemlich weit entfernt. Wenn der Iran den Jemen verliert, hat er nicht viel verloren, aber wenn er den Jemen gewinnt, hat er viel gewonnen.
Washington hat den Jemen einen "entscheidenden Verbündeten" in seinem "Kampf gegen den Terror" genannt. Wie wirkt sich das in der Praxis für die Menschen im Jemen aus?
Die Jemeniten haben bisher sehr darunter gelitten, dass sich die USA ganz eng auf ihren Kampf gegen den Terrorismus konzentriert und sich um nichts anderes gekümmert haben, auch nicht um Entwicklung und Demokratie. Die Amerikaner interessieren sich nur im Rahmen ihres Kampfes gegen Terrorismus für den Jemen, in anderer Hinsicht ist das Land für sie bedeutungslos.
Wir haben erfahren, dass die USA den Saudis für deren Luftangriffe Infrastruktur, Sicherheit und Unterstützung gewährt haben, doch mit der Absicht zurückzukommen, wenn sich die Lage beruhigt, und um ihren Kampf gegen Al-Kaida wiederaufzunehmen. Das kommt bei den Menschen im Jemen schlecht an. So kann es nicht weitergehen.
Das Gespräch führte Jacob Resneck
Walid al-Saqaf forscht an der Universität Stockholm. Er war Journalist und Mitbegründer des "Yemen Portal", eines unabhängigen Nachrichtenportals auf arabisch und englisch mit Informationen über den Jemen.