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Kampf für Gerechtigkeit

28. Oktober 2009

Vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal hat diese Woche der Prozess gegen Serbenführer Radovan Karadzic begonnen. Die Anklage führt die deutsche Rechtsanwältin Hildegard Ürtz-Retzlaff.

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Der Gerichtssaal des Kriegsverbrecher-Tribunals in Den Haag (Foto: dpa)
Der Gerichtssaal des Kriegsverbrecher-Tribunals in Den HaagBild: DPA

Hildegard Ürtz-Retzlaff ist eine kleine, burschikose Frau mit frechem, graublondem Kurzhaarschnitt. In dem Gerichtssaal sitzt sie feierlich gehüllt in schwarze Robe mit weißer Schärpe, sie ist aber voller Temperament und Tatendrang und mit wachsamen hellen Augen. Die Umstellung auf Englisch als Arbeitssprache sei ganz schön gewöhnungsbedürftig gewesen, meint sie in ihrem spartanisch eingerichteten Büro. Einmal zum Beispiel, erinnert sie sich lachend, ist ihr während eines Prozesses das englische Wort für "Stirn" nicht eingefallen.

"Da habe ich rumgedruckst. Es fiel mir einfach nicht ein, ist ein ganz einfaches Wort: 'forehead'", erinnert sie sich. "Dann merkte der Richter das und meinte ganz ironisch: Meinen Sie etwa 'forehead'? Das war mir so was von peinlich. Das passiert schon mal." Die 58-Jährige arbeitet seit 1995 in Den Haag. Zuvor brachte sie bei der Staatsanwaltschaft in Bochum Wirtschaftsverbrecher hinter Gitter. Dass sie jetzt mutmaßlichen Kriegsverbrechern wie Radovan Karadzic den Prozess machen kann, hält sie für die "Krone der Justiz".

Sternstunden der Justiz

Über laufende Verfahren darf sich Hildegard Ürtz-Retzlaff nicht auslassen. Aber über Vergangenes erzählt sie gerne. Zum Beispiel die Reisen an die ehemaligen Tatorte, auf der Suche nach Zeugen und Beweismaterial. 1996 etwa nach Goraschde in Bosnien. Da wohnte sie eine Woche lang in einem völlig zerstörten Apartmentgebäude, ohne fließend Wasser, Strom und Fensterscheiben. Oder 1997, mitten im Winter in Sanski Most. "Da waren wir in einem sogenannten Hotel. Es gab keine Heizung, und an den Wänden waren Schimmelpilze. Das war furchtbar, das war schlimmer als in Goraschde. Da haben wir gefroren und lagen mit unseren Mänteln im Bett."

Slobodan Milosevic (Foto: AP)
Ürtz-Retzlaff hielt das Eröffnungsplädoyer im Milosevic-ProzessBild: AP

Zu ihren Sternstunden zählt das Verfahren gegen Slobodan Milosevic. Während ihres Eröffnungsplädoyers waren die Augen der Weltöffentlichkeit auf die Anklägerin aus Deutschland gerichtet. Als ihr größter Erfolg allerdings gilt der sogenannte Foca-Prozess: Damit schrieb sie Rechtsgeschichte, denn die Anklage konnte nachweisen, dass sexuelle Gewalt gegen moslemische Frauen in Bosnien gezielt als Terrormethode eingesetzt wurde. Drei hohe Militärs wurden wegen Vergewaltigung, Versklavung und Folter zu bis zu 28 Jahren Haft verurteilt: "Wichtig war, dass überhaupt mal Vergewaltigungen aufgegriffen wurden als Kriegsverbrechen und auch als Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das war das erste Mal!"

Keine vergeudete Zeit

UN-Mitarbeiter bei Spurensuche in Srebrenica, im Vordergrund liegt ein ausgegrabener Schädel (Foto: AP)
Spurensuche in SrebrenicaBild: AP

Das Jugoslawientribunal, davon ist sie überzeugt, hat sich bewährt und bringt Gerechtigkeit. Alleine schon die Tatsache, dass die Opfer hier ihr Schicksal schildern können, sei eine ganz wichtige Sache. Anfangs allerdings hatte auch die unerschrockene Staatsanwältin aus Bochum ihre Zweifel: Das war 1996, als in Srebrenica Völkermord verübt wurde - ein Jahr nach der Anklage gegen Radovan Karadzic und seinen General Ratko Mladic: "Da habe ich gedacht: Was machst du eigentlich hier, das bringt ja nichts. Die Leute sind schon angeklagt, und trotzdem machen die das. Da habe ich gedacht, ich gehe wohl besser wieder nach Hause, das ist vergeudete Zeit. Doch da hat mein Mann gesagt: 'Wenn nur einer von denen verurteilt wird, dann ist dieses Gericht eigentlich schon ein Erfolg.' Und da hat er schon Recht gehabt."

Autorin: Kerstin Schweighöfer
Redaktion: Andreas Ziemons