Im Wartesaal Südamerikas
2. September 2014"Brasiliens Regierung investiert jedes Jahr 35 Milliarden Dollar in den Ausbau der Infrastruktur, das sind 50 Milliarden zu wenig", schätzt Wagner Cardoso. Der Logistikbeauftragte des brasilianischen Industrieverbands CNI (Confederacao Nacional da Industria) muss es wissen. "Brasiliens Häfen gelten seit Jahren als Flaschenhals der Exportwirtschaft", sagt er. "Und zwar schon lange bevor Brasilien zur siebtgrößten Volkswirtschaft der Welt aufstieg".
Seit Ende der 90er Jahre bemüht sich das größte Land Lateinamerikas um eine Reform seiner Häfen. Damals gab die Regierung in Brasília ihr Monopol zum Betrieb des landesweit größten Hafens in der Stadt Santos auf. Sie vergab stattdessen Konzessionen für den Betrieb der Terminals an Privatunternehmen.
2013 wurde schließlich das Hafengesetz geändert. Seitdem dürfen Unternehmen im Umfeld von Brasiliens größtem maritimem Warenumschlageplatz in der Hafenstadt Santos neue Terminals bauen, und können so mit den etablierten Betreibern konkurrieren.
Moderne Gesetze, alte Strukturen
"Wir haben inzwischen ein modernes, liberales Hafengesetz", bestätigt Unternehmervertreter Wagner Cardoso im Gespräch mit der DW bei den deutsch-brasilianischen Wirtschaftstagen in Hamburg. Auch die Effizienz beim Betrieb sei seit den 90er Jahren gestiegen.
Doch der Nachholbedarf, um den wachsenden Warenverkehr zwischen Brasilien, Deutschland und der EU zu bewätigen, ist enorm. Deutsche Exporteure beklagen vor allem ein fehlendes Reformkonzept, das für das gesamte Land gilt.
"Mit höheren Investitionen allein ist es nicht getan", meint Erich Staake, Vorstandschef der Duisburger Hafen AG und Mitglied im Brazil Board des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Es genüge nicht, hier oder da einen Hafen auszubauen. "Effiziente Logistik braucht einen Masterplan, damit die verschiedenen Transportmittel sich ergänzen", so Staake.
Der Vorstandschef der Duisburger Hafen AG kennt die Problematik aus erster Hand. Seit 2012 bestehen Kooperationsverhandlungen zwischen der Duisport Gruppe und dem Hafen von Santos. Im März desselben Jahres überreichte der Manager Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff einen Zwölf-Punkte-Plan zur Verbesserung der Logistik-Struktur in Brasilien.
Mächtige Monopole
Ein wichtiger Bestandteil davon ist laut Staake das Aufbrechen der bestehenden Strukturen. "Den Schienenverkehr zum Beispiel teilen drei regionale Monopolisten unter sich auf", erklärt er. So sei es bisher nicht möglich, Container aus Brasiliens mit Abstand wichtigstem Hafen in Santos mit dem Zug in die 80 Kilometer entfernte Industriemetropole Sao Paulo zu transportieren.
Der Grund: Die regionalen Monopolisten beschränkten sich laut Staake auf Schüttgut wie Eisenerz und Getreide und hätten folglich kein Interesse, ihre Waren in Containern zu transportieren. Außerdem sei nicht nur der Transport vom Hafen problematisch, sondern auch die Abfertigung am Kai.
"Im Hafen von Santos lagern die Güter zwei bis dreimal länger, als im Rest der Welt", erklärt der Duisburger Hafenmanager Staake. "Gleichzeitig verdienen die Betreiber so viel Geld wie niemand sonst in der Branche".
Schwierige Reformen
Die brasilianische Regierung räumt die Defizite offen ein. "Genau so sieht es aus", bestätigt Antônio Henrique Pinheiro Silveira, Staatssekretär im brasilianischen Finanzministerium. "Aber wir arbeiten daran, die Monopole aufzubrechen", versichert Silveira im Gespräch mit der DW.
Silveira stand bis Juni 2014 dem brasilianischen Sekretariat für Häfen als Minister vor. Seiner Ansicht nach ist das Dilemma der Regierung, dass die staatlichen Monopole nicht per Parlamentsbeschluss oder Dekret aufgehoben werden können. Silveira: "Wir wollen die geschlossenen Verträge nicht brechen, deshalb versuchen wir auf anderem Wege den Wettbewerb zu erhöhen".
Die Stimmung unter den Teilnehmern der deutsch-brasilianischen Wirtschaftstage in Hamburg war folglich verhalten. Angesichts der zurzeit stagnierenden Wirtschaft in Brasilien fiel die Anzahl der Teilnahmer an dem wichtigsten Wirtschaftsforum für beide Länder geringer aus als im Vorjahr.
Für Duisport-Manager Erich Staake ist Brasilien trotz aller logistischen Probleme weiterhin ein interessanter Markt. Weitere Kooperationen seien avisiert, kündigt er an: "In Europa verfolgen wir den Ansatz, sämtliche logistische Einheiten auf die Vernetzung aller Transportwege auszurichtren", erklärt er. "Damit könnten wir auch in Brasilien sehr erfolgreich sein".