Im Zweifel für das Referendum
28. Juni 2015Thanassis Antoniou hat seine Entscheidung schon längst getroffen: "Ich werde auf jeden Fall gegen die Sparvorschläge der Gläubiger stimmen und ich finde, diese Einstellung ist europafreundlicher als jede andere", erklärt der zweifache Familienvater im Brustton der Überzeugung. Seine Begründung lautet: "Sollte ich mit Ja stimmen, dann bin ich in einem Jahr garantiert viel ärmer als ohnehin schon. Das wäre doch alles andere als eine europäische Perspektive." Schließlich sei Europa auch für die Griechen ein Synonym für Wohlstand und Demokratiekultur, gibt Antoniou zu bedenken. Und wenn etwa in Kalifornien selbst über die Legalisierung von Cannabis abgestimmt wird, dann sei kein Grund ersichtlich, warum ausgerechnet ein europäisches Volk kein Referendum über die eigene Zukunft abhalten soll.
So hat es das griechische Parlament in der Nacht zum Sonntag (28.6.) nach einer turbulenten 14-stündigen Debatte beschlossen. Demnach soll am 5.Juli ein Referendum über das Abkommen mit den Gläubigern stattfinden. Bei seiner Rede im Plenum machte Ministerpräsident Alexis Tsipras einen ungewohnt kämpferischen Eindruck und ließ unter anderem verlauten, er würde doch nicht Herrn Dijsselbloem oder Herrn Schäuble um Erlaubnis für eine Volksabstimmung in Griechenland bitten. Antoniou macht keinen Hehl daraus, dass er mit der regierenden Linkspartei Syriza sympathisiert. Mit Europa allerdings auch: Die europäische Integration sei nun mal das Schicksal Griechenlands und daran dürfe man nicht rütteln, meint der Verlagsangestellte aus der zentralgriechischen Hafenstadt Chalkida. Allerdings dürfe die Idee Europas nicht auf eine Währung reduziert werden: "Europa bedeutet für mich eine Kultur der Toleranz und der gemeinsamen Werte. Es bedeutet aber auch ein Leben in Würde und ohne wirtschaftliche Not", sagt der 48-Jährige.
"Man muss Prioritäten setzen"
Auch Achilleas Kirkiotakis befürwortet das Referendum, wenn auch aus anderen Gründen: Es sei endlich an der Zeit, dass das griechische Volk Verantwortung übernimmt und eine klare Entscheidung trifft- ob für den Euro, oder für eine Rückkehr zur Drachme, erläutert der Taxifahrer. Täglich kämpft der 33-jährige um sein wirtschaftliches Überleben und blendet dabei die Angst um die eigene Zukunft am liebsten aus. "Ich bin jetzt in einem Alter, wo man das eigene Leben in die Hand nimmt und noch viele Berufsjahre vor sich hat. Da kann ich es mir nicht erlauben, vor Angst zu kapitulieren, auch wenn ich derzeit Schulden habe. Aber wer hat schon keine Schulden heutzutage?", sagt er im Gespräch mit der Deutschen Welle.
Kirkiotakis plädiert für mehr Bescheidenheit und Realismus in Krisenzeiten: "Wenn man 1.000 Griechen fragt, ob es ihnen wirtschaftlich gut geht, kommt bei allen die gleiche Antwort: Es läuft einfach schlecht. Dabei muss man doch Prioritäten setzen und die eigenen Bedürfnisse auch mal zurückfahren." Er jedenfalls hängt sich für seinen Job richtig rein, sagt der kräftige Mann, sichtlich stolz: Bis zu 14 Stunden am Tag sitze er hinterm Steuer, auch am Wochenende.
Thanassis Antoniou hat schon unzählige 14-Stunden-Tage hinter sich. Frühere Jobs in Verlagen und im Journalismus haben ihm auch viel Spaß gemacht, doch die Krise hat ihn 2008 voll erwischt: Seit sieben Jahren steckt er in prekärer Beschäftigung fest. "Im Jahr 2010 war ich sogar über längere Zeit arbeitslos, danach kamen nur noch weniger anspruchsvolle und schlechter bezahlte Jobs", erinnert sich Antoniou im Gespräch mit der Deutschen Welle. Bei aller Verbitterung bekennt sich der zweifache Familienvater zu Europa. Er sagt aber auch: "Sollte der Euro Griechenland strangulieren und den Menschen in diesem Land keine Luft mehr zum Atmen geben, dann müsse man eben doch noch über einen Euro-Austritt nachdenken. Aber ich befürchte, dass wäre eine Niederlage für Griechenland, und nicht zuletzt auch für Europa."
Es geht um ein ganzes Volk
Nach einer Umfrage der Athener Wochenzeitung "To Vima" sprechen sich 47 Prozent der Griechen für die jüngsten Sparvorschläge der internationalen Geldgeber aus. Nur 33 Prozent sind dagegen. An der Verhandlungstaktik von Regierungschef Tsipras scheiden sich die Geister: 48 Prozent der Befragten finden, der Ministerpräsident mache eine gute Figur, 50 Prozent beurteilen ihn negativ. Einen Bruch mit den Geldgebern befürworten nur 26 Prozent der Befragten.
Alexis Papachelas, Direktor der Athener Tageszeitung "Kathimerini", zeigt sich besorgt: Dass sich die Euro-Finanzminister beraten und der griechische Finanzminister an den Beratungen gar nicht teilnehmen darf, sei ein noch nie da gewesener Vorgang, Griechenland sei eigentlich bereits mit einem Bein außerhalb der Eurozone, mahnt der Analyst im TV-Sender Skai. Und er fügt hinzu: "Ich hoffe, die EU-Partner verstehen, dass es hier nicht um eine einzelne Regierung oder um einen Ministerpräsidenten, sondern um das Schicksal eines ganzen Volkes geht."