Imame made in Germany
20. November 2019Die Bundesregierung hat seit langem Bedenken wegen des starken ausländischen Einflusses auf die in Deutschland arbeitenden Imame. Von den rund 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland sind etwa drei Millionen türkischer Herkunft. Die große Mehrheit ihrer Geistlichen wird in der Türkei ausgebildet, finanziert und von dort nach Deutschland entsandt. Zuständig ist der Dachverband DITIB, kurz für Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion.
Abgesehen von sprachlichen und kulturellen Barrieren im Entsendeland fühlen sich viele der Imame auch in Deutschland der türkischen Regierung verpflichtet. Deshalb überlegt die Bundesregierung seit Jahren, wie sie mit diesem fremden Einfluss aus der Türkei umgehen soll.
An diesem Donnerstag nimmt nun ein Trägerverein seine Arbeit auf, der diesen Einfluss von außen mit einer Anschubfinanzierung des Bundes zurückdrängen soll. Am Ende könnte eine vollständige Imamausbildung in Deutschland stehen.
Ihre Partei habe schon lange Bundesmittel dafür gefordert, sagt die Grünenabgeordnete Filiz Polat. Eines der wichtigsten Hindernisse war bisher das fehlende Geld. Das scheint nun fürs Erste durch die zugesagte Finanzierung aus dem Weg geräumt. Polat sagt, das habe "das Bundesinnenministerium bereits in Antworten auf meine Fragen im Deutschen Bundestag bestätigt".
Staatliche Neutralität
Eine der Organisationen, die im neuen Trägerverein mitarbeiten will, ist der Zentralrat der Muslime in Deutschland, ZMD, wie ihr Vorsitzender Aiman Mazyek bestätigt. "Wir können nicht immer nur lamentieren..., dass es ausländische Imame gibt", sagt Mazyek der Deutschen Welle. Der Trägerverein sei nun ein konkreter Schritt und eine "positive Entwicklung", der aber schon "vor Jahrzehnten" hätte kommen müssen.
Nach dem Grundgesetz muss sich der Staat aus den inneren Belangen der Religionsgemeinschaften heraushalten. Doch nach Meinung von Filiz Polat "bleibt die staatliche Neutralität durch ein Trägermodell gewahrt". Der Trägerverein wird in Niedersachsen ansässig sein. Polat zieht einen Vergleich zur jüdischen Gemeinschaft und das ebenfalls staatlich unterstützte Potsdamer Abraham-Geiger-Kolleg: "Auch beim Rabbinerseminar in Potsdam hat es eine staatliche Anschubfinanzierung gegeben, und diese hat sich ausgezahlt." Ein solcher Weg sei "verfassungsrechtlich unbedenklich", glaubt Polat.
"Einen Fuß in der Tür"
Zur Zeit wird islamische Theologie als Hochschulstudiengang in Münster, Tübingen, Osnabrück, Gießen und Erlangen-Nürnberg gelehrt. Erst im Oktober eröffnete auch die Berliner Humboldt-Universität ein islamisch-theologisches Institut.
Doch die Absolventen dürfen anschließend nicht als Imame in Deutschland arbeiten, weil bestimmte praktische Imam-Tätigkeiten an diesen Instituten nicht gelehrt werden. Dafür wäre eine separate, praxisorientierte Zusatzausbildung notwendig.
In einer Antwort des niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur auf eine Anfrage der Deutschen Welle heißt es dazu, es sei angedacht, "einen eingetragenen Verein in Abstimmung mit den interessierten muslimischen Verbänden und gegebenenfalls Moscheegemeinden zu gründen". Dies könne Modell für eine Imamausbildung werden, so das Ministerium.
Professor Rauf Ceylan von der Universität Osnabrück hat bereits früher dargelegt, wie er sich eine Imamausbildung in Deutschland vorstellt. Er sagt der Deutschen Welle, es gehe zunächst darum, einen "Fuß in der Tür" zu haben. Doch es sei wichtig, "nicht mit ganz großen Erwartungen" an das Projekt heranzugehen. "Wir müssen erstmal starten, auch wenn es klein ist. Und wenn die Qualität stimmt, wird sich das langfristig durchsetzen."