Immer mehr Wirbel um "Sakrileg"
18. Mai 2006Der am Mittwochabend (18.5.2006) bei den 59. Internationalen Festspielen in Cannes uraufgeführte Film "The Da Vinci Code - Sakrileg" sorgt weiter für Wirbel. Der konservative katholische Laienorden Opus Dei verwahrte sich vehement gegen die Geschichte des Bestsellerautors Dan Brown. Darin wird der Orden als Mörderverein hingestellt.
Die 100 Millionen Dollar teure Hollywood-Produktion "Sakrileg" entstand in der Regie von Ron Howard ("Apollo 13") in Paris und Großbritannien. Die Filmhandlung basiert auf einer umfassenden Verschwörungstheorie und dem "größten Geheimnis" der katholischen Kirche: Dass Jesus Christus mit Maria Magdalena ein Kind hatte, dessen Nachfahren heute noch unter uns leben.
Opus Dei kritisierte bei einem Aktionstag in Rom den Filmverleih Sony für dessen Weigerung, "Sakrileg" explizit als Fiktion auszuweisen. In Browns Roman begeht ein Opus-Dei-Anhänger einen Mord, der Anlass für eine schonungslose Kritik an dem Orden bietet. Demnach ist Opus Dei in politische und wirtschaftliche Machtspiele verwickelt und versucht die nach Darstellung des Autors theologische Wahrheit zu unterdrücken, dass Jesus und Maria Magdalena verheiratet gewesen seien und Kinder gehabt hätten.
Christliche Werte im Mittelpunkt
Ordenschef Monsignor Javier Echevarría erklärte, gerade zum jetzigen Zeitpunkt sei es wichtig, die Bedeutung von Jesus Christus in den Mittelpunkt zustellen. Er verwies darauf, dass am Mittwoch vor genau 20 Jahren der inzwischen als Heiliger geltende Gründer von Opus Dei, Josemaria Escriva de Balaguer, selig gesprochen wurde. Darüber sei er sehr glücklich, sagte Echevarria der Fernsehagentur APTN. Dass die Uraufführung des Films ausgerechnet für diesen Tag anberaumt wurde, gilt als Zufall.
Auch mehrere Vatikan-Vertreter haben sich in den vergangenen Tagen kritisch über den Thriller mit Tom Hanks in der Hauptrolle geäußert. Es gab auch Boykottaufrufe. Davon sah Opus Dei allerdings ab, nachdem vor zwei Jahren Aufrufe zum Boykott von Mel Gibsons "Die Passion Christi" zum Erfolg des Films beigetragen hatten.
Protest auf Knien
In Cannes beteiligte sich am Mittwoch auch eine Nonne an den Protesten. Die britische Ordensschwester Mary Michael kniete auf dem roten Teppich nieder, der zum Empfang der Stars ausgerollt war. Sie verharrte dort mit ihrem Rosenkranz im Gebet.
Reaktionen in Fernost
In China war der Film bereits wenige Stunden zuvor gezeigt worden. Dort reagierte die katholische Minderheit in China mit Empörung auf die Galapremiere in Peking, die ohne Zwischenfälle verlief. Vor dem Kino im Zentrum der Hauptstadt herrschten strenge Sicherheitsvorkehrungen. Die chinesischen Behörden hatten im März beschlossen, den Film unzensiert zu zeigen. Als Buch war "Sakrileg" in China höchst erfolgreich. Es wurden 1,2 Millionen offizielle Exemplare und mehrere Millionen Raubkopien verkauft.
In Thailand sprach sich der Zensurausschuss zunächst dafür aus, in den Kinos nur eine gekürzte Version zu zeigen. Christliche Gruppen hatten gefordert, die letzten zehn Minuten zu streichen sowie ihrer Ansicht nach anstößige Untertitel zu ändern. Nach einem Berufungsantrag der Filmgesellschaft Columbia Pictures wurde die Entscheidung jedoch revidiert. Stattdessen soll nun am Anfang und Ende des Films ein Hinweis eingeblendet werden, dass es sich um reine Fiktion handele.
US-Kritik
In den USA sorgte nicht nur die Darstellung Jesu als Familienvater für Aufsehen. Die Nationale Organisation für Albinismus und Hypopigmentierung beklagte, dass der Mörder Silas in dem Film ein Albino sei. Damit würden erneut Vorurteile gegen Menschen mit unpigmentierter Haut geschürt.
Was Fachleute sagen
Bei den Kritikern in Cannes fiel der Film mit Pauken und Trompeten durch. Bereits einen Tag vor der Weltpremiere am Mittwochabend hatte es eine Vorführung für die Presse gegeben. Danach rührte sich keine Hand zum Applaus. Der Filmexperte vom "Hollywood Reporter", Kirk Honeycutt, strafte den Streifen mit den Worten ab: "Zu viel Schuld, zu wenig Genuss." Die langen Passagen mit religiösen und historischen Debatten habe er zudem als mühselig empfunden. Auch sein Kollege von "Screen International", Lee Marshall, fand keine versöhnlichen Worte. Die Handlung sei nur schleppend voran gekommen. "Und zwischen Audrey Tautou und Tom Hanks gab es schlichtweg überhaupt keine Chemie." Der Film läuft noch in dieser Woche mit insgesamt 20.000 Kopien weltweit an. (mas)