Grenzen für Online-Razzien
16. April 2008Die Ausspähung von Computern zur Terrorabwehr bleibt umstritten. Einen Tag nachdem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) ihren monatelangen Zwist über gesetzliche Regeln für Online-Durchsuchungen beigelegt haben, formiert sich am Mittwoch (16.04.2008) erneut der Chor der Kritiker.
Der gefundene Kompromiss sieht vor, dass Beamte des Bundeskriminalamtes bei der Fahndung nach Terroristen und anderen Schwerverbrechern künftig private Computer überwachen dürfen. Die SPD setzte dabei durch, dass die Fahnder nicht in die Wohnung des Verdächtigen eindringen dürfen, um dessen Rechner zu manipulieren. Die technischen Voraussetzungen für die Überwachung dürfen nur vielmehr über eine Datenleitung geschaffen werden, etwa über die heimliche Online-Installation einer entsprechenden Software.
Die geplante Online-Durchsuchung ist Teil eines umfassenden Gesetzes, das die Kompetenzen des Bundeskriminalamts neu regeln soll. Hauptziel: Die Behörde soll bei der Bekämpfung von Terroristen schlagkräftiger werden. Schäubles Ministerium hofft, dass der Bundestag die Neuregelung noch vor der parlamentarischen Sommerpause verabschieden kann.
Bayern und Brandenburg fordern Nachbesserungen
Erste Einwände wurden umgehend in Bayern erhoben. Die bayerische Justizministerin Beate Merk forderte, wenn es zur Installation eines so genannten Trojaners unbedingt notwendig sei, müssten die Fahnder mit Genehmigung eines Richters in eine Wohnung eindringen können. "Hier wird man nachbessern müssen", erklärte die CSU-Politikerin. Auch Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) machte sich für Nachbesserungen stark. Vor allem für den Fall, dass ohne Zutritt zur Wohnung von Verdächtigen keine sinnvollen Erkenntnisse gewonnen werden können.
Als inkonsequent kritisierte die Gewerkschaft der Polizei die geplanten Regeln für Online-Durchsuchungen. Der Vorsitzende Konrad Freiberg monierte, der Zugriff auf Computer allein über Internet und Datenleitungen sei gegenüber einer manuellen Installation kompliziert und zeitraubend. Das Misstrauen, das den Sicherheitsbehörden bei der Terrorismusbekämpfung entgegenschlage, entbehre jeder Grundlage.
Maßgeblich sind die Vorgaben des Verfassungsgerichts
Einen Einspruch behält sich gar die SPD-Bundestagsfraktion vor. Ihr Innenexperte Klaus-Uwe Benneter sagte: "Wir werden uns genau ansehen, ob der Gesetzentwurf mit den engen Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes übereinstimmt."
Die Karlsruher Richter hatten im Februar entschieden, dass Computer von Verdächtigen nur in engen Grenzen mit Spionageprogrammen ausgeforscht werden dürfen, nämlich nur dann, wenn "überragend wichtige Rechtsgüter" wie Menschenleben oder der Bestand des Staates konkret gefährdet sind. Das Verfassungsgericht erklärte damit zugleich das nordrhein-westfälische Gesetz zu Online-Durchsuchungen wegen zahlreicher Fehler für nichtig.
Polizei will mehr Rechte
Das Ausspähen von Computern reicht der Polizei nicht: Wie die Union macht sie sich auch für die Ausforschung von Wohnungen stark. In diesem Zusammenhang verweist sie auf den Zugriff im Sauerland im September 2007. In dem Dorf Oberschledorn in Nordrhein-Westfalen waren drei Männer unter dem Verdacht verhaftet worden, Terroranschläge in Deutschland geplant zu haben.
Anders als die SPD wirbt die Union im Bundestag für den vereinbarten Kompromiss. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) forderte die Sozialdemokraten auf, dem Gesetzentwurf zuzustimmen. "Wenn sich die SPD jetzt immer noch sträubt, dann schlagen die Leute doch die Hände über dem Kopf zusammen." Dafür hätte niemand mehr Verständnis. (kle)