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Immer wieder: Streit um Gorleben

Jens Thurau6. Mai 2016

Umweltministerin Barbara Hendricks betont: Bei der Suche nach einem atomaren Endlager steht Gorleben steht weiter auf der Liste. Die Suche nach dem besten Standort bleibt schwierig - und wird noch Jahre dauern.

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Erkundungsbergwerk in Gorleben (Foto: dpa)
Erkundungsbergwerk in Gorleben: Wird hier einmal Atommüll gelagert?Bild: picture-alliance/dpa

Barbara Hendricks, die deutsche Umweltministerin, hält wenig von markigen Worten und sucht von sich aus eher selten die Öffentlichkeit. Wenn die SPD-Politikerin es dann doch einmal tut, dann ist die Sache wirklich wichtig. Sie sah sich genötigt, den Vorsitzenden der Endlagerkommission in die Schranken zu weisen.

Grundlage für die Suche nach einen atomaren Endlager bleibe "eine weiße Landkarte ohne politische Flecken darauf", stellte die Umweltministerin klar. Das, was Michael Müller da angeregt habe, "gefährdet den breiten Konsens in der Endlagerfrage", sagte sie dem Berliner "Tagesspiegel".

Brisant dabei: Müller ist wie Hendricks Mitglied der SPD. Was er angeregt hatte? Überall in Deutschland nach einem Ort zu suchen, an dem der gesamte deutsche Atommüll für alle Zeiten gelagert werden kann - überall, nur nicht in Gorleben.

Barbara Hendricks (Foto: DW)
Gorleben von der Suche ausschließen? Geht nicht, meint Umweltministerin Barbara HendricksBild: DW/K. Jäger

Müller leitet seit zwei Jahren ein Gremium mit rund 30 Mitgliedern, das nach jahrzehntelangem Streit klären soll, wo in Deutschland nach einem Endlager für den Atommüll aus den Kernkraftwerken des Landes gesucht werden soll.

Klar ist: Der Müll soll viele Meter unter der Erde vergraben werden, in Frage kommen Gesteinsformationen aus Salz, Ton oder Granit. Und, am wichtigsten: Auch Gorleben steht auf der Liste, jedenfalls theoretisch. Und das ist hoch brisant.

Gorleben - Synonym für den Kampf gegen Kernkraft

Gorleben, der kleine Ort nahe der Elbe in Ostniedersachsen, ist bekannt für seinen Widerstand gegen Kernenergie in Deutschland. Vor vielen Jahrzehnten plante die damalige Regierung, dort ein zentrales Lager für die strahlenden Abfälle aus den Atomkraftwerken der alten Bundesrepublik zu bauen. Doch daraus wurde nichts. Stattdessen wurde Gorleben zum Ort unzähliger Demonstrationen, oft auch gewaltsamer. Was aber gebaut wurde, war ein Erkundungsbergwerk, das nur den einen Sinn hat, herauszufinden, ob der Salzstock unter Gorleben als Atomlager taugt. Und ein Zwischenlager gibt es, oben, über Tage also.

Jahrelang ging der Streit: Wird in Gorleben das Endlager nun gebaut oder nicht? Die Kernkraftgegner und die Bürgerinitiativen vor Ort waren dagegen, allein schon, weil sie nach vielen Jahren des Kampfes einen Erfolg für sich verbuchen wollten. Bei den Parteien waren CDU/CSU und FDP eher für Gorleben, SPD und Grüne skeptisch bis ablehnend.

Dann, vor einigen Jahren der Kompromiss: Alles zurück auf Start, lautete die Überschrift, es wird an mehreren Orten gesucht, das kann auch Gorleben heißen, muss es aber nicht. Und vor zwei Jahren wurde dann die Kommission mit dem ehemaligen Umweltstaatssekretär Michael Müller an der Spitze gegründet, die eigentlich nur Kriterien für ein Endlager erarbeiten soll.

Bis Ende Juni, also in wenigen Wochen, soll nun ein Abschlussbericht vorliegen. Daher Müllers Vorstoß: Gorleben, so der langjährige Umweltstaatssekretär, sei das größte Hindernis für eine Einigung, immer noch. Es sei also besser, den Ort von vornherein aus der Standortsuche herauszunehmen.

Michael Müller
Lieber gleich auf Gorleben verzichten? Michael Müller bricht neuen Streit vom ZaunBild: cc-by/JCS

Hendricks hält dagegen: "Der große Fehler der Vergangenheit war, dass Gorleben ohne einen fairen und wissenschaftlichen Standort-Vergleich zum Endlager bestimmt werden sollte." Das habe die Endlagerdebatte über Jahrzehnte vergiftet, dieser Fehler dürfe sich nun nicht wiederholen.

Und: "Wenn jetzt ein Standort aus politischen Gründen ausgeschlossen würde, hätten wir das gleiche Problem: Jeder andere Standort könnte sich darauf berufen, dass es keinen fairen, unvoreingenommenen, wissenschaftsbasierten Vergleich gab", so die Ministerin. Denn fest steht: Freiwillig möchte keine Gemeinde den über Hunderttausende von Jahren strahlenden Müll bei sich aufnehmen.

In Betrieb wohl erst in 35 Jahren

Auch wenn der aktuelle Streit womöglich bald beigelegt werden könnte, wird die Endlagersuche noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Erst in 15 Jahren soll der endgültige Ort feststehen. Und bis das Lager in Betrieb geht, kann es nach Expertenschätzungen 2050 werden.

Bis dahin lagert der meiste Atommüll an den Standorten der Atomkraftwerke, die nach dem Ausstiegsbeschluss bis 2022 abgeschaltet werden sollen. Dort lagern sie oberirdisch, in Zwischenlagern. Und trotzdem ist Deutschland im internationalen Vergleich noch vergleichsweise schnell. Nirgends gibt es weltweit ein rechtlich genehmigtes Endlager, die meisten Länder mit Kernkraftwerken haben noch nicht einmal mit der Suche nach einem Standort begonnen.