Polit-Drama live im Fernsehen
12. November 2019Donald Trump ist sauer. Der US-Präsident steht im Zentrum der Anhörungen, die zu einem Amtsenthebungsverfahren führen könnten. Bisher fanden diese Anhörungen hinter geschlossenen Türen statt, aber ab Mittwoch werden die Zeugen vor TV-Kameras aussagen. Und das gefällt dem Präsidenten überhaupt nicht. "Sie sollten keine öffentlichen Anhörungen halten", sagte Trump zu Reportern am Freitag.
Schon früher mussten sich US-Präsidenten, die sich einer möglichen Amtsenthebung gegenübersahen, damit abfinden, dass die Öffentlichkeit Aussagen gegen sie live mitverfolgen konnte. In den Fällen von Richard Nixon und Bill Clinton kam es sowohl zu geschlossenen als auch zu öffentlichen Anhörungen. Der Vorgang, der jetzt am Mittwoch beginnt, ist also nichts Besonderes - zumindest im Vergleich zu vorigen Impeachment-Ermittlungen .
Und doch wird er das politische Washington einschneidend verändern: "Ich würde schon sagen, dass die kommenden Anhörungen außergewöhnlich sind", sagt Dr. Michael Cornfield, Politikwissenschaftler an der George Washington University. "Sie bringen alles andere zum Erliegen."
Für diese Woche sind drei Anhörungen geplant, zwei am Mittwoch und eine am Freitag. Wie es danach weitergeht, steht noch nicht fest. Sicher ist aber, dass der Vorgang wie ein schwarzes Loch alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Trotz der Live-Übertragung im Fernsehen glaubt Cornfield nicht, dass die Impeachment-Anhörungen in einer reinen Show-Veranstaltung enden werden, die nur dem Entertainment der Massen dient. "Die Leute wissen ja, um was es hier geht", sagt der Politologe. "Und die TV-Sender verzichten auf Werbung, außer in den Sitzungspausen. Das zeigt auch nochmal, was für eine ernste Angelegenheit das ist." Wenn selbst ein Sender wie CNN darauf verzichtet, seine Berichterstattung alle zehn Minuten mit Reklame zu unterbrechen, dann wissen die Amerikaner: Der Spaß ist vorbei.
Taylor, Kent, Yovanovitch: Kein gutes Wort für Trump
Los geht es am Mittwoch mit der Aussage von Bill Taylor, dem geschäftsführenden US-Botschafter in der Ukraine. Taylor übernahm die Botschaft in Kiew, nachdem seine Vorgängerin Marie Yovanovitch im Mai 2019 abberufen wurde. Der Termin am Mittwoch ist bereits Taylors zweite Aussage zu den Vorgängen der Ukraine-Affäre. Im Oktober hatte er vor dem Geheimdienstausschuss des Kongresses ausgesagt, dass die Trump-Regierung Militärhilfen für die Ukraine nur auszahlen wollte, wenn der ukrainische Präsident öffentlich Korruptionsermittlungen gegen den Sohn von Trump-Rivale Joe Biden verkündet. Genau diesen "quid-pro-quo"-Austausch bestreitet Trump bis heute.
Auch der hochrangige US-Diplomat George Kent wird am Mittwoch aussagen, und auch für ihn ist es das zweite Mal, dass er sich Fragen zur Ukraine-Affäre stellt. Kent hatte im vergangenen Monat hinter verschlossenen Türen schwere Vorwürfe gegen Rudy Giuliani, Trumps persönlichen Anwalt und heimlichen Außenminister, erhoben. Giuliani habe eine "Schmierenkampagne" gegen die bei Trump ungeliebte Botschafterin Yovanovitch geführt und durch monatelanges Lügen maßgeblich dazu beigetragen, dass sie von ihrem Posten abgezogen wurde. "Seine Behauptungen und Anschuldigungen gegen Yovanovitch waren unbegründet, falsch, Punkt", sagte Kent.
Yovanovitch selbst wird am Freitag öffentlich aussagen. In ihrer ersten Anhörung hatte sie gesagt, sie sei "geschockt" über die Kampagne gewesen, die Giuliani und andere Trump-Vertraute gegen sie geführt haben. Aus dem US-Außenministerium habe sie keinerlei Unterstützung erhalten. Und als sie den US-Botschafter bei der EU, Gordon Sondland, um Rat fragte, habe dieser ihr geraten, sie solle Trump bei Twitter loben. Das möge der Präsident. Aber selbst Trump-Unterstützer Sondland hat mittlerweile ausgesagt, dass es den umstrittenen "quid-pro-quo" Austausch gab. Er selbst habe einem Berater des ukrainischen Präsidenten mitgeteilt, US-amerikanische Militärhilfe würde erst wieder fließen, wenn Kiew öffentlich Ermittlungen gegen Biden verkünde.
Anhörungen schaden Trumps Wahlkampf
Wenn die öffentlichen Anhörungen am Mittwoch beginnen, wird Trump jede Menge Twitter-Lob brauchen. Cornfield sagt, dass Trump den Fakten, die durch alle bisherigen Anhörungen ans Licht gekommen sind, nicht entkommen könne. Dieser Effekt werde durch die öffentlichen Aussagen, die jeder US-Amerikaner am Fernseher mitverfolgen kann, nochmal verstärkt. "Jetzt kann er nur noch behaupten, dass seine Vergehen nicht schlimm genug für eine Amtsenthebung sind."
Der Politologe geht fest davon aus, dass sich die Anhörungen auch auf die Präsidentschaftswahl in einem Jahr auswirken. Entweder werde sich Trump mit unbedachten Äußerungen als Reaktion auf die Aussagen seiner Kritiker selbst schaden, so Cornfield, "oder er tritt noch vor der Wahl zurück."