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Impfstoff: Die EU will alle Register ziehen

10. April 2021

Der Start der Corona-Impfung in Europa verlief holprig, aber jetzt will die EU alle Hebel in Bewegung setzen und ihr Impfziel doch noch erreichen. Der Aufbau eigener Fabriken ist allerdings nicht so leicht.

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Niederlande Houten | Impfzentrum: Ältere Menschen erhalten astraZenica und BioNTech / Pfizer Impfstoff
Bild: Robin Utrecht/picture alliance

Die Europäische Union hat in den letzten Monaten einige Kritik für die schleppende Einführung des COVID-Impfstoffs in der Gemeinschaft einstecken müssen. Brüssel ist für die Aushandlung von Verträgen zur Beschaffung von Impfstoffen und für die Verteilung der Impfdosen an die 27 Mitgliedsstaaten verantwortlich.

Die Impfkampagne der EU hinkte lange hinter Ländern wie Großbritannien, den USA und erst recht Israel hinterher. Die Reaktion in der Öffentlichkeit: Bestürzung und wachsende Frustration. Bislang haben nur etwa 12,8 Prozent der EU-Bürger mindestens eine Impfung erhalten, in den USA sind es 31 Prozent und 46 Prozent in Großbritannien, so Zahlen von Our World in Data.

Die EU musste massive Lieferrückstände hinnehmen, seit die ersten Impfdosen Ende letzten Jahres ausgeliefert wurden. Mehr und mehr wurde die schleppende Verteilung zu einem großen politischen Problem.

Distribution und Verteilung des Corona Impfstoffs I  Mississippi
Verteilung von COVID-19-Impfstoff - in den USABild: Paul Sancya/REUTERS

Verzögerungen und Rückschläge wurden durch den anglo-schwedischen Pharmariesen AstraZeneca noch verschärft, der wiederholt die Lieferangaben für die Region herunterschraubte. Bisher hat das Unternehmen weniger als die Hälfte dessen geliefert, was ursprünglich zugesagt war. So hatte AstraZeneca zum Beispiel für März 30 Millionen Dosen versprochen, aber nur 17 Millionen geliefert.

"Genug Impfstoff" 

Der Schluckauf bei der Impfkampagne hat zunächst das Ziel der Europäischen Kommission in Frage gestellt, die bis zum Ende des Sommers mindestens 70 Prozent der gesamten erwachsenen Bevölkerung der Gemeinschaft impfen lassen will. Aber Brüssel rechnet für die Impfstoffproduktion mit einem starken zweiten Quartal, sodass die Zielmarke doch noch erreicht werden könne.

Mit rund 107 Millionen Dosen, die bereits verteilt wurden, und bis zu 360 Millionen, die für die nächsten drei Monate veranschlagt seien, sieht die EU ihre Vorgabe in Reichweite: "Wir glauben, dass wir auf dieser Basis genügend Impfdosen haben werden, um unsere überaus wichtige Zielmarke zu erreichen", sagte der Sprecher der EU-Kommission, Stefan De Keersmaecker, der Nachrichtenagentur Associated Press: "Etwa 70 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, das würde uns in eine Situation bringen, in der wir eine ausreichende Herdenimmunität für den Kampf gegen das Virus haben", so De Keersmaecker.

Infografik Impstoffe Lieferungen EU 2. Quartal DE

Mehr Produktionsstandorte in der EU...

Um die Produktion in der EU hochzufahren, hat die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) kürzlich neue Produktionsstätten von BioNTech-Pfizer, Moderna und AstraZeneca genehmigt. Die in Amsterdam ansässige Agentur, Europas oberste Aufsichtsbehörde für Arzneimittel, gab grünes Licht für Standorte in den Niederlanden, Deutschland und der Schweiz.

Im niederländischen Leiden soll der Wirkstoff für das Vakzin von AstraZeneca hergestellt, in Marburg in Deutschland der Impfstoff von BioNTech-Pfizer produziert werden. Ein Werk in Visp in der Schweiz liefert für Moderna. Die ersten Chargen des in Marburg hergestellten BioNTech-Pfizer-Impfstoffs sind für die zweite Aprilhälfte eingeplant. BioNTech will nach eigenen Angaben in der ersten Jahreshälfte bis zu 250 Millionen Dosen seines Impfstoffs an diesem Standort produzieren. Die EMA hat außerdem die Vorschriften gelockert, wie lange der BioNTech-Impfstoff bei sehr tiefen Temperaturen gelagert werden muss. Das könnte helfen, Produktion und Vertrieb des Impfstoffs in der EU beschleunigen.

Impfstoff Herstellung in Europa DE

... und die Herausforderungen 

Allerdings heißt es bei einigen Herstellern wie etwa CureVac, die Steigerung der Produktion in Europa berge große Herausforderungen. Firmenmitgründer Florian von der Mülbe sagte der Zeitung Rheinische Post, die globalen Lieferketten für die Herstellung von COVID-19-Impfstoffen seien durch US-Restriktionen unterbrochen worden. Das schaffe Probleme für Unternehmen, die die Produktion in Europa ausbauen wollten.

Von der Mülbe verwies darauf, dass Lieferanten in den Vereinigten Staaten nach dem dortigen Defense Production Act verpflichtet seien, zuerst den Bedarf des heimischen Marktes zu decken. "Die globalen Lieferketten sind gestört", sagte von der Mülbe, jetzt Produktionsleiter von CureVac. "Sei es bei Chemikalien, Geräten, Filtern oder Schläuchen: US-Hersteller sind verpflichtet, zuerst die amerikanische Nachfrage zu bedienen, und das bedeutet, dass wir auf der Liste nach unten rutschen."

Laut CureVac könnte der eigene mRNA-basierte Impfstoff in diesem Quartal eine europäische Notzulassung erhalten. Die Firma bestätigte eine Prognose, nach der in diesem Jahr 300 Millionen Dosen produzieren werden sollen.

Verschärfte Exportbeschränkungen

Um die eigene Versorgung zu verbessern, hat nun auch die EU die Exportkontrollen für Corona-Impfstoffe verschärft. So hat die EU nun mehr Möglichkeiten, Lieferungen in Länder mit höheren Impfraten wie Großbritannien zu blockieren oder in Länder, die von ihnen produzierten Dosen nicht auch an andere weitergeben.

Coronavirus Chile | Pfizer Impfstoff aus Belgien eingetroffen
Impfstoff von BioNTech-Pfizer aus Belgien - trifft in Mexiko ein. Bild: Esteban Felix/AP/dpa/picture alliance

Allerdings gibt es Kritik an solchen Exportbeschränkungen. So sagte Rachel Silverman, Expertin für globale Gesundheitspolitik am Center for Global Development in Washington, kürzlich im Gespräch mit DW, Exportverbote seien aus mehreren Gründen "eine ziemlich schlechte Idee".

"Vor allem sind sie oft nicht wirklich effektiv, und sie könnten womöglich den Export dieses spezifischen Impfstoffs verhindern." Im Übrigen bringe es "diplomatische Vorteile", wenn man als ein Land gilt, das großzügig mit Impfstoff umgeht und teilt, sagt Silverman. "Länder auf der ganzen Welt sind dankbar für Länder, die großzügig sind - teilen und global denken, das schafft Glaubwürdigkeit."

Adaption aus dem Englischen: Andreas Rostek

Srinivas Mazumdaru Redakteur und Reporter für Asien und Wirtschaft