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In Cancun geht’s auch um die Wurst

Bernd Riegert5. September 2003

Für die Europäische Union geht es bei den kommenden WTO-Verhandlungen im mexikanischen Badeort Cancun um viel, um sehr viel. Um Kleinigkeiten - aber auch um das kulinarische Erbe der Menschheit.

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In einigen entlegenen Supermärkten Kanadas wird nämlich echter kanadischer Schinken als Parmaschinken feilgeboten. Nun ist Parma bekanntlich eine Fleischermetropole in Norditalien und als solche Teil der Europäischen Union. Deshalb wollen die Verhandlungsführer der EU in Cancun darauf bestehen, dass nur noch Parmaschinken aus Parma auch so heißen darf, auch in Kanada. Denn dort darf der Parmaschinken aus Parma nicht so genannt werden, weil ja der kanadische schon so heißt.

41 solcher Lebensmittel-Raubkopien haben die Kommissare der EU in aller Welt gefunden und auf ihre Verhandlungsliste geschrieben. Dieser Schweinerei, es geht schließlich auch um Mortadella aus Bologna, soll nun endlich Einhalt geboten werden. Die EU-Kommission gibt sich kämpferisch und sucht Verbündete auf diesem - so wörtlich- Schlachtfeld in Cancun. Indien könnte sich zum Beispiel seinen Darjeeling-Tee schützen lassen und die Schweiz ihren Käse aus Etivaz. In einem weltweiten WTO-Register sollen die Herkunftsbezeichnungen geschützt werden. Das kulinarische Erbe der Menschheit soll bewahrt werden.

Krone deutscher Esskultur

Und nun fragt man sich unwillkürlich, welche deutschen Einmaligkeiten denn auf der Liste stehen? Nur die Liebfrauenmilch, ein Weißwein, und andere Weine von Rhein und Mosel haben es auf die Kampfliste der EU-Kommission geschafft. Was aber ist zum Beispiel mit der Thüringer Rostbratwurst, der Krone deutscher Esskultur? Nur wo Thüringen drauf steht, soll auch Thüringen drin sein.

Das wollen die Metzger aus Mitteldeutschland schon lange durchsetzen. Seit mehreren Jahren kämpfen sie mit Hilfe einer belgischen Anwaltskanzlei darum, dass die Rostbratwurst aus Thüringen zumindest in Europa geschützt wird. Anfang des Jahres sah es auch sehr gut aus, doch dann funkten Mitbewerber mit Klagen dazwischen. Die EU-Maschinerie ringt seitdem mit sich, ob die Thüringer Rostbratwurst in den Olymp der zumindest innerhalb der EU unantastbaren Regionalprodukte aufgenommen werden kann. Diese EU-interne Liste umfasst schon über 500 Produkte.

Liebfrauenmilch gegen den Rest der Welt?

Bis all diese Schinken, Weine, Pilze, Schnäpse, Käse auch in der ganzen Welt nicht nachgemacht werden dürfen, also von der WTO geschützt werden, dürften noch Jahrzehnte vergehen. Jetzt geht es erst einmal mit 41 Produkten in Cancun los. Da jede WTO -Runde sechs Jahre dauern kann, macht das bei 40 Produkten pro Runde, und 500 zu schützenden Objekten - nach Adam Riese, einem im Sinn - rund 70 Jahre. Und die Thüringer Rostbratwurst ist noch gar nicht dabei.

Die USA, Kanada, Australien und Neuseeland haben vorsorglich - wie bei jedem Vorschlag der EU - erst einmal harten Widerstand angekündigt. Könnte die Liebfrauenmilch also am Ende die ganze WTO-Runde gefährden? Oder bestehen die USA vielleicht im Gegenzug darauf, dass der Hamburger, die in New York erfunden wurden, nur so heißen darf, wenn er aus New York und nicht etwa, wenn er aus Hamburg kommt. Es lebe die Globalisierung!