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Politik

Die Sorgen vor dem Tag danach wachsen

27. November 2018

Überfüllte Hallen, Rekordzahlen beim Livestream im Netz - die Regionalkonferenzen der CDU für den Parteivorsitz euphorisieren die Partei. Aber die Mahnungen zur Geschlossenheit nach der Entscheidung werden lauter.

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CDU-Regionalkonferenz
Bild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

Gleich zu Beginn spricht Thomas Strobl (im Bild oben) das Thema mahnend an. "Lasst uns bitte alle daran denken, und zwar immer: Nach dem 7. Dezember kommt der 8. Dezember. Am Tag nach der Wahl des oder der Bundesvorsitzenden krempeln wir alle die Ärmel hoch. Und zwar alle gemeinsam."

Da benennt Strobl, CDU-Vorsitzender in Baden-Württemberg, am Dienstagabend die Angst vor dem Tag danach. In Böblingen beginnt der zweite Block der insgesamt acht Regionalkonferenzen, bei denen sich die drei Kandidaten für die Nachfolge von Angela Merkel als Parteivorsitzende der Basis vorstellen. Die Partei schier euphorisiert, berauscht von der Stimmung dieses Prozesses. Immer volle Säle - in Böblingen reichten knapp 2000 Sitzplätze nicht. Hunderte drängten sich drei Stunden an den Rändern der Halle und im Foyer. Und die Moderatorin verkündet stolz, die ersten vier Konferenzen seien im Livestream der CDU von insgesamt 180.000 Zuschauern verfolgt worden. Solche Zahlen kennt die Partei nicht. Überhaupt nicht. Plötzlich macht sie ihr eigenes Fernsehen.

CDU-Regionalkonferenz
Die Besucher der CDU-Regionalkonferenz in Böblingen lauschen Jens SpahnBild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

"Klasse" und "stolz"

Und da sind die drei prominenten Kandidaten, die bei den acht Konferenzen binnen 16 Tagen gemeinsam 24 Stunden auf den Bühnen stehen. Jeder auf seine Art, alle drei mit Elan. Annegret Kramp-Karrenbauer (56), Friedrich Merz (63), Jens Spahn (38). "Ich find‘s ganz klasse, dass wir als Mitglieder diese Auswahl haben", beginnt in Böblingen eine Frau ihre Frage. Der Grundton bleibt seit dem Auftakt in Lübeck. Einige sagen, sie seien nach vielen Jahren endlich wieder "stolz" auf ihre Partei. Andere spötteln (an diesem Abend auch in tiefstem Schwäbisch), die CDU habe drei veritable Kandidaten, die SPD keinen anderen mehr.

"In zehn Tagen um diese Zeit sind die Würfel gefallen", sagt Merz zu Beginn seiner zehnminütigen Rede. Dann hat - am 7. Dezember - der Bundesparteitag in Hamburg entschieden. Und wieder beginnt er mit "liebe Annegret, lieber Jens". Die drei duzen einander mittlerweile, sie nehmen außer den großen Konferenzen noch zahlreiche andere Termine gemeinsam war. So waren sie am Nachmittag gemeinsam bei der CDU-Fraktion im Stuttgarter Landtag.

Asyl und AfD

Aber seit der dritten Konferenz im thüringischen Seebach kocht die Konkurrenz hoch. Da hatte Merz kurz vor Ende des Abends recht offensiv das deutsche Asylrecht infrage gestellt. Und bald folgte auch der Vorwurf, die CDU habe den Aufstieg der rechtspopulistischen AfD "mit einem Achselzucken hingenommen". Über das Wochenende setzten die beiden anderen deutliche Worte dagegen. Schon bei früherer Gelegenheit hatte Spahn mal salopp zu Merz gesagt, wer nun die Flüchtlingspolitik seit 2015 kritisiere, hätte damals ja schon mitdiskutieren können. Da war der Vorsatz dahin, den Merz zum Auftakt in Lübeck verkündet hatte: "Wir haben verabredet, dass wir nur gut übereinander reden."

Schon in Lübeck hatte Schleswig-Holsteins CDU-Chef, Ministerpräsident Daniel Günther, ähnlich wie nun Strobl gemahnt: "Ganz egal, wer am Ende gewinnt - wir brauchen euch am Ende alle drei in verantwortungsvollen Funktionen." Aber durch diese Rechnung hat Kramp-Karrenbauer bereits einen Strich gemacht. Sie werde sich, verkündete sie mehrfach öffentlich, im Falle eines Scheiterns nur noch ehrenamtlich engagieren.

CDU-Regionalkonferenz
Friedrich Merz (l.), Annegret Kramp-Karrenbauer und Jens Spahn in BöblingenBild: picture-alliance/dpa/C. Schmidt

In alter Liebe neu entflammt

Ob das reicht? Eine Basis, die in zum Teil alter Parteiliebe neu entflammt. Gerhard Bihr aus Abtsgmünd wird vor Weihnachten 70 und ist seit über 30 Jahren in der CDU. Immer mal wieder stand er während der drei Stunden auf, klatschend vor Begeisterung. Auf der Anreise im Bus kreuzte er auf einen Fragebogen an, AKK - wie die Generalsekretärin oft genannt wird - zu favorisieren. Auf der Rückfahrt will er eher zu Jens Spahn tendieren. Aber er sagt im Rausgehen einen Satz, den gewiss nicht wenige teilen: "Wichtig ist, wenn einer von den dreien gewählt wird, dass die beiden anderen in die Regierung kommen."

Solcher Schwung kann, wenn er es nach Hamburg schafft und darüber hinaus, für Elan, aber auch für Spannungen sorgen. Es gibt am Rande der Regionalkonferenzen den Ruf nach mehr Mitgliederbefragungen. Mal wirbt AKK für ein Werkstatt-Format der Partei, mal Merz. Aber alle drei werden ab dem Tag nach der Wahl eine eigene Basis in der Partei haben.

In Böblingen gehen die drei Stunden zu Ende. Strobl dankt den Zuhörern, dann dankt er den Dreien für ihren Auftritt. Da hebt Beifall an, zuerst stehen einige auf, dann alle. Und am Schluss klatschen sie rhythmisch, als hätte gerade der VfB Stuttgart die Konkurrenz von Bayern München besiegt. Die CDU bewegt in wichtigen Wochen. Was immer danach passiert.