In Libyen Kriegsverbrechen auf allen Seiten
25. Februar 2016"Einer Vielzahl an Akteuren - sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen - werden schwerwiegende Verletzungen und Missbrauch vorgeworfen, die in vielen Fällen auf Kriegsverbrechen hinauslaufen", bilanzierte der Hochkommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein (Artikelfoto). Die Weltgemeinschaft müsse sich dafür stark machen, die Täter zur Verantwortung zu ziehen und vor dem Internationalen Strafgerichtshof anzuklagen.
Bei der Vorlage des jüngsten Libyen-Reports der UN in Genf beklagte al-Hussein ein systematisches Versagen des Justizsystems in dem Land, dessen Staatsapparat in den Bürgerkriegswirren weitgehend zerfallen ist. Seit 2014 seien viele Richter und Staatsanwälte Opfer von Morden, Bombenangriffen, Überfällen und Entführungen geworden, so der UN-Funktionär. "In Abwesenheit eines umfassenden Schutzes kann die Justiz nicht für Gerechtigkeit sorgen", heißt es in dem Bericht.
Auf 95 Seiten, basierend auf Interviews mit 250 Opfern und Zeugen sowie 900 Einzelberichten, werden Terror, Gewalt, Grausamkeiten und Willkürakte der vergangenen beiden Jahre in dem nordafrikanischen Land aufgeführt, das nach dem Sturz der Diktatur von Muammar al-Gaddafi 2011 in tiefes Chaos gefallen ist.
Augenzeugen warfen sowohl bewaffneten Milizen als auch der libyschen Armee vor, Gefangene gefoltert und getötet zu haben. Die sechs Menschenrechtsexperten sammelten im Auftrag der UN Beweise unter anderem über die Hinrichtungen Gefangener, die Ermordung prominenter Frauenrechtlerinnen, willkürliche Verhaftungen und tödliche Folter in Staatseinrichtungen sowie wahllose Anschläge und Überfälle auf Zivilisten und Wohngebiete.
Blutige Machtkämpfe zwischen Rebellengruppen, Stämmen und Parteien schufen Platz für die Ausbreitung der Terrormilizen des sogenannten "Islamischen Staats" (IS). Und dessen Legionäre rekrutieren laut UN-Report auch immer mehr Kinder. Diese hätten religiöse und militärische Trainings absolvieren und Videos von Enthauptungen ansehen müssen. Es soll auch zu sexuellem Missbrauch gekommen sein, berichteten die Ermittler der Vereinten Nationen.
SC/kle (rtre, APE, afp, dpa)