In Somalia formiert sich neues Terror-Netzwerk
29. Juli 2005Es klang ein wenig Verzweiflung durch: Der Präsident von Somalia, Abdullahi Yusuf, rief die Milizen im Land auf, sich den Sicherheitskräften der Regierung anzuschließen. Dabei sind es die Milizen, derentwegen sich Yusuf nicht in die Hauptstadt Mogadischu traut, sondern lange in Puntland blieb, einer vergleichsweise friedlichen Region im Norden, in der er seine Machtbasis hat. Als er am 25. Juli 2005 von Puntland in die Stadt Dschauhar, die 90 Kilometer nördlich von Mogadischu liegt, umzog, warfen die Reaktionen noch eine weitere Frage auf: Von welcher Regierung ist hier eigentlich die Rede?
Drohung an den Präsidenten
Der Sicherheitsminister Mohamed Qanyare, ein ehemaliger Warlord, erklärte, der Umzug Yusufs sei "völlig illegal und falsch." Damit gab er die Meinung von rund 100 der insgesamt 275 Abgeordneten wieder, die auf Mogadischu als Regierungssitz bestehen. Sie verweisen dabei auf das Abkommen, mit dem 2004 unter massivem internationalen Druck im benachbarten Kenia eine Exilregierung gebildet worden war, die erst Anfang des Jahres nach Somalia zog. Präsident Yusuf verzichtete darauf, seine eigenen Milizen mit nach Dschauhar zu nehmen - Kriegsfürsten in Mogadischu, darunter auch Regierungsmitglieder, hatten gedroht, den Ort in diesem Fall anzugreifen.
"Schmutziger Krieg"
"Um die Spaltung der Regierung zu überwinden, ist starker internationaler Druck notwendig", glaubt Matt Bryden, Sprecher der internationalen Rechercheorganisation Crisis Group in Ostafrika. "Die Seiten müssen schnell begreifen, dass sie die nächste in einer langen Reihe von gescheiterten somalischen Regierungen sein könnten." Stabilität in Somalia sei nicht nur für die Bevölkerung im Land wichtig, sondern auch für die anderer Staaten.
Denn, so warnt ein im Juli veröffentlichter Bericht der Crisis Group: "Die Bedrohung durch Dschihad-Terrorismus in und aus Somalia ist real." Nachdem schon in den 1990er Jahren islamistische Bestrebungen in dem Land existiert hätten, habe 2003 der Aufstieg eines "neuen, rücksichtslosen, unabhängigen Dschihad-Netzwerks mit Verbindungen zu El-Kaida" begonnen. Die Gruppe, deren Führer in Afghanistan ausgebildet worden sei, habe ihre Existenz mit der Ermordung von vier ausländischen Entwicklungshelfern bekannt gemacht.
In der Folge habe ein "schmutziger Krieg" begonnen, an dem Dschihadisten, äthiopische Geheimdienste, und von den USA und anderen westlichen Staaten aufgebaute Anti-Terror-Netzwerke beteiligt seien. "Dazu gehören ehemalige Militär- und Geheimdienstoffiziere, die im Auftrag verschiedener Geheimdienste Informationen sammeln", sagt Bryden. Ein Dutzend Dschihadisten seien so festgenommen oder getötet worden, darunter ein führendes El-Kaida-Mitglied. Die militanten Islamisten hätten ihrerseits mindestens zwölf Mitglieder der Anti-Terror-Einheiten getötet.
Intervention keine Lösung
Eine lediglich sicherheitspolitische Herangehensweise an das Problem könne keinen Erfolg haben, sagt Bryden. Eine Intervention etwa könne die Situation unter Umständen überkochen lassen. Der Bericht der Crisis Group kommt zu dem Schluss: "Letztendlich kann die Bedrohung durch Dschihad-Terrorismus aus Somalia nur durch die Wiederherstellung einer stabilen, legitimen und funktionierende Regierung abgewendet werden."
Dies habe jedoch geringe Aussichten, glaubt Mattias Weber. "Es gibt seit Jahren Friedensverhandlungen. Durch den Bürgerkrieg gibt es aber sehr viele Profiteure, die als sehr starke Kräfte gegen eine Stabilisierung wirken", sagt der Autor des in diesem Jahr erschienen Buches "Kein Frieden für Somalia?". Es sei allenfalls eine sehr lockere, föderale Struktur denkbar, in der die Clangebiete ihre Autonomie behalten.
"Eine Intervention würde auf jeden Fall nach hinten losgehen", vermutet auch Weber. Dies hätten die US-Invasion von 1993 und der nachfolgende UNO-Einsatz gezeigt: "Bei einem Angriff gehen verfeindete Clans gemeinsam gegen den äußeren Feind vor." Nachdem 1993 die Bilder um die Welt gingen, in denen die nackten Leichen zweier US-Soldaten durch Mogadischu geschleift wurden, zogen die US-Truppen ab. Auch die UNO musste ihren Blauhelm-Einsatz zwei Jahre später erfolglos beenden.