In Thailand mit den "Arschgesichtern"
8. September 2015Tatort: Ein thailändischer Traumstrand. Im rosa Bikini sitzen zwei pubertierende Schuljungs auf dem Rücken zweier Elefanten und plappern, singen, lallen - völlig zugekifft - sinnentfremdeten Nonsens. Ihr Lehrer Zeki Müller (Elyas M'Barek) verdreht die Augen - er ist Leid gewohnt. Die Szene beschreibt die Stimmung in Bora Dagtekins Film ziemlich gut. Zwar ist nicht alles sinnentfremdeter Nonsens - aber doch das meiste. Der ist dann aber zum großen Teil ziemlich gelungen und kurzweilig in Szene gesetzt (wenn man Gossensprache, exzessiven Musikeinsatz und einen Elyas M'Barek mag, der in Slow Motion seinen ansehnlichen Oberkörper entblößt, um ihn heldenhaft ins Meer zu stürzen).
"Halt die Fresse, Chantal!"
Das Staraufgebot ist im Großen und Ganzen dasselbe wie im ersten Teil - und auch an der Rollenverteilung hat sich wenig verändert: Chemielehrerin Ingrid Leimbach-Knorr (mit Selbstironie gespielt von Uschi Glas) sprengt sich nach einem Anschlag der Schüler fast selbst in die Luft. Der hauptberufliche Ganove und Teilzeit-Haudrauf-Lehrer Zeki Müller (Elyas M'Barek) weiß sich besser zu wehren - und genau das verschafft ihm Respekt bei den "Arschgesichtern" und "Pubertäts-Rentnern", wie er sie nennt. Statt "Sei bitte ruhig" bekommt Oberproletin Chantal (Jella Haase) ein "Halt die Fresse" auf die Ohren. Zeki spricht die Sprache seiner Rabauken, weil er selbst mal einer von ihnen war und ihre Sorgen kennt, so die simple Aussage des Films. Frau Gerster, die Direktorin der Goethe-Gesamtschule (großartig gespielt von Katja Riemann) weiß die Qualitäten des 10b-Dompteurs zu schätzen: "Da sieht man mal, was aus einem Problemschüler werden kann, wenn er auf die richtige Schule geht." Deshalb hat sie ihrem besten Mann sämtliche Unterlagen gefälscht, die der für sein falsches Lehrer-Dasein braucht. Trotzdem will Zeki den (unfreiwilligen) Job kündigen: Das frühe Aufstehen ist nicht sein Ding, Korrigieren findet er doof - und wer ist überhaupt Faust? Doch aus der Rückkehr zum alten Leben wird (mal wieder) nichts...
Blöderweise gelangt ein Teil der Diamanten (die Beute eines Raubzuges, wegen der Zeki in Teil 1 überhaupt an der Schule gelandet war) in ein thailändisches Kaff - im Bauch des Schulmaskottchens, als Stofftier-Spende für die Partnerschule des verfeindeten elitären Schiller-Gymnasiums. Um die Beute zurückzubekommen, beschließt Zeki kurzerhand, seine "Schwachmaten" auf Klassenfahrt nach Thailand zu begleiten - zusammen mit Frau "Lisi" Schnabelstedt (Karoline Herfurth), mit der er im ersten Teil angebandelt hat und seitdem zusammen ist. Direktorin Gerster will dem Schiller-Gymnasium die thailändische Partnerschule abluchsen, um so das Aushängeschild einer Kampagne des Bildungsministeriums zu werden.
Fachpersonal für soziale Inkompetenz
Es kommt dann, wie es in so einem Film kommen muss: Die Klasse schmuggelt der überkorrekten Frau Schnabelstedt eine Art Handgranate ins Handgepäck - sie muss am Flughafen zurückbleiben und Zeki ist plötzlich allein mit dem minderjährigen Expertenhaufen für soziale Inkompetenz. Mit seiner ihm eigenen Mischung aus Macho-Gehabe, Ironie und Glück des Tüchtigen gelingt es ihm in den knapp 120 Minuten das ein ums andere Mal, sich und seine Horde am Leben zu erhalten. Was bei deren Grundgesetz "Feiern, Saufen, Anarchie" keine einfache Aufgabe ist. "Gibt es hier Mörder oder sowas?", fragt Schülerin Zeynep (Gizem Emre) Zeki bei der Nachtwanderung. Seine Antwort: "Ich hoffe."
Spätestens als "Danger" (Max von der Groeben) und Chantal mit einem Schnellboot gegen eine Felswand rasen und es zur Explosion bringen (kleine Randnotiz: Zeki hängt in seinem Fallschirm an dem Boot fest und bei der Aktion gehen seine Diamanten verloren), ist seine Geduld arg überstrapaziert. Wenig später wirft ihm dann auch noch ein Affe eine Kokosnuss an den Kopf - und Zeki treibt besinnungslos auf einen reißenden Wasserfall zu, auf den der Fluss, auf dem er schwimmt, natürlich hinführt…
Was der Film kann: Sehr gut unterhalten und in zuverlässiger Regelmäßigkeit herzhafte Lacher erzeugen. Zum Beispiel, wenn die Goethe-Rabauken eine der Schiller-Streberinnen entführen und mit der Waterboarding-Methode deren Smartphone foltern. Was der Film (in seltenen Momenten) auch kann: Für einen kurzen Moment zum Nachdenken anregen. Zum Beispiel, wenn Danger und Burak (in Erinnerung an die Tsunami-Katastrophe in Thailand) ein Boot entdecken, das in schwindelnder Höhe in den Palmen hängt - und tatsächlich mal, für wenige Augenblicke beeindruckt, die Klappe halten. Was "Fuck Ju Göhte 2" nicht kann: Sämtliche Probleme unseres Bildungssystems sowie sozial schwacher Familien lösen. Das will er ja auch gar nicht. Trotzdem sind die skizzierten Lösungsansätze, die im Film natürlich alle prima funktionieren, dann doch manchmal ein bisschen zu viel des Guten.
"Asperger, 11 Prozent" – "Vodka, 40 Prozent"
"Wisst ihr, wie es ist, keine Eltern zu haben?", fragt Zeki seine Bande. Antwort: "Leider nicht." Später kassiert der Lehrer die Handys seiner Schüler ein und schickt an sämtliche Eltern SMS, in denen die Töchter und Söhne ihren Erziehungsberechtigten gestehen, dass sie sie ja eigentlich doch ganz nett finden. Am Ende haben sich dann (fast) alle wieder lieb. Selbst Etienne (Lucas Reiber) bekommt seine Probleme in den Griff. Der Junge mit Asperger-Syndrom ist der Quotenschüler, durch den sich die Goethe-Schule den Stempel "Inklusionsschule" geben darf. Während sich der Rest der 10b im Strip-Club Tischtennis-Bälle in alle denkbaren Körperöffnungen steckt, lernt "Herr der Ringe"-Fan Etienne die Sprache der Elben. Seinen Hinweis "Ich hab Asperger, 11 Prozent" beantwortet Chantal treffsicher: "Ich hab Vodka, 40 Prozent."
Für die halbstarken Superchaoten der 10b ist Zeki der Superlehrer, obwohl - oder gerade weil er eigentlich gar keiner sein will. Er wird immer mehr zu einer Art Heilsbringer, dem am Ende so ziemlich alles gelingt. Und genau das nervt ein wenig. Genauso wie das bewusst übertriebene Asideutsch der 10b: "Wer ist eigentlich dieser Reclam?", fragt sich Chantal bei der Faust-Lektüre im bekannten gelben Heftchen. Über derart schlechte Witze kann man hinwegsehen. Unverzeihlich ist allerdings das unverschämt offene Product Placement im Film: Eine Bande thailändischer Aussteigerkids, die ihre Eltern beim Tsunami verloren haben, hilft Zeki beim Tauchen nach den Diamanten. Als Belohnung fordern sie dafür Fastfood-Gutscheine - als hätten sie sonst keine Sorgen. Später sitzen alle fröhlich und zufrieden bei "McDive" am Strand.
Aber was soll's: Wer "Fack Ju Göhte" mochte, wird auch "Fack Ju Tuu" mögen, so viel ist sicher. Dabei ist es dann auch ziemlich egal - und das ist eine bemerkenswerte Leistung der Filmemacher - ob man nun auf der Goethe-Gesamtschule oder auf dem Schiller-Gymnasium war.