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"In Tschetschenien ist man überzeugt, dass Feldkommandeure entweder Agenten des Mossad, der CIA oder eines anderen Geheimdienstes sind"

15. Februar 2002

– "Stimme Russlands" wirft USA "doppelte Standards" bei der Einschätzung der Ereignisse im Kaukasus und in Afghanistan vor

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Moskau, 14.2.2002, STIMME RUSSLANDS, deutsch

Die Vertreter des regionalen operativen Stabs der russischen Streitkräfte im Nordkaukasus haben in einer an die USA gerichteten harten Erklärung Washington vorgeworfen, bei der Einschätzung der Ereignisse im Kaukasus und in Afghanistan "doppelte Standards" zu gebrauchen. Ein Kommentar von Jurij Igrinjow:

Das ist eher die Feststellung einer Tatsache als ein Vorwurf. In einer normalen Gesellschaft ist es ganz selbstverständlich, wenn sich derjenige, den ein Vorwurf trifft, zu rechtfertigen sucht, oder aber Derartiges künftig zu vermeiden sucht, wenn ihm die Verwerflichkeit seines Handelns bewusst ist. Hier haben wir es jedoch mit einem pathologischen Fall zu tun. Der Regierung der USA wird vorgeworfen, "doppelte Standards" zu gebrauchen und Verbrechen in Tschetschenien provoziert zu haben, doch diese Regierung gibt sich nicht einmal den Anschein, gekränkt zu sein.

Das kann nur einen Grund haben: In Washington ist man im Wesentlichen mit diesen Vorwürfen einverstanden. Um so mehr, als man dort darüber informiert ist, dass die russischen Geheimdienste mehrere Beweise erhalten haben, dass selbst nach dem 11. September Amerikaner mit der Al-Kaida zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit läßt auch Rückschlüsse auf Ereignisse in Tschetschenien zu. Die Fakten lieferten die Amerikaner selbst sowie ihre Schützlinge aus der Al-Kaida, welche von Instrukteuren der CIA in Afghanistan und Pakistan geschaffen wurde und mit Geldern der USA und ihrer Partner in Europa sowie mit Geldern einiger arabischer Staaten finanziert wird.

So wurde Ende Dezember 2001 eine Kämpfergruppe der Al-Kaida nach Tschetschenien geschickt. Die Mitglieder dieser Gruppe nehmen heute an Überfällen auf russische Militärangehörige, auf tschetschenische Milizionäre und auf die Zivilbevölkerung Tschetscheniens teil. Auf Anweisung der CIA-Offiziere hatte Aiman Sawahiri diese Gruppe für die Entsendung aus Afghanistan nach Tschetschenien vorbereitet. Sawahiri ist in der Al-Kaida als die zweite Person nach Osama bin Laden bekannt. Ihre Instruktionen vor der Einschleusung auf russisches Territorium erhielten die Kämpfer auf einem Stützpunkt bei Kandahar von Amerikanern.

Vor zwei Wochen sind Aufklärer des Föderalen Sicherheitsdienstes Russlands tschetschenischer Nationalität in den Besitz von Dokumenten gelangt, dass 1997 Maschadow im Wahlkampf um das Amt des Präsidenten Tschetscheniens mit Geldern unterstützt wurde, welche die CIA der USA kontrollierte. Aus den Finanzunterlagen geht hervor, dass Maschadow und auch die CIA-Kreatur Chattab ihr Geld aus ein und derselben Quelle beziehen. Demnach haben sie ein und dieselben Geldgeber und damit auch ein und dieselben Herren.

Auf die Verbindung der sogenannten "Kämpfer für die Unabhängigkeit Tschetscheniens" zu den westlichen Geheimdiensten hatte schon vor zwei Jahren der ehemalige Vorsitzende des Obersten Sowjets Russlands – der Tschetschene Ruslan Chasbulatow - verwiesen. Auf kaukasische Art hatte er es damals elegant vermieden, seine Informationsquelle zu nennen. In einem Interview sagte er folgendes: "Auf den Basaren in Tschetschenien ist man überzeugt, dass all diese Feldkommandeure entweder Agenten des Mossad, der CIA oder eines anderen Geheimdienstes sind. Das betrifft auch Chattab, Bassajew und andere Banditen." Soweit das Zitat. Eine ähnliche Erklärung machte unlängst auch das Oberhaupt der tschetschenischen Administration Achmed Kadyrow - ein Mann, der in den tschetschenischen Angelegenheiten bestens informiert ist.

Tatsachen, die die Beteiligung der CIA an den Verbrechen der Kämpfer in Tschetschenien beweisen, gibt es mehr als genug. Jene, die das politische Orchester in den USA dirigieren, brauchen solche Leute wie Chattab, Maschadow und bin Laden. Man braucht sie auch gar nicht zu suchen. Über den Satellitenfunk stehen sie mit der CIA in ständigem Kontakt. Es ist ja nicht umsonst folgende Anekdote aufgetaucht: "Osama bin Laden kehrt nach Hause zurück, und seine Frau fragt ihn, wo er denn gewesen sei. Drauf hin wundert sich bin Laden und sagt: ‘Hat man mich etwa gesucht?‘"

Bezüglich der Außenpolitik der USA gebrauchte man in der Welt lange Zeit den Begriff der "doppelten Moral". Nun hat man darauf verzichtet, kann es doch gar keine doppelte Moral geben: Entweder gibt es sie, oder es gibt sie nicht. So ist es auch mit den "doppelten Standards". Die Drahtzieher in den USA kennen nur einen Standard: Länder, welche den USA nicht in den Kram passen, werden von ihnen in die Kategorie der sogenannten "Schurkenstaaten" eingestuft. Das Rezept, sie herauszufinden, ist dabei ganz leicht: "Wer nicht mit uns ist, der ist gegen uns." Kurz gesagt, man soll sich Washington unterordnen und keine eigene Meinung demonstrieren.

Vor kurzem hat die Führung des Iran nach einer Analyse der Politik der USA erklärt, Washington strebe aus zwei Gründen danach, einen Stützpunkt in Mittelasien zu schaffen. Erstens, um die Erdölgewinnung in dieser Region unter seine Kontrolle zu bekommen. Und zweitens, um dort seine militärische Präsenz zur Erzielung der Weltherrschaft zu festigen. Denselben Zielen dient auch die Begünstigung der Separatisten in Tschetschenien.

Die Reaktion der USA auf diese Äußerung ließ nicht lange auf sich warten. Gegen den Iran wurden Drohungen laut, militärische Gewalt gegen ihn zu gebrauchen. Die aus Moskau und einigen europäischen Hauptstädten daraufhin ertönenden Worte zum Schutz des Iran haben Washingtons Leidenschaften etwas gedämpft. Dieser Umstand wurde von den vernünftig denkenden Politikern in den Vereinigten Staaten selbst mit Genugtuung aufgenommen.

Man kann sich nur wünschen, dass der gesunde Menschenverstand, die Aufrichtigkeit und der politische Mut in den internationalen Angelegenheiten die Oberhand über Hitzköpfigkeit und Egoismus gewinnen. Vor allem gilt das für die Spannungsherde. Egal ob in Afghanistan, Palästina oder Tschetschenien. Diejenigen, welche Gewalt fördern, werden früher oder später selbst der Gewalt zum Opfer fallen. (lr)