Indananda: "Leihmütter werden nicht kriminalisiert"
17. August 2014Gammy machte den Anfang: Der Fall des Babys, das mit Down Syndrom zur Welt kam und von seinen biologischen Eltern in Thailand zurückgelassen wurde, lenkte die internationale Aufmerksamkeit auf das bislang unregulierte Geschäft mit Leihmutterschaften in Thailand. Kurz darauf wurde ein anderer Fall bekannt, der die düsteren Seiten der Industrie offenlegte: Neun Babys, die im selben Bangkoker Apartment lebten, waren von Leihmüttern zur Welt gebracht worden - hatten aber alle denselben Vater, einen Japaner.
Jetzt will die thailändische Regierung strikter gegen Leihmutterschaften vorgehen: Vier Paare - aus den USA und Australien - wurden bereits daran gehindert, das Land mit ihren Kindern, die thailändische Frauen geboren hatten, zu verlassen.
Der Chef der Rechtsabteilung im Ministerium für öffentliche Gesundheit, Chatree Pinyai, kündigte am Freitag an, dass bis Ende des Jahres ein Gesetz in Kraft treten werde, dass das Austragen fremder Babys einschränke. Nandana Indananda, Rechtsanwalt aus Bangkok, hat am Gesetzesentwurf mitgearbeitet. Die DW sprach mit ihm darüber, was die geplanten Regelungen für Ärzte, Mittelsmänner, Leihmütter und Paare bedeuten. Seine Aussagen sollten jedoch nicht als Rechtsberatung gesehen werden, betont Indananda.
Deutsche Welle: Wie wird das neue Gesetz Leihmutterschaften in Thailand ändern?
Nandana Indananda: Das Gesetz behandelt zwei Hauptthemen: Erstens, ob Leihmutterschaften erlaubt sein sollten und in welchem Ausmaß. Zweitens, wer als Eltern verstanden werden sollte von einem Kind, das durch eine Leihmutter zur Welt gebracht wurde. Das Gesetz verbietet ausdrücklich nicht jegliche Form von Leihmutterschaft. Vielmehr verbietet es bestimmte Aktivitäten derjenigen, die an der Leihmutterschaft beteiligt sind.
So darf ein Arzt oder eine Klinik keine Leihmutterschaft aus kommerziellen Gründen anbieten. Auch darf niemand eine Agentur für Leihmutterschaften aus kommerziellen Gründen einrichten oder betreiben. Und niemand darf Werbung für Leihmutterschaften machen, weder aus kommerziellen noch aus nicht-kommerziellen Gründen.
Worauf beruht diese Regelung?
Der Gesetzesentwurf beruht auf einer Bekanntmachung der thailändischen Ärztekammer aus dem Jahr 2001, in der die Qualität und die ethischen Standards von Leihmutterschaften festgelegt sind. Diese Bekanntmachung legt fest, dass - erstens - eine Leihmutter eine Blutsverwandte des Paares sein muss. Zweitens, dass der Arzt eines oder mehrere Eier von der Mutter und Spermien vom Vater nutzen muss und niemandem sonst. Und, drittens, dass es eindeutig sein muss, dass die Leihmutterschaft nur zu nicht-kommerziellen Zwecken durchgeführt wird.
Wenn eine dieser Bedingungen nicht erfüllt wird, muss der Arzt, der die Behandlung vornimmt, die Genehmigung des "Royal Thail College of Obstetricians and Gynecologists" einholen, eines Gremiums der Ärztekammer. Bislang ist das, soweit ich weiß, noch nie passiert - obwohl klar ist, dass fast alle Leihmutterschaften in Thailand diese Bedingungen nicht erfüllen.
Laut der derzeitigen Rechtslage wird die Frau als Mutter angesehen, die das Kind zur Welt bringt. Ein Paar, das also die Leihmutterschaft in Auftrag gibt, gilt nicht als rechtmäßige Eltern. Wird das Gesetz das ändern?
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass - wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind - das Paar als Eltern des Kindes anerkannt wird, selbst wenn sie sterben, bevor das Kind zur Welt kommt. Die Bedingungen dafür sind: Das Paar muss rechtmäßig verheiratet sein. So soll verhindert werden, dass ausländische Paare in Thailand die Elternschaft erhalten. Aber der Wortlaut scheint hier noch nicht eindeutig genug, denn es sagt nicht, dass die Heirat vor dem thailändischen Gesetz gültig sein muss. Zweite Bedingung: Ei oder Eier und Spermien müssen von den jeweiligen Partnern kommen, der Einsatz von Eiern der Leihmutter ist nicht erlaubt. Und, drittens, die Leihmutter muss bereits ein eigenes Kind zur Welt gebracht haben; wenn sie verheiratet ist, muss ihr Mann der Leihmutterschaft zustimmen. Somit ist es dann nicht notwendig, dass die Frau mit dem Paar blutsverwandt ist, wie es der medizinische Standard bislang erfordert.
Wird das Gesetz nur die kommerzielle Leihmutterschaft beschränken? Falls ja: Wie will die Regierung sicherstellen, dass für die Leihmutterschaft nicht bezahlt wird?
Der Gesetzesentwurf gestattet nur Zahlungen für die nötigen Auslagen. Es wird eine "Kommission für den Schutz des Kindes geboren durch Reproduktionsmedizin" eingerichtet, die festlegen darf, wie hoch die Summe für diese nötigen Auslagen ist und wie die Bedingungen der Zahlung lauten.
Es wird jedoch keinen Mechanismus geben, um den Missbrauch des Systems zu verhindern. Das Gesetz wird nicht das Paar oder die Leihmutter kriminalisieren, selbst wenn sie sich nicht nach den Vorgaben der Kommission richten.
Bislang konnten nur Ärzte und Krankenhausbesitzer rechtlich verfolgt werden. Wenn jetzt auch die Leihmütter unter das Gesetz fallen, werden dann nicht die verwundbarsten Menschen in dem Geschäft verfolgt?
Der Gesetzesentwurf sieht nicht vor, dass eine Leihmutter dafür rechtlich verfolgt wird, dass sie ein Kind aus kommerziellen Zwecken zur Welt bringt. Aber wenn sie für sich als Leihmutter Werbung macht, dann macht sie sich strafbar. Ähnlich sieht es mit dem Paar aus: Sie machen sich nicht strafbar dafür, dass sie eine Leihmutter beauftragen, wohl aber, wenn sie eine Anzeige aufgeben, dass sie eine Leihmutter suchen. Dem Entwurf zufolge ist die Strafe relativ streng: Für jeden, der dieses Gesetz bricht, ist eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren vorgesehen.
Gibt es Befürchtungen, dass der Schritt, kommerzielle Leihmutterschaften zu illegalisieren, zu unsicheren, nicht regulierten Praktiken führen könnte?
Ja. Deshalb verbietet der Gesetzesentwurf auch nicht alle Formen der kommerziellen Leihmutterschaft und kriminalisiert nicht alle Personen, die daran beteiligt sind. Allerdings ist klar: Ein Arzt oder eine Klinik darf eine Leihmutterschaft nicht aus kommerziellen Gründen betreiben. Es bleibt abzuwarten, ob das bedeutet, dass künftig nur weniger gute Ärzte und Kliniken Leihmutterschaften anbieten.
Was passiert mit den Eltern und den ungeborenen Babys, die derzeit mitten in der Leihmutterschaft stecken?
Der Gesetzesentwurf gilt rückwirkend: Demnach kann ein Paar, das ein Kind bekommt, bevor das Gesetz in Kraft tritt, einen richterlichen Sorgerechtsbescheid beantragen. Diese Bestimmung gilt auch, wenn das Paar nicht rechtmäßig verheiratet ist. Allerdings: Auch hier gilt, dass nicht klar ist, ob das auch für ausländische Paare zutrifft.
Nandana Indananda ist Partner bei der südostasiatischen Rechtsanwaltskanzlei Tilleke & Gibbins in Thailand.