Indiens Fußball will wachsen
17. November 2021Nachdem Indien im Oktober durch einen Sieg über Nepal zum achten Mal die Südasienmeisterschaft geholt hatte, schlug Cheftrainer Igor Stimac große Töne an. Es sei nicht mehr das Ziel, regionale Turniere zu gewinnen, sondern eine Kraft im asiatischen Fußball zu werden, betonte der 54-Jähtrige. Bisher ist das Indiens Fußball noch nicht, aber in den vergangenen zehn Jahren hat sich doch einiges getan.
In der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2022 belegte Indien in seiner Fünfergruppe den dritten Platz hinter Katar und Oman. Auch im Jugendbereich gibt es ermutigende Anzeichen: Die U23-Auswahl landete bei der Qualifikation zur Asienmeisterschaft im Oktober vor Oman und Kirgisistan. Auf Vereinsebene schaffte der Goa FC 2021 als erster Verein des Landes die Teilnahme an der Gruppenphase der AFC Champions League, wo man als Dritter ausschied.
"Indien hat in den letzten fünf Jahren große Fortschritte gemacht", sagte Parth Jindal, Geschäftsführer des indischen Super-League-Vereins Bengaluru FC, der DW. "Das erste Ziel muss es sein, in die Top Ten Asiens zu kommen und dann mit Ländern wie Japan, Südkorea, Australien und dem Iran zu konkurrieren." Im Oktober 2021 stand Indien auf Platz 106 der FIFA-Weltrangliste und war damit 19. der 46 asiatischen Nationen.
Die indische Super League
Die heimische Szene hat sich verändert. Im Jahr 2019 beschloss der indische Fußballverband (AIFF), dass die indische Super League (ISL) die I-League als höchste nationale Spielklasse ablösen soll. Die ISL war fünf Jahre zuvor als eigenständiger Wettbewerb mit acht Mannschaften ins Leben gerufen worden. Internationale Topstars wie die Weltmeister Alessandro Del Piero und Robert Pires wurden verpflichtet, um für Glamour und Aufmerksamkeit zu sorgen. Damit konnte die relativ unauffällige I-League nicht mithalten.
"Die ISL hat uns eine Menge Geld und Investitionen gebracht", so Jindal. "Unsere Infrastruktur hat sich wirklich verbessert, wir haben jetzt überall im Land hochwertige Trainingsplätze und Stadien. Das Mitwirken großer Stars aus Europa und Südamerika hat auf und neben dem Spielfeld geholfen. "Der Fußball wird gut im Fernsehen übertragen und hat viel mehr Aufmerksamkeit erregt."
Die Kinder sind die Zukunft
Am wichtigsten ist vielleicht, dass die ISL-Teams den Grundstein für den künftigen Erfolg legen, so Jindal. "Die Vereine investieren jetzt in die Basisarbeit in Indien, und das war früher nicht der Fall. Laut Baljit Rihal, Chef von Inventive Sports, einer auf den indischen Fußball spezialisierten Agentur, hat dies bereits Wirkung gezeigt: "Mit der Gründung der ISL hat sich die professionelle Struktur sofort verbessert", so Rihal. "Im Bezug auf Trainer und Sportwissenschaft hat sich viel getan. Ich habe daran mitgewirkt, und das Niveau der indischen Spieler hat sich drastisch verbessert."
In der kommenden ISL-Saison 2021/22, die am 19. November beginnt, sollen dafür weitere Anreize geschaffen werden: "In dieser Saison wird ein ausländischer Spieler weniger erlaubt sein, von fünf auf vier, und das macht die Teams abhängiger von den indischen Spielern, die nun mehr Einsatzzeit bekommen." So sollen bessere junge Spieler, die unter besseren Trainern mehr Spiele bestreiten und in besseren Einrichtungen trainieren, ein weiterer Schritt in die richtige Richtung sein.
Noch viel zu tun
Es sind jedoch noch viele weitere Schritte zu gehen. Wenn die neue Saison beginnt, werden acht Monate seit dem Ende der letzten Spielzeit vergangen sein. Das ist fast dreimal so lang wie die Pause in den großen europäischen Ligen. Eine Ursache ist die COVID-19-Pandemie. Aber auch schon vorher war klar, dass die Aufstockung der Liga von acht auf elf Mannschaften nicht reichen würde. "Unsere Liga ist viel zu klein", sagt Jindal. "Die ISL läuft höchstens fünf Monate lang. Mit elf Teams in der Liga sind 20 Spiele nicht genug."
Rihal stimmt dem zu: "Es ist die größte, professionellste und meistgesehene Liga in Indien, aber sie ist immer noch nicht groß genug. Es gibt die I-League darunter, die I-League 2 und dann gibt es noch die staatlichen Ligen, und das ist alles nicht ausreichend."
Ein weiterer Grund für den Ausbau der ISL ist, dass sie den gesamten indischen Subkontinent abdeckt. Die Popularität des Fußballs hat sich über die traditionellen Zentren Kolkata, Mumbai und den Süden des Landes hinaus ausgebreitet, aber die Liga spiegelt dieses Wachstum nicht vollständig wider, und hunderte Millionen potenzieller Fans und Sponsoren haben keine Mannschaft, die sie unterstützen können. "Die ISL repräsentiert nicht das ganze Land, denn die meisten Vereine kommen aus dem Süden, Osten oder Westen", so Jindal. "In den zentralen und nördlichen Regionen gibt es kaum eine Präsenz. Große Bundesstaaten wie Punjab, Rajasthan, Gujarat, Uttar Pradesh und Madhya Pradesh sind in der Liga nicht vertreten."
Da es keinen Auf- oder Abstieg zwischen der ISL und den übrigen Spielklassen gibt, haben Vereine aus diesen Bundesstaaten bisher keine Chance, in die höchste Liga zu gelangen. Die AIFF hat versprochen, dies für die Saison 2024/25 zu ändern. Es gibt also keinen Anreiz für die Vereine, sich zu verbessern. Auch in der ISL hatten wir zuletzt eine schwache Saison, aber als wir wussten, dass wir nicht unter die ersten vier kommen und die Playoffs erreichen können, war es egal, wo wir landeten: auf Platz sechs, acht oder ganz unten."
Internationale Bewegung
Der Druck des drohenden Abstiegs und die Belohnungen durch einen Aufstieg würden die Vereine dazu zwingen zu investieren und bessere Spieler hervorzubringen. Der nächste Schritt wäre dann, dass indische Talente dem Beispiel von Südkorea und Japan folgen und nach Europa gehen. Transfers von indischen Spielern ins Ausland waren bisher rar gesät, nur Gupreet Singh konnte da in bescheidener Weise von sich reden machen. Der Torhüter verbrachte drei Jahre beim norwegischen Team Stabaek, bevor er 2017 in seine Heimat zurückkehrte.
"In Europa zu spielen, würde indische Spieler verbessern und sie würden dann nach Hause kommen, um auch Indien zu helfen, sich zu verbessern", sagte Rihal. "Es ist manchmal einfacher, wenn sie ins Ausland gehen, wenn sie noch jung sind und es sich zu Hause nicht zu bequem machen. Wenn indische Spieler langfristig in europäischen Ligen spielen würden, wäre das ein weiteres positives Signal für den indischen Fußball.
Dieser Text wurde aus dem Englischen adaptiert von Tobias Oelmaier.