Indische Nonne: Unser Kampf geht weiter
19. Februar 2019Im vergangenen Juni hatte eine indische Ordensschwester der "Missionaries of Jesus" den für die Ordensgemeinschaft zuständigen Bischof Franco Mulakkal wegen wiederholter Vergewaltigung angezeigt. Der Bischof soll die Taten zwischen 2014 und 2016 bei seinen Besuchen im Missionsheim St. Francis im südindischen Bundesstaat Kerala begangen haben. Kerala ist der Bundesstaat mit den meisten Christen (rund 18 Prozent der Bevölkerung) in Indien. Im September demonstrierten fünf Ordensschwestern in Keralas größter Stadt Kochi für die Verhaftung des Bischofs, die kurz darauf auch erfolgte. Er wurde inzwischen gegen Kaution freigelassen und lässt sein Amt "mit Erlaubnis des Papstes" ruhen.
Die fünf Nonnen, die aus verschiedenen Regionen Indiens kommen, bleiben entgegen einer Anweisung der Ordensleitung unterdessen in Kerala an einem Ort zusammen, um in der Nähe der Klägerin zu bleiben und um weiter Druck zur Aufklärung dieses und anderer Missbrauchsfälle in der Kirche Indiens auszuüben. Die DW sprach mit einer der fünf Ordensschwestern, Sr. Anupama (Artikelbild, oben links), über ihre Anliegen.
DW: Wie schwierig ist der Kampf mit dem mächtigen Klerus von Kerala?
Sr. Anupama: Es ist eine Herausforderung, und wir hatten einige schwere Momente zu bestehen. Nach der Protestaktion im Rahmen des Forums "Save our Sisters" in Kochi, die wir mit dem Ziel der Verhaftung von Bischof Franco Mulakkal abgehalten hatten, sind wir unter ständiger Beobachtung. Die schriftliche Anordnung der Ordensleitung, uns in unsere Konvente in verschiedenen Orten Indiens zurückzubegeben, war ein Racheakt des Kirchenapparates. Hätten wir der Anordnung Folge geleistet, wären wir in Lebensgefahr gewesen. Wir hatten keinerlei Sicherheitsgarantien der Behörden. Wir sollten ganz klar wegen unseres Aufstands gegen den Bischof bestraft werden.
Welcher Druck wird derzeit auf Sie und ihre Mitschwestern ausgeübt?
Der Druck wird auf stille Weise ausgeübt. Wir können uns nicht immer frei bewegen, die Geldzuweisungen an uns decken nur das absolut Nötigste ab, wir werden beobachtet. Wir müssen uns dauernd vorsehen, was hinter unserem Rücken passiert. Bei der Beerdigung des Priesters Kuriakose Katuthara, der im vergangenen Oktober unter mysteriösen Umständen im nördlichen Bundesstaat Punjab tot aufgefunden wurde, wurden wir beschimpft und aufgefordert, uns zu entfernen. Katuthara hatte uns unterstützt und gegen Bischof Mulakkal ausgesagt.
Versucht die Kirche, die Vorfälle unter den Teppich zu kehren?
Die Kirche in Kerala steckt in einer schweren Krise. Aber anstatt Reformen anzupacken und der Wahrheit ans Licht zu helfen, geht sie mit Mitteln wie Isolierung, Rufmord und falschen Anklagen gegen uns vor. Wir Nonnen sind auf der Seite der Wahrheit und wir verlangen einen geschützten und sicheren Ort für uns. In den vergangenen zwei Jahren gab es viele Fälle, in denen Priester in Kerala sexueller Vergehen beschuldigt wurden. Wir kämpfen für unsere Schwestern, die im Stillen leiden, und wir werden unseren Protest fortsetzen, bis sie alle Gerechtigkeit erfahren.
Anfang des Monats hat die katholische Bischofskonferenz von Kerala Richtlinien mit "null Toleranz" für sexuellen Missbrauch erlassen. Was halten Sie davon?
Solch ein Katalog mit Vorschriften reicht nicht aus. Auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung wirft Fragen auf. Was wir anstreben, ist ein Beschwerdemechanismus, der transparent, praktikabel und durchsetzungsfähig ist, so dass sich alle sicher fühlen können.
Ende der Woche kommen Bischöfe aus aller Welt im Vatikan zu einem von Papst Franziskus einberufenen Gipfel zusammen, zum Thema: Sexueller Missbrauch in der katholischen Kirche. Was ist Ihre Meinung dazu?
Ich begrüße die Initiative und hoffe, dass etwas Konkretes dabei herauskommt. Letzten Endes geht es darum, das Übel des Missbrauchs in der Kirche zu beseitigen. Deshalb ist es wichtig, das Bewusstsein der Bischöfe für das Problem zu schärfen und dass man ihnen zeigt, wie sie mit dem Problem umgehen müssen. Die Tatsache, dass der Papst die Konferenz einberufen hat, zeigt, wie dringlich die Angelegenheit ist. Das Thema muss gründlich und ohne Furcht erörtert werden. Täglich dringen neue Nachrichten über Ausbeutung und Missbrauch durch die Mauern der Kirche an die Öffentlichkeit. Der Fokus darf dabei nicht nur auf westlichen Ländern liegen, sondern es muss überall genau hingeschaut werden. Es müssen klare Maßnahmen ergriffen werden, um die Schwachen zu schützen und den Opfern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Inwieweit kam für Sie Unterstützung aus dem Vatikan, als die Krise in Kerala sich zuspitzte?
Wir hatten auf Unterstützung durch den Papst gehofft, aber es wurde kein Gesandter zu uns geschickt, um den Vorfall zu untersuchen, obwohl er großes Medienecho erfuhr. Aber das macht nichts. Unser Kampf geht weiter. Wir gehen hier nicht weg, bis der Fall entschieden ist und unsere Schwester Gerechtigkeit erfahren hat.