Indonesiens Demokratie hat sich bewährt
21. Mai 2019Das offizielle Ergebnis der Wahl war keine Überraschung. Die Wahlkommission bestätigte Präsident Joko Widodo (Artikelbild links, mit seinem Vize Ma'ruf Amin) im Amt. Er erzielte 55,5 Prozent der Stimmen und ist damit bis 2024 Regierungschef des größten muslimischen Landes der Welt.
Der Zeitpunkt der Verkündung war allerdings eine Überraschung. Die Wahlkommission entschied, die Ergebnisse einen Tag früher bekannt zu geben als geplant. Die Begründung: Zum einen fürchtete sie gewaltsame Proteste der Anhänger des unterlegenen Herausforderers Prabowo Subianto, zum anderen waren in den letzten Tagen vermehrt Anhänger des sogenannten Islamischen Staates gefasst worden. Sie hatten angekündigt, Anschläge auf die geplanten Massenkundgebungen verüben zu wollen. Rund 32.000 Soldaten und Polizisten sind in der Hauptstadt Jakarta zusammengezogen worden, um die Bekanntgabe der Ergebnisse abzusichern.
Andreas Harsono von Human Rights Watch (HRW) in Indonesien sagt dazu im Gespräch mit der DW: "Ich denke, es war eine gute taktische Entscheidung, die Ergebnisse vorzeitig zu verkünden, um die Spannungen in Indonesien zu reduzieren. Die Spannungen sind sehr hoch." Das gilt nicht nur in der Hauptstadt. Auch in vielen Provinzen wurden Schulen und Behörden angewiesen, vorsorglich zu schließen.
Wahlen frei und fair
Prabowo Subianto, der schon beim Urnengang vor fünf Jahren gegen Jokowi unterlegen war, bezweifelt die Ergebnisse und Hochrechnungen seit den Wahlen vor fünf Wochen. Seine Anhänger und er sprechen von "strukturellen, systematischen und umfassenden" Wahlmanipulationen, wie die englischsprachige Tageszeitung "Jakarta Post" berichtete. Prabowo kündigte unmittelbar nach Bekanntgabe der Ergebnisse an, diese beim Verfassungsgericht anzufechten. Für Mittwoch werden Großdemonstrationen seiner Anhänger erwartet.
Langjährige Beobachter wie Kevin Evans vom "Australia-Indonesia Center" sehen demgegenüber keine Gründe, die Wahlen zu beanstanden. "Die Wahlen bestätigen erneut, dass Indonesien die fortgeschrittenste und am meisten gefestigte Demokratie Südostasiens und der muslimischen Welt insgesamt ist." Die meisten internationalen Beobachter teilen diese Einschätzung.
Fehlende Akzeptanz der Ergebnisse
Die Wahlkommission in Jakarta wird seit Dienstagmorgen von zwei Zäunen aus Stacheldraht geschützt. Einsatzkräfte sind rund um das Gebäude aufgefahren. Das zeigt, dass die Wahlen zwar funktionieren, die Anerkennung des Ergebnisses aber nicht selbstverständlich ist. Prabowo und seine Anhänger sind, wie vor fünf Jahren, schlechte Verlierer.
Der geschäftsführende Direktor des indonesischen Think Tanks "Indonesian Public Institute" (IPI), Karyono Wibowo, zeigt sich im Interview mit der DW besorgt: "Die seit Jahren zunehmende Hasssprache im öffentlichen Raum und die antidemokratische Attitüde der Eliten setzen kein gutes Beispiel. Sie sind bereit zu gewinnen, aber akzeptieren ihre Niederlage nicht." Die Art, wie der Wahlkampf geführt wurde und wie mit den Ergebnissen umgegangen wird, unterminiere den demokratischen Prozess, so Wibowo.
Die anti-demokratischen Tendenzen lassen sich laut Harsano von HRW darauf zurückführen, dass sich das Land weigere, sich seiner Vergangenheit zu stellen. Das Land wurde viele Jahrzehnte autoritär regiert. 1965/66 kam es landesweit zu Massakern an Hunderttausenden Kommunisten und deren Unterstützern. Die Demokratie erhielt erst 1998 Einzug. Bis heute sind in Indonesien auf allen Ebenen weiterhin Politiker aktiv, die in der Vergangenheit ihre Macht missbraucht haben. "Die fortwährende Akzeptanz all dieser Politiker, die gegen die Menschenrechte verstoßen haben, wird das Land immer wieder in den Teufelskreis von Gewalt, Betrug, Hass und möglicherweise Massenunruhen führen."
Gefährliche Polarisierung
Der Experte Wibowo sieht in der wachsenden Polarisierung der Gesellschaft die größte Gefahr. "Die Gesellschaft muss versöhnt werden und wieder lernen, Unterschiede zu respektieren. Wir müssen die Demokratie besser vermitteln, um die Gefühle, die die Polarisierung vertiefen, zu bändigen."
Aus Sicht von Harsono und vielen anderen Menschenrechtsaktivisten hat Jokowi in seiner ersten Amtszeit nicht genug getan, um die Demokratie und die Menschenrechte im Land zu stärken. Auch in den Schutz religiöser Minderheiten, der LGBT-Community und die Gleichberechtigung von Frauen habe Jokowis Regierung zu wenig investiert. Harsono hofft, dass Jokowi in seiner zweiten Amtszeit diesen Kurs ändert, und das bereits bei der Wahl vor fünf Jahren abgegebene Versprechen, sich für Demokratie und Menschenrechte einzusetzen, einlöst.
Unter Mitarbeit von Rizki Akbar Putra