Industrieaufträge gestiegen
9. Mai 2016Die deutsche Industrie hat im März dank der starken Nachfrage aus dem Ausland überraschend viele Aufträge an Land gezogen. Sie stiegen um 1,9 Prozent im Vergleich zum Vormonat, wie das Bundeswirtschaftsministerium am Montag mitteilte. Das ist der kräftigste Zuwachs seit einem dreiviertel Jahr. Volkswirte hatten lediglich mit einem Plus von 0,7 Prozent gerechnet, nachdem es im Februar noch einen Rückgang um 0,8 Prozent gegeben hatte.
"Trotz des eingetrübten außenwirtschaftlichen Umfelds konnte die deutsche Industrie einen spürbaren Anstieg der Aufträge aus dem Ausland verbuchen", erklärte das Ministerium. Diese nahmen um insgesamt 4,3 Prozent zu. Während die Bestellungen aus der Euro-Zone um 1,1 Prozent wuchsen, stiegen die aus dem Rest der Welt um 6,2 Prozent. Die Inlandsaufträge schrumpften dagegen um 1,2 Prozent.
Der Anteil der Großaufträge war diesmal leicht überdurchschnittlich. Das Ministerium erwartet in den kommenden Monaten eine rege Nachfrage nach Produkten "Made in Germany": "Die Geschäftserwartungen im Verarbeitenden Gewerbe haben sich zuletzt weiter aufgehellt, so dass dort mit einer Fortsetzung des moderaten Aufschwungs zu rechnen ist".
Die Hersteller von Maschinen und anderen Investitionsgütern steigerten ihre Aufträge im März um 4,0 Prozent. Die Bestellungen für Vorleistungsgüter sanken dagegen um 1,2 Prozent. Bei Konsumgütern gab es ein Plus von 1,6 Prozent.
Analysten: Erst einmal Durchatmen
"Weiterhin geht es bei den Bestellungen einen Schritt vor und einen zurück - aber der Schritt nach vorne ist der größere", meint Dirk Schlotböller von der DIHK. Spätestens damit sei das erste Quartal gerettet. "Enttäuschend entwickeln sich einmal mehr die Investitionsaufträge hierzulande - der Trend weist nach wie vor abwärts", so Schlotböller.
"Nach einigen schwächeren Monaten war das endlich mal wieder ein gutes Ergebnis", findet Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. "Auch das Quartalsergebnis sieht jetzt ganz freundlich aus. Die Produktion dürfte in der Spur bleiben."
"Das Auftragsplus war nach dem Rückgang im Vormonat auch bitter nötig", meint Thomas Gitzel von der VP Bank, ansonsten hätte es für das erste Quartal ziemlich düster ausgesehen. "Die solide wirtschaftliche Entwicklung in den USA ist derzeit eine zentrale Stütze für die heimische Industrie. Auch aus China kamen zuletzt wieder bessere wirtschaftliche Nachrichten, was sich nun auch in Deutschland niederzuschlagen scheint." Nach der heute veröffentlichten Zahl sei erst einmal Durchatmen angesagt, so Gitzel.
Pessimismus bei Exporteuren
Ebenfalls am Montag veröffentlichten die deutschen Auslandshandelskammern (AHK) eine Umfrage unter 3400 weltweit tätigen Unternehmen. Das Ergebnis: Die Mehrheit der deutschen Exporteure blickt mit Sorge auf die weltweite Konjunkturentwicklung. Beinahe drei Viertel (71 Prozent) der Befragten erwarteten für 2016 ausbleibendes Wachstum oder gar ein Schrumpfen. Hauptgründe für den Pessimismus sind die international schwächelnde Nachfrage, unsichere wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen sowie Wechselkursschwankungen.
"Kein Auslandsmarkt bietet sich derzeit als wahrer Wachstumstreiber an. Insbesondere die Rezessionen in Russland und Brasilien sowie das aus dem Galopp geratene Zugpferd China drücken auf die Stimmung", erklärte Volker Treier, Außenwirtschaftschef der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Laut AHK-Umfrage ist die schwache Nachfrage für gut die Hälfte (51 Prozent) der befragten Firmen das größte Hemmnis für die Exportentwicklung.
Schwächstes Wachstum seit Wiedervereinigung?
Der DIHK senkte daher seine Export-Prognose für 2016 von 3,5 Prozent Wachstum im vergangenen Herbst auf nun nur noch zwei Prozent. Treffe die Einschätzung zu, werde 2016 für das Wachstum des deutschen Außenhandels eines der schwächsten Jahre seit der Wiedervereinigung, erklärte Treier. Die Entwicklung der Weltwirtschaft schätzt der DIHK für dieses Jahr mit drei Prozent Wachstum als unterdurchschnittlich ein; 2017 könne eine leichte Verbesserung eintreten.
Weiteren Grund zur Sorge liefern den Unternehmen wirtschaftspolitische Unwägbarkeiten wie etwa der mögliche EU-Austritt Großbritanniens - 44 Prozent nannten dies in der Umfrage als Problem. Bei der vorangegangenen Befragung im Herbst 2015 hatten politische Fragen mit 53 Prozent noch an der Spitze der Sorgen gestanden. Offenbar bestehe mittlerweile eine gewisse "Gewöhnung an die außenwirtschaftlich und auch politisch turbulenten Zeiten", analysierte der DIHK.
Einzig der anhaltend niedrige Ölpreis sowie die dem Export zuträgliche Schwäche des Euro wirkten für Unternehmen in Deutschland und anderen Ländern Europas stabilisierend, erklärte DIHK-Chefvolkswirt Treier. Dazu passt, dass trotz aller Sorgen jedes zweite deutsche Unternehmen im Ausland seine Lage als gut einschätzt. Trotz schwacher Nachfrage sollen Investitionen und Beschäftigung bei ihnen zulegen.
iw/ul/hb (rtr, dpa, afp)