1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Deutschland 2025: Migration begrenzen, Demokratie schützen

30. Dezember 2024

Deutschlands Innenpolitik steht im kommenden Jahr vor großen Herausforderungen: Zuwanderung beherrschbar machen, Cyber-Angriffe abwehren sowie Rechtsstaat und Demokratie wirksam schützen.

https://p.dw.com/p/4oM3G
Deutschland, Ausweitung der Grenzkontrollen: Polizisten kontrollieren Fahrzeuge, Polizeiwagen stehen daneben und dahinter
Deutsche Polizei kontrolliert an der Grenze zu Belgien: Der Kampf gegen illegale Migration bleibt auch 2025 ein beherrschendes Thema Bild: Roberto Pfeil/dpa/picture alliance

Der schwere Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt und die aufgeheizte Stimmung seitdem hat noch einmal die Themen innere Sicherheit und Extremismus nach vorn gebracht. Aber andere Themen sind geblieben: die illegale Zuwanderung bekämpfen und gewollte Einwanderung fördern; den Cyber-Angriffen besser begegnen, Rechtsstaat und Demokratie gegen Feinde von innen und außen stärken. Diese Aufgaben werden auf eine neue Bundesregierung in der Innenpolitik im Jahr 2025 zukommen, egal, wer sie nach der Neuwahl im Februar anführen wird.

Bundeskanzler Olaf Scholz spricht in Mikrophone (Magdeburg), dahinter weitere Personen mit ernsten Gesichtern
Bundeskanzler Olaf Scholz zeigte sich erschüttert nach dem Attentat in Magdeburg mit fünf TotenBild: Christian Mang/REUTERS

Fragt man allerdings Politiker, die in den vergangenen Jahren im Bundestag Verantwortung trugen, dann werden alle diese Herausforderungen überstrahlt von der tiefen Krise, in der sich die Wirtschaft des Landes befindet. Große Industrieunternehmen wie Volkswagen kündigen Werkschließungen oder zumindest massiven Stellenabbau an, Die Menschen sorgen sich um ihre Jobs und leiden unter der hohen Inflation.

Hohe Energiepreise und Fachkräftemangel in Deutschland

Marco Wanderwitz (CDU) war bis 2021 Beauftragter der Bundesregierung für die ostdeutschen Länder. Der aus Sachsen stammende Politiker sagt der DW: "Das größte Problem, dass wir gerade in diesem Land haben, ist, dass unsere Wirtschaft stottert. Und das geht wirklich an die Grundlagen und an die Zukunftsfähigkeit. Das große Problem ist, dass wir einen Vertrauensverlust derjenigen, die die Wirtschaft machen, in die Politik haben."

Der Grund: zu hohe Energiepreise, das hohe deutsche Lohnniveau, die marode Infrastruktur, die erdrückende Konkurrenz aus China. Aber auch der Mangel an Fachkräften und die immer stärker werdende Bürokratie. Beim letzteren Punkt zeigen sich nach Ansicht von Omid Nouripour, dem ehemaligen Parteichef der Grünen, vor allem die Versäumnisse der schleppenden Digitalisierung."

"Wir haben eine doppelte Krise sowohl konjunkturell als auch strukturell. Das sieht man daran, dass Faxgeräte in Gesundheitsämtern immer noch ein Kommunikationsmittel höchster Klasse sind. Und das sieht man am Investitionsstau in diesem Land", sagt er im Gespräch mit der DW. 

Hinzu kämen Angriffe von außen, oft aus Russland, auf die Infrastruktur, wie etwa auf Stromnetze. "Das Wichtigste ist der Schutz der kritischen Infrastruktur. Wir haben zu viele Anfälligkeiten in diesem Bereich. Und es gibt zu viele Akteure, die an der kritischen Infrastruktur sägen", so Nouripour. Bürokratieabbau und eine Stärkung von Polizei und Geheimdiensten seien deshalb wichtige Aufgaben für das nächste Jahr.

Deutschland | Der CDU-Politiker Marco Wanderwitz redet und gestikuliert
Marco Wanderwitz: "Die kränkelnde Wirtschaft ist derzeit unser größtes Problem."Bild: Uwe Meinhold/IMAGO IMAGES

Ein härterer Kurs bei der Zuwanderung ist sehr wahrscheinlich

Zwei weitere Themen werden die künftige Regierung innenpolitisch noch stärker fordern als bislang, und der Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg lässt sie noch drängender erscheinen: Die ungelösten Fragen bei der Zuwanderung und die Frage, wie das Land mit dem zunehmenden Populismus und Rechtsextremismus umgehen soll. Bei der Zuwanderung sind sowohl die Zahlen der Asylbewerbungen als auch die geschätzte Zahl der illegalen Zuwanderung zuletzt zurückgegangen.

Aber die europäische Grenzschutzagentur Frontex schätzt dennoch, dass in den ersten neun Monaten dieses Jahres rund 166.000 Menschen versucht haben, auf irreguläre Weise in die EU zu gelangen.

Deutschland hat an allen Grenzen wieder Kontrollen eingeführt, die konservative CDU, die gute Chancen hat, nach dem Neuwahl am 23. Februar eine Regierung anzuführen, spricht sich sogar für Zurückweisungen von Flüchtenden an den Grenzen aus.

Deutschland, Brand in Flüchtlingsunterkunft in Apolda, Thüringen - mehrere Personen vor einer bemalten Wand, im Vordergrund ein Polizist von hinten
Sind die Kommen überfordert: Polizei vor einer Flüchtlingsunterkunft in Thüringen Bild: Michael Reichel/dpa/picture alliance

Deutsche Kommunen überfordert mit der Zuwanderung?

Im Land selbst melden viele Kommunen, dass sie bei der Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten an ihre Grenzen stoßen. Das beobachtet auch der Abgeordnete der Minderheit der Friesen und Dänen im Norden des Landes, Stefan Seidler vom "Südschleswigschen Wählerverband" (SSW) . Er sagt der DW: "Das, was ich aus meiner Perspektive gerade sagen kann, ist, dass die Kommunen gerade vor einer riesigen Aufgabe stehen, die sie kaum bewältigen können.Was wir brauchen, ist eine unterstützende Hand des Bundes."

Marco Wanderwitz, der nicht wieder für den Bundestag kandidiert, sieht es anders. Er hält die Zuwanderung für beherrschbar, aber er weiß auch, wie stark das Thema emotional polarisieren kann. "Zum einen sind die Zahlen gesunken. Und zum anderen fand ich das Thema ohnehin übertrieben dargestellt. Ich kenne eigentlich nur Kommunalpolitiker, die sagen, bei uns ist es wesentlich weniger schlimm als  2014 oder 2015", sagt er im Gespräch mit der DW. 

Omid Nouripour weist darauf hin, dass die Zahlen in den nächsten Jahren wieder steigen könnten. "Wir wissen, dass die Situation in der Ukraine eher zu mehr Flucht führen könnte, und wir sehen, dass im Nahen Osten der eine oder andere Konflikt noch weiter eskalieren kann."

Symbobild kritische Infrastruktur / Hafen Hamburg: Gasreservoirs, Kräne, Container an einer Wasserfläche, dahinter Windräder
Gasspeicher, Kräne und Windanlagen im Hamburger Hafen: Sorgen um die kritische InfrastrukturBild: Calado/Zoonar/picture alliance

Schutz für das Bundesverfassungsgericht

Im neuen Bundestag wird die in Teilen rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) sicher stärker sein als im alten, gibt Stefan Seidler zu bedenken. "Wir erleben derzeit einen massiven Druck von Rechtsaußen. Wir erleben derzeit, dass es Kräfte in Deutschland gibt, die denken, dass immer die Mehrheit allein bestimmt und das Deutungsrecht hat. Und ich kann da als Minderheitenpolitiker nur klar und deutlich sagen: Eine gute Demokratie nimmt auch Rücksicht auf ihre Minderheiten."

Aus diesem Grund unterstützte Seidler im Dezember im Bundestag einen Antrag von CDU, CSU, SPD, Grünen und FDP, mit dem die Rechte des Bundesverfassungsgerichts gegen Angriffe von Rechtsaußen gestärkt werden sollen. Die Reform sieht vor, dass künftig für Veränderungen der Struktur des Gerichts eine Grundgesetzänderung nötig, die eine Zwei-Drittel-Mehrheit erfordern.