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Internetpiraterie und der Schutz des Urhebers

Kay-Alexander Scholz9. März 2012

Wie kann geistiges Eigentum in der digitalen Medienwelt besser geschützt werden? Besonders die Filmindustrie leidet stark unter Internetpiraterie. Die deutsche Politik aber gibt noch immer wenig Orientierung im Netz.

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Kinosaal © Mammut Vision #31068172
KinosaalBild: Fotolia

Die erste große netzpolitische Debatte in Deutschland begann mit einem Aufschrei aus dem Internet. Schon damals wurde die Politik getrieben von dem, was im Netz über ihr Vorhaben diskutiert wurde. Die Bundesregierung wollte 2009 im Kampf gegen Kinderpornografie einzelne Angebote im Internet sperren lassen. Die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen bekam deshalb den Spitznamen "Zens-Ursula" verpasst. Denn den geplanten Eingriff in die Infrastruktur des Internets bewerteten viele Kritiker als Dammbruch und als Einschränkung von Grundrechten. Sie warnten zugleich vor einer möglichen Zensur-Infrastruktur. In den folgenden Monaten freute sich die noch junge Piratenpartei - die selbst ernannten Vertreter der digitalen Gesellschaft - über einen regen Mitgliederzulauf.

Das Gesetzesvorhaben zur Sperrung von Internetseiten wurde wenig später gekippt. Im Jahr darauf setzte der Bundestag eine Enquete-Kommission "Internet und digitale Gesellschaft" ein, die bis heute arbeitet, aber wenig Substantielles hervorbrachte. Von "Zens-Ursulas" Internetsperren redet heute kein Politiker der Bundesregierung mehr. Ein anderes Thema beherrscht die politischen Gehversuche in der digitalen Medienwelt.

Millionenfacher Verstoß gegen das Urheberrecht

"Die Anpassung des Urheberrechts an die digitale Medienwelt ist aktuell die größte kulturpolitische Herausforderung", sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann auf einem Symposium der Bertelsmann-Stiftung zum Thema "Der Schutz des geistigen Eigentums". Er wolle "Anwalt der Kreativen" sein, verkündete Neumann vor Vertretern der Medien-Industrie. "Was verharmlosend als Internetpiraterie bezeichnet wird, betrifft im Kern das Schicksal von hunderttausenden Kreativen. Aber kreative Arbeit ist keine Freizeitbeschäftigung, sondern Broterwerb."

Screenshot "Kino.to" (Foto: dpa)
Das Film-Portal "Kino.to" wurde eingestelltBild: Projekt Gedächtnis der Nation

Besonders betroffen ist die Kino- und Filmwirtschaft. Allein im Jahr 2010 sei in Deutschland durch "digitales Hehlertum" ein Schaden von rund 450 Millionen Euro entstanden, erläuterte Matthias Leonardy, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen. Geschätzte 3,7 Millionen Nutzer hätten in diesem Zeitraum auf illegale Medienangebote zugegriffen.

Businessmodell Illegalität

Am Beispiel der illegalen Plattform "kino.to", deren Betreiber im Juni 2011 festgenommen wurde, erklärte Leonardy das Prinzip solcher Angebote. Neben Filesharing und Herunterladen würden immer mehr User Streaming-Angebote nutzen. Hierbei lädt der Benutzer die Datei mit dem Kinofilm nicht wirklich auf den Rechner, sondern spielt diese nur aus einem Zwischenspeicher ab, was die Sache juristisch noch komplizierter macht.

Kulturstaatsminister Bernd Neumann (Foto: /www.pragenturhamburg.de)
Kulturstaatsminister Bernd Neumann vermisst LösungenBild: picture-alliance/dpa

Finanziert werden solche illegalen Angebote zum Teil von legalen Werbekunden - die nichts dagegen unternehmen. Schließlich hatte "Kino.to" Millionen Klicks täglich und war damit eine begehrte Werbe-Plattform. Zweiter Hauptfinanzier sind sogenannte Premiumkunden, die für Filme oder schnelle Verbindungen zahlen. Im Fall "kino.to" wurden die Betreiber so zu Multimillionären. "Die Zeche zahlt die Kreativwirtschaft", erklärte Matthias Leonardy. Denn anders als bei herkömmlicher Wertschöpfung kommt beim digitalen Hehlertum kein Geld bei den Urhebern an.

Die Politik tut sich schwer

Die Werbeindustrie sperrt sich bisher gegen das Vorhaben, die Branche zur Selbstkontrolle zu verpflichten. Danach soll sie überpüfen, ob Anzeigen auf illegalen Webseiten geschaltet werden. Das wurde durch Redebeiträge auf dem Symposium deutlich. Ebenso sehen sich die Host-Provider - also die Anbieter von Internetzugängen - nicht in die Pflicht genommen. Letztlich seien die Anbieter gefragt, legale Angebote zu schaffen, die zeitgemäß und attraktiv sind, lautet das Gegenargument.

So landeten die Diskutanten immer wieder bei der Politik, die aber bei vielen netzpolitischen Fragen noch in der Findungsphase ist. Das wurde in den Diskussionen deutlich, und das gab auch Kulturstaatsminister Neumann zu. Die Regierungskoalition habe bisher nicht geliefert, sagte Neumann. Im Koalitionsvertrag aus dem Jahr 2009 steht schließlich, dass das Urheberrecht modernisiert werden soll, um "ein hohes Schutzniveau und eine wirksame Durchsetzbarkeit des Urheberrechts zu gewährleisten".

Kann ein Warnmodell helfen?

In der Diskussion gegen Internet-Piraterie ist - seit mehreren Jahren schon - das sogenannte Warnhinweismodell. Das kam jüngst wieder durch eine Studie aus dem FDP-geführten Bundeswirtschaftsministerium ins Gespräch. Danach bekämen Rechteinhaber - insbesondere Urheber - über die Internet-Provider die Möglichkeit, illegale Nutzer schriftlich zu verwarnen. Und das gleich mehrfach, sollte eine Verwarnung allein nicht genügen.

Sanktionen oder Strafen, so wie sie in Frankreich oder Großbritannien laut Gesetz möglich beziehungsweise geplant sind, sieht das Warnhinweismodell nicht vor. "Eine Drosselung oder Sperrung des Internets wird es in Deutschland nicht geben", sagte Hans-Joachim Otto, parlamentarischer Staatssekretär aus dem Bundeswirtschaftsministerium.

Der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Hans-Joachim Otto im Bundestag (Foto: dpa)
FDP-Politiker Hans-Joachim Otto: Internetsperren wird es nicht gebenBild: picture-alliance/dpa

Der Internetbranchenverband Eco hält nicht viel vom Warnhinweismodell und äußerte Bedenken, ob das Modell datenschutz-, europa- und verfassungsrechtlich korrekt wäre. Auch die Bundesjustizministerin wendete sich jüngst dagegen. Mit ihr werde es kein Warnmodell geben, sagte die FDP-Politikerin und stellte sich damit gegen die Pläne des von ihrer eigenen Partei geführten Wirtschaftsministeriums.

Lobbyarbeit 2.0

Warum dauere die Gesetzgebung so lange, fragten Teilnehmer des Symposiums in Berlin. Eine Antwort gab auch Thomas Jarzombek von der CDU/CSU-Fraktion und Mitglied der Internetenquete. "Wir brauchen die politische Atmosphäre, um Entscheidungen durchzubringen." Jarzombek betonte, wie wichtig es inzwischen sei, das Meinungsbild der Netzaktivisten zu berücksichtigen, denn diese würden inzwischen zum Teil selbst in den Printmedien die Agenda bestimmen. Viele Teilnehmer im Publikum zeigten sich damit nicht einverstanden, man dürfe sich von dieser Minderheit nicht treiben lassen. Doch Lobbyarbeit funktioniere heutzutage nun einmal anders als früher, entgegnete Jarzombek. Die Diskussionen bei Twitter, Facebook oder auf Blogs würden immer wichtiger werden.

Google-News soll zahlen

Bei einem Punkt allerdings gab es dieser Tage Bewegung in der deutschen Netzpolitik. Anfang März haben sich die Koalitionsparteien auf eine Änderung des Leistungsschutzrechts geeinigt. Danach sollen kommerzielle Betreiber von Suchmaschinen und News-Aggregatoren wie Google-News zukünftig eine Abgabe an die Presseverlage zahlen, wenn sie deren Artikel in ihr Angebot einbinden. Auch die Autoren sollen etwas von der Abgabe abbekommen. Viele Verlage begrüßten das Vorhaben. 

Kritik kam von Bloggern und anderen Internetnutzern. "Das sogenannte Leistungsschutzrecht ist ein Internet-Wegezoll für die marktführenden Verlage", meint der Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz. "Wenn es den Verlagen nicht recht ist, dass Anrisstexte ihrer Artikel bei Google-News erscheinen, können sie Google von ihren Seiten ausschließen." Die Politik und die Verlage hätten erneut gezeigt, wie wenig sie das Internet verstanden haben. Das Verlinken von Artikeln sei eine kostenlose Werbung und keine schädliche Fremdnutzung, so Nerz.