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Geetanjali Shree über Hindi-Literatur

Manasi Gopalakrishnan
31. Mai 2022

Geetanjali Shree ist die Autorin von "Tomb of Sand," dem ersten Buch in einer indischen Sprache, das je den International Booker Prize gewonnen hat. Im DW-Gespräch redet sie über die Wirkungsmacht des Preises.

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2022 International Booker Prize | Geetanjali Shree
Geetanjali Shree mit dem International Booker Prize 2022Bild: David Parry/PA Wire/empics/picture alliance

Geetanjali Shree hat 2022 mit ihrem Roman "Ret Samadhi" als erste Hindi-sprachige Autorin den International Booker Prize gewonnen. Ins Englische übersetzt von Daisy Rockwell lautet der Titel des Buchs "Tomb of Sand" (dt. "Sandgrab").

Der Roman erzählt die Geschichte einer älteren Frau, die nach dem Tod ihres Mannes in eine Depression fällt. Eines Morgens entscheidet sie ganz spontan, nach Pakistan zu reisen, um das Trauma der Trennung Indiens und Pakistans im Jahr 1947 zu verarbeiten. "Tomb of Sand" beschreibt ihre Gefühle beim Bewältigen ihrer Vergangenheit und ihrer Rolle als Frau und Mutter.

Shree sprach mit der DW, nachdem sie in die engere Auswahl des International Booker Prize gekommen war. 

Geetanjali Shree, in "Tomb of Sand" sagen Sie im Grunde, dass ein Leben als Frau bedeutet, mit Grenzen leben zu müssen. Was meinen Sie damit?

Jahrhundertelang wurden Frauen viele Einschränkungen und Grenzen gesetzt. Ihnen wurde gesagt, wer sie sind, wie sie sein sollten usw. Einschränkungen und Grenzen haben daher eine große Bedeutung innerhalb ihrer Persönlichkeiten.  Und wenn es sie gibt, ist es auch sehr wichtig, sie zu überschreiten. Eine Frau zu sein heißt also, sich innerhalb von Grenzen zu bewegen. Und gleichzeitig zwingt das Leben als Frau einen, diese Linien zu übertreten. So kommt man an einen anderen Ort. 

Mit Comics das Leben von Frauen ändern

Ihr Buch aus dem Jahr 2000, "Mai: Ein Roman", hat Sie bekannt gemacht. Darin geht es um drei Generationen von Frauen. In "Tomb of Sand" schreiben Sie ebenfalls über Frauen aus verschiedenen Generationen und ihre Beziehungen. Was fasziniert Sie an dem Thema? 

Ich denke, dass Mütter wichtig sind. Und da ich selbst Mutter bin, kann ich das Leben als Frau vielleicht auf eine besondere Art wahrnehmen. Es gibt einige Dinge, die Teil deiner unmittelbaren oder auch entfernteren Lebenserfahrung sind. Und diese kommen zum Vorschein, wenn man sich ausdrückt. 

Aber vergessen Sie nicht, mein Roman "Hamara Shahar Us Baras" (dt. etwa "Unsere Stadt in jenem Jahr") wurde auch viel diskutiert und handelt von Hindus und Moslems. Ich schreibe also nicht nur über Mütter. Alles, was in meiner Vorstellungskraft eine wichtige Rolle spielt, in meiner Erfahrung, in meinem Leben, kommt in meinen Büchern vor.

Was haben Sie empfunden, als Sie für den International Booker Prize nominiert wurden?

Ich lebe in Indien und arbeite auf Hindi. In meiner Welt spielte der Booker Prize keine große Rolle. Er war für mich weit weg, in einer völlig anderen Welt. Als ich die Nachricht bekam, dass ich in der Auswahlliste stand, war mir nicht einmal klar, wie wichtig das ist. Es war wie: "Ja, ich habe von diesem Preis gehört und stehe auf der Longlist."

Als mich dann plötzlich Leute anriefen und über meine Arbeit schrieben, begann ich langsam zu verstehen, dass selbst die Longlist eine große Nummer ist. Und als ich dann für die Shortlist nominiert wurde, hatte ich komplett verstanden, was es bedeutet, Teil davon zu sein. 

Wie ist der Markt für Hindi-sprachige Bücher in Indien?

Gemischt, denn ein großer Teil der Hindi-sprachigen Regionen Indiens ist sehr arm. Es gibt auch Probleme in Sachen schulischer Ausbildung. Es gibt ungebildete und gebildete Menschen dort. Vergleicht man die Region mit Kerala (dem südlichen Bundesstaat mit einer Alphabetisierungsrate von 100 Prozent), dann sieht man, dass das literarische Bewusstsein der Menschen dort nicht zu finden ist in der Hindi-Region. Aber die Menschen wollen lesen, sie wollen mehr Zugang zu solchen Dingen haben.

Aber nicht jeder hat die dafür nötige Kaufkraft. Es gibt viele Diskussionen darüber, ob Bücher zu teuer sind, als dass einfache Menschen sie kaufen können. Darum gibt es nur wenige individuelle Käufer von Hindi-Literatur. Es sind vor allem Bibliotheken. Das sind die Probleme, aber die Menschen lesen und wollen lesen. 

Denken Sie, Ihr Booker Preis wird dem Hindi-Buchmarkt helfen?

Hoffentlich. Wenn man im Rampenlicht steht, bekommen auch die Menschen um einen herum etwas davon ab. Offensichtlich bekommt die Hindi-Welt auch etwas Aufmerksamkeit. Es gibt außerhalb Indiens bereits diese Wahrnehmung, dass sich in der Hindi-Welt etwas tut. Und zusammen mit Hindi wächst vielleicht auch die Wahrnehmung von anderen Sprachen - ebenso wie die Begeisterung und die Neugier. Ich denke, es ist richtig gut für Hindi und andere indische und südostasiatische Sprachen. 

Dennoch müssen wir daran denken, dass die Literaturwelt eher still und privat ist. Der Akt des Schreibens wird so weitergehen wie bisher, egal ob die Literatur Aufmerksamkeit erregt oder nicht. Am Ende gibt es überall auf der Welt Literatur. Das Schreiben selbst geht weiter, aber vermutlich wird es mehr Neugier geben und mehr Wille, es in den Fokus zu rücken.

Das Interview führte Manasi Gopalakrishnan. Adaption ins Deutsche: Philipp Jedicke