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IOC testet nur halbherzig nach

Florian Bauer26. November 2012

Erst auf öffentlichen Druck hin hat das IOC die Dopingproben der Olympischen Spiele 2004 nachgetestet. Allerdings nur äußerst unzureichend, wie Recherchen von DW-Mitarbeiter Florian Bauer belegen.

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Flaschen mit Dopingproben. Foto: AP
Bild: AP

Man hätte es sich schon im Sommer denken können. Damals, als das Internationale Olympische Komitee (IOC) nur halbherzig bestätigte, ja, man habe die Dopingproben der Spiele von Athen aus dem Jahre 2004 doch noch nachgetestet. Nach der Berichterstattung des ersten deutschen Fernsehens ARD und der DW im April. In letzter Sekunde kurz vor Ablauf der Acht-Jahres-Frist, die der Welt-Anti-Doping-Code für Nachtests vorsieht. Und ja, es habe wohl positive Proben bei den Nachtests gegeben. Dass darunter ein weißrussischer Hammerwerfer war, kam eher vom Internationalen Leichtathletik-Verband. Mehr wurde nicht bekannt. Bis heute.

Nur 110 Nachtests

Man hätte es sich schon im Sommer denken können, was neue Recherchen der ARD und des TV-Magazins "Sport Inside" jetzt belegen: Die Nachtests wurden mehr als unbefriedigend durchgeführt: Von den knapp 3.700 Dopingproben von Athen wurden gerade einmal etwa 110 nachgetestet. Obwohl die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA dem IOC das Dreifache an Nachtests geraten hatte. Und obwohl von den gerade einmal 110 Proben mindestens fünf Athleten positiv nachgetestet wurden. Der Präsident der WADA, John Fahey, kritisiert jetzt erstmals offen das IOC und sagt: „Warum behältst du die Proben acht Jahre, wenn du sie dann nicht richtig nachtestest? Dann kannst du sie auch gleich wegschmeißen. Und sparst Zeit und Lagerung.“ Das ist deutlich.                          

Auch der ehemalige Präsident der WADA, Richard Pound, seit langem selbst einflussreiches Mitglied im IOC, hält sich mit Kritik nicht zurück: „Wir haben da ganz klar eine Chance vertan. Ich hätte gehofft, dass fünf positive Nachtests das IOC dazu motiviert hätten, in ihrem Kampf gegen Doping mehr nachzutesten. Das ist doch nicht die Null-Toleranz-Politik, die das IOC immer propagiert.“

Der ukrainischen Kugelstoßer Juri Belonog bei einem Wettkampf. Foto:Getty Images
Nachprobe positiv: Kugelstoßer Juri Belonog, Olympiasieger 2004 in AthenBild: Ville Myllynen/AFP/Getty Images

Fünf Medaillengewinner positiv nachgetestet

Zumal bei den Nachtests jetzt nicht irgendwelche Athleten positiv aufgefallen sind. Nach Informationen der ARD sind alle fünf Athleten Medaillengewinner, alle aus Osteuropa: Der Olympiasieger im Kugelstoßen, Yuri Belonoh (Ukraine); die Bronzemedaillengewinnerin im Kugelstoßen Svetlana Kriveleva (Russland); der Bronzemedaillengewinner im Gewichtheben, Oleg Perepechenov (Russland); die  Bronzemedaillengewinnerin im Diskuswerfen, Irina Yatchenko (Weißrussland); und der schon vor London genannte Silbermedaillengewinner im Hammerwerfen, Iwan Tikhon (Weißrussland).

Und alle behaupten, nie verbotene Substanzen genommen zu haben. Warum diese Testergebnisse bisher nicht öffentlich wurden, erklärt der Chef der medizinischen Kommission des IOC, Arne Ljungqvist, mitverantwortlich für die Nachtests, so: „Wir hatten nun mal gerade die Olympischen Spiele in London, da war das IOC beschäftigt. Und die Nachtests hatten auch keine Priorität für uns. Wir haben ja nachgetestet und uns darum gekümmert.“

Probe von Sprint-Star Gatlin nicht nachgetestet

Aber offensichtlich nicht besonders intensiv und durchdacht. Nach ARD-Informationen wurden beispielsweise die Proben des Aushängeschilds der Spiele von Athen 2004, des 100-Meter-Olympiasiegers Justin Gatlin, nicht nachgetestet. Obwohl der US-Amerikaner zwei Jahre später, 2006, positiv auf anabole Steroide getestet wurde. Genau jene Dopingmittel also, die jetzt bei den fünf Osteuropäern gefunden wurden.

US-Sprinter Justin Gatlin bei der Siegerehrung der Olympischen Spiele 2004 in Athen. Foto: Getty Images
Justin Gatlin, 100-Meter-Olympiasieger 2004, wurde zwei Jahre später als Dopingsünder entlarvtBild: Getty Images

In Kreisen von Doping-Experten werden die Enthüllungen als Skandal bezeichnet. Der Sportmediziner und anerkannte Gendoping-Forscher Perikles Simon beispielsweise beschuldigt genauso wie die WADA das IOC und sagt: "Mein Eindruck ist schon, dass das IOC diese Proben nicht nachtesten wollte. Wir wissen ja, dass einige Sportler, die in Athen am Start waren, dann später wegen Dopings überführt wurden. Es wäre natürlich schon sehr wichtig, sich genau diese Sportler anzuschauen.“

Die Diskussion um die Nachtests von Athen und damit um die Ernsthaftigkeit des Anti-Doping-Kampfes des IOC wird also weitergehen.