Irak - Chronik eines gewollten Krieges
In einem ausführlichen Interview beschreibt der ehemalige Leiter des UN-Hilfsprogramms im Irak, von Sponeck, wie von langer Hand eine "Achse der Falschinformation" von Seiten der US-Administration geschaffen wurde. Seine Kernthese lautet: Der Krieg gegen den Irak ist völkerrechtlich nicht legitimiert, weil es keine Beweise für eine vom Irak ausgehende Bedrohung gibt.
Es gehe der amerikanischen Regierung unter Präsident Bush lediglich darum, die volle Kontrolle über die Energie-Quellen im Mittleren Osten zu erlangen und sowohl die europäischen Staaten als auch der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen versagten, weil sie sich der amerikanisch-britischen Irak-Politik nicht entschieden genug entgegenstellten. Und weil sie den katastrophalen Auswirkungen der Sanktionen auf die irakische Zivilbevölkerung tatenlos zusähen. Das sind harte Vorwürfe. Aber derjenige, der sie ausspricht, weiß wovon er redet und deshalb erscheinen sie durchaus glaubwürdig.
Dilemma der Sanktionspolitik
Graf von Sponeck arbeitete mehr als 30 Jahre für die Vereinten Nationen. Ab 1998 leitete er das UNO-Programm "Öl für Nahrungsmittel". Im Februar 2000 trat er aus Protest gegen die Aushungerung und Verelendung der irakischen Bevölkerung von seinem Amt zurück. Von Sponeck weist darauf hin, dass die Kindersterblichkeit in den letzten zwölf Jahren der Sanktionspolitik gegen den Irak dramatisch angestiegen ist, weil wichtige Medikamente nicht eingeführt werden dürfen. Er beleuchtet das Dilemma, das seiner Ansicht nach durch die Sanktionspolitik ausgelöst wurde: Das irakische Volk werde bestraft, weil es sich des Diktators nicht entledigt habe, den es überhaupt nicht haben wolle. Ein Teufelskreis.
Von Sponeck kritisiert vor allem die Art und Weise, wie das Völkerrecht von den USA interpretiert wird. So gäbe es zahlreiche unsaubere Formulierungen in den UN-Resolutionen, die vom Irak "in jeder Hinsicht Zusammenarbeit verlangten". Aber wie, so fragt er, könne man feststellen und messen, ob diese umfassende Zusammenarbeit tatsächlich erfolgt sei, wenn es hierfür keinerlei weitere Kriterien gebe? Entschieden wendet sich der ehemalige UN-Diplomat gegen die amerikanischen Luftangriffe gegen den Irak: Sie seien ein klarer Verstoß gegen das Gewaltverbot der UNO-Charta. Von Sponecks kritische Berichte über die Auswirkungen der Luftangriffe auf zivile Opfer und Einrichtungen waren seiner Ansicht nach der Hauptgrund, warum Washington und London auf seine Abberufung drängten.
Nachdenklich stimmender Rundumschlag
Die Analyse des ehemaligen UN-Diplomaten ist aber auch gegenüber seinem früheren Arbeitgeber schonungslos. Allzu oft habe er erleben müssen, dass die Gremien der Vereinten Nationen wertvolle Zeit und Energie mit unwichtigen Detaildebatten verloren hätten, statt grundsätzliche Kurskorrekturen der Sanktionspolitik vorzunehmen. Von Sponecks Kritik gipfelt schließlich in einer schonungslosen Abrechnung mit der uneinheitlichen Haltung der EU-Staaten gegenüber der amerikanischen Irak-Politik.
So nachvollziehbar die Argumentation von Sponecks gegenüber der westlichen Irak-Politik ist, bleibt es gleichwohl ein Manko des vorliegenden Bandes, dass die Verfehlungen des irakischen Regimes, wie etwa die zahlreichen Menschenrechtsverletzungen, nur am Rande erwähnt werden. Dennoch: dieses Buch stimmt nachdenklich und untermauert eindringlich das "Nein" der rot-grünen Bundesregierung zu einem Krieg, der das internationale Völkerrecht ohne Not aushebeln würde.
Rezension: Verica Spasovska
Bibliografische Angaben:
Hans von Sponeck, Andreas Zumach
Irak - Chronik eines gewollten Krieges
Kiepenheuer und Witsch, 2003
3-462-03255-0
7,90 Euro