Unwillige Koalition
31. Juli 2007Rund 150.000 ausländische Soldaten sind derzeit noch im Irak stationiert. Großbritannien ist der zweitgrößte Truppensteller nach den USA. Doch das Vereinigte Königreich hat sein Kontingent in diesem Jahr schon von 7100 auf 5500 Soldaten reduziert. 500 weitere sollen bis zum Spätsommer abgezogen werden.
Ursprünglich waren es 34 Länder, die die USA im Irak im Kampf gegen den Terror unterstützten. Aber nach dem Rückzug der spanischen Soldaten im April 2004 begann die "Koalition der Willigen" zu bröckeln - mehrere Länder folgten dem spanischen Beispiel.
Auf der offiziellen Webseite der US-geführten "Operation Iraqi Freedom" gehören der Koalition noch 25 Länder an, doch tatsächlich leisten nur noch eine Handvoll größere militärische Beiträge, sagt Markus Kaim, Mitglied der Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP): "Neben den USA und Großbritannien sind das Südkorea, Polen und Dänemark. Und alle bis auf die USA denken mehr oder weniger über eine Reduktion ihrer Truppen nach", so Kaim.
Jetzt gehen die Dänen
Dänemark denkt nicht mehr nur darüber nach, sondern handelt: Zum 1. August zieht das skandinavische Land seine Bodentruppen ab. Seit Beginn des Irakkrieges 2003 standen rund 500 dänische Soldaten in der südirakischen Stadt Basra unter britischem Kommando. Zusammen mit den Briten waren sie für Patrouillen, den Wiederaufbau und das Training der irakischen Armee zuständig.
Jetzt kehren sie nach Dänemark zurück. Das sei kein kompletter Rückzug, sagt der Verteidigungsattaché der dänischen Botschaft in Berlin, Dan Termansen, denn im Austausch entsenden die Dänen vier Hubschraubereinheiten und ein Unterstützungsteam nach Basra. 50 Soldaten sollen jetzt die britischen Einheiten bei Beobachtungsflügen unterstützen. Außerdem nehmen nach wie vor 15 Dänen an der NATO-Trainings-Mission in Bagdad teil, bei der irakische Einheiten trainiert werden.
Verschiebung der Truppen vom Irak nach Afghanistan
Doch 50 Mann können 500 nicht ersetzen. "Einer der Gründe für den Abzug ist, dass Dänemark mehr Soldaten nach Afghanistan schickt", sagt Dan Termansen. Kopenhagen will sein dortiges Truppenkontingent bis Ende des Jahres um 220 auf 600 Soldaten aufstocken, weil die NATO mehr Soldaten für Südafghanistan angefragt hat. "Die dänische Luftwaffe soll für den Flughafen in Kandahar zuständig sein. 45 Mann sind schon losgeschickt worden", so der Verteidigungsattaché.
Eine Reduzierung der Truppen im Irak auf der einen, ein Aufstocken in Afghanistan auf der anderen Seite - "dahinter steckt bei einigen die Analyse, dass der Irak wahrscheinlich verloren ist und man in Afghanistan vielleicht noch etwas retten könnte", meint Otfried Nassauer, Leiter des Berliner Informationszentrums für transatlantische Sicherheit (BITS).
Offiziell klingt das natürlich anders: Immer wieder hört man das Argument, dass die irakische Regierung bereit sei, mehr Sicherheit zu übernehmen. Auch die Briten, die bis Ende des Jahres die Kontrolle über die Provinz Basra an irakische Sicherheitskräfte übergeben wollen, behaupten, dass sich die Sicherheitslage dort so weit gebessert habe, dass die Zahl der ausländischen Truppen verringert werden könne.
Gefangen zwischen innen- und außenpolitischen Interessen
Die täglichen Gewaltmeldungen aus dem Irak bieten ein anderes Bild. Markus Kaim von der SWP sieht die Länder, die Truppen im Irak stationiert haben, in einer Zwickmühle. Auf der einen Seite würden die Staaten zu Hause immer stärker unter Legitimationsdruck geraten: "Wir stehen im Irak an einer Schwelle zum Bürgerkrieg, wenn wir nicht bereits einen Bürgerkrieg haben", sagt Kaim. Dementsprechend seien die nationalen Öffentlichkeiten in Großbritannien, Polen oder Dänemark längst nicht mehr bereit, die Zustimmung zu einer Verlängerung der Mission zu erteilen.
Gleichzeitig könne ein Abzug aber noch nicht erfolgen, weil die irakischen Sicherheitskräfte noch nicht in der Lage seien, Sicherheit auf dem gesamten Staatsgebiet des Irak zu gewährleisten, meint der Sicherheitsexperte der SWP. "Dementsprechend sind Abzugspläne aus innenpolitischer Perspektive verständlich. Gleichzeitig kann niemand - egal, wie man zum Irakkrieg gestanden haben mag - Interesse an einem überstürzten Rückzug haben, an dessen Ende ein im Bürgerkrieg versinkender oder gar territorial zerfallender Irak stünde."
Zweifelhafte neue Bündnisse
Trotzdem erhöht der Truppen-Abzug den Druck auf die Amerikaner, sich nach Alternativen umzuschauen. Sie setzen inzwischen auf Abkommen mit lokalen Sicherheitsbündnissen im Irak - zum Beispiel mit sunnitischen Milizen, die sie auch mit Waffen beliefern.
Experten befürchten, dass sich die erhoffte stabilisierende Wirkung dadurch ins genaue Gegenteil verkehren und die Auseinandersetzung zwischen Sunniten und Schiiten im Irak noch angefeuert werden könnte.