1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Iran-Atomabkommen: Appell in letzter Minute

Barbara Wesel
11. Januar 2018

Die Außenminister von Frankreich, Großbritannien und Deutschland warnen Washington erneut davor, das Atomabkommen mit Iran einseitig zu beenden. Probleme mit Teheran sollten getrennt davon diskutiert werden.

https://p.dw.com/p/2qgeH
Brüssel Iran EU Treffen Außenminister
Bild: Reuters/F.Lenoir

So viel Einigkeit ist selten: Die drei Außenminister der europäischen Unterzeichnerstaaten Frankreich, Großbritannien und Deutschland hätten bei ihrem Plädoyer an Donald Trump auch von demselben Zettel ablesen können, als sie am Donnerstag noch einmal nachdrücklich dafür plädierten, das Atomabkommen mit Iran aufrecht zu erhalten. Am Freitag läuft die Frist ab, in der der US-Präsident über den weiteren Verzicht auf Sanktionen gegen Teheran entscheiden muss. Am Samstag muss das Abkommen im UN-Sicherheitsrat neu zertifiziert werden. Das heißt: Die Kontrollmächte befinden darüber, ob Iran die Auflagen einhält.

Wollen die USA wirklich ausscheren?

Trump hatte mehrfach erklärt, wie unzufrieden er mit dem Atomabkommen und der weiteren Politik des Iran im Nahen Osten ist. Er nannte den Vertrag während des Wahlkampfes ein "Desaster" und "den schlechtesten je ausgehandelten Deal". Im Oktober weigerte er sich, das Abkommen zu zertifizieren und drohte, es einseitig aufzukündigen.

Nun stemmen sich die europäischen Unterzeichnerländer Frankreich, Großbritannien und Deutschland in letzter Minute noch einmal mit aller Kraft gegen die Drohung Washingtons, den Vertrag einseitig aufzukündigen.

USA PK Präsident Trump über Atomabkommen mit Iran
Im Oktober 2017 stellte Trump zum ersten Mal den Forbestand des Atomabkommens infrageBild: Reuters/K. Lamarque

Ob Donald Trump seine Drohungen wirklich wahr machen will, darüber streiten sich die Beobachter und versuchen die unklare Linie Washingtons in der Außenpolitik zu interpretieren. Aber die Angst vor der nuklearen Eskalation geht um. 

Politische Grundsatzentscheidung

Die Europäer wiederum haben, gemeinsam mit den jeweiligen US-Regierungen, 20 Jahre lang mit dem Iran verhandelt, um das Atomabkommen 2015 zu unterzeichnen. Es war ihr erster großer außenpolitischer Erfolg, und sie wollen es unbedingt erhalten. Neun Mal habe die Internationale Atomenergiebehörde in Wien dem Iran bestätigt, dass Teheran die Auflagen aus dem Abkommen voll erfüllt, erklärt EU-Chefdiplomatin Federica Mogherini jetzt. An diesen Fakten gebe es keine Zweifel, hier gehe es um eine politische Grundsatzentscheidung. Sollte man - wegen der Rolle des Iran im Nahen Osten, Teherans offenem Streben nach einer Vormachtrolle und seiner militärischen Einmischung in mehreren blutigen Konflikten - ein Abkommen aufkündigen, das bislang funktioniert hat? Die Europäer sagen dazu einstimmig Nein: "Niemand konnte bisher eine Alternative aufzeigen", betont der britische Außenminister Boris Johnson. 

Atomabkommen mit dem Iran unterschrieben
Iraner feierten, als der Atomvertrag 2015 unterzeichnet und die Sanktionen aufgehiben wurdenBild: picture-alliance/dpa/A. Taherkenareh

Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel sieht bei der Gegenleistung, der Aufhebung der Sanktionen und mehr ökonomischer Zusammenarbeit, sogar durchaus noch Luft nach oben: "Iran hat Anspruch darauf, dass die (wirtschaftliche) Entwicklung besser vorankommt". Im Gegensatz zu den USA will Gabriel den Iran dafür stärker belohnen, dass er auf die nukleare Bewaffnung verzichtet. Die Aufkündigung dieses Abkommens wäre "ein sehr gefährliches Signal" für den Rest der Welt", fügt Gabriel noch hinzu.

Kritik am Iran nicht mit Atomabkommen verbinden

"Der Iran respektiert das Abkommen, und unsere amerikanischen Alliierten sollten es auch tun", mahnt auch Frankreichs Außenminister Jean-Yves Le Drian. Und er plädiert dafür, es nicht mit anderen "Punkten der Meinungsverschiedenheiten zu verbinden", wie dem Raketenprogramm oder der Rolle des Iran in der Region.

Dieser Meinung ist auch Ellie Geranmayeh vom European Council of Foreign Relations (ECFR): "Wenn es um die Verbreitung von Atomwaffen im Nahen Osten geht, was eine vorrangige Sorge der globalen Sicherheitspolitik ist, dann sollte man Probleme der Menschenrechte und andere Fragen abtrennen."

Javad Zarif Brüssel
Irans Außenminister Zarif lächelt, aber behält seine Gedanken für sich Bild: Reuters/J.Thys

Bundesaußenminister Gabriel nennt diese Fragen beim Namen: Man habe mit dem iranischen Außenminister Jawad Zarif über die Situation im Jemen gesprochen, im Libanon und in Syrien. Damit meint er die militärische Einmischung Teherans, das sich zu einem der stärksten militärischen und politischen Akteure in der Region entwickelt hat. Man habe auch über die Lage der Menschenrechte geredet, fügt der deutsche Außenminister hinzu, ohne weitere Einzelheiten zu nennen.

Einig in der Sache, uneins in den Mitteln

Washington forderte in einer Stellungnahme am Mittwoch, Teheran solle alle politischen Gefangenen und die bei den jüngsten Protesten Inhaftierten entlassen: "Das Regime hat wieder einmal sein brutales Wesen gezeigt". Inhaltlich gibt es hier mit den Europäern keine Differenzen, wohl aber in der Wahl der Mittel. Diese Themen hätten "nichts mit dem Atomabkommen zu tun", betont Gabriel, man müsse mit Iran im "Dialog bleiben".

"Die Kluft zwischen dem US-Präsidenten und den europäischen Hauptstädten, wie man mit die verbleibenden Probleme mit dem Iran behandeln sollte, wird immer größer", sagt ECFR-Analystin Geranmayeh. "Das betrifft auch die Reaktion auf die Proteste dort." Die Rhetorik des Weißen Hauses vermittle den Eindruck, dass man an einem Dialog mit dem "fanatischen Regime" des "Schurkenstaats", wie Trump Teheran gern nennt, gar nicht mehr interessiert ist, so Geranmayeh.

Der Dialogpartner allerdings schweigt dazu. Der iranische Außenminister äußerte sich in Brüssel weder vor noch nach dem Treffen mit seinen Kollegen vor der Presse. Bleibt nur die vorab Stellungnahme eines Beraters von Präsident Rohani: "Falls die Amerikaner aus dem Deal aussteigen, werden wir sofort darauf reagieren."